1999 rief die niederländische Fernsehproduktionsfirma Endemol das kontroverse TV-Experiment „Big Brother" ins Leben. Die Sendung wurde schnell zu einem großen Erfolg – aber auch Kritik wurde laut, weil das Überwachungssystem des Formats der Privatsphäre der Kandidaten keinen Raum ließ. Kann es Zufall sein, dass nahezu zeitgleich die Hollywood-Produktion „EDtv – Immer auf Sendung" in die Kinos kam? Ron Howard erzählt dort mit zurückgenommener satirischer Schärfe, dafür aber mit vielen skurrilen Figuren, Tempo und treffsicheren Pointen vom Leben eines Jedermanns, das komplett in der Glotze stattfindet.
Der charismatische Ed Pekurny (Matthew McConaughey) arbeitet in einem Videoladen. Durch seine charismatische und sympathisch-unbeschwerte Art wird er als Protagonist für die neue Sendung „True-TV" ausgewählt. Von nun an wird er jeden Tag 24 Stunden von einem Kamerateam begleitet, einzig bei seinen Toilettengängen genießt er noch Privatsphäre. Zu Beginn ist noch alles ungewohnt und spannend, doch schnell vergisst er die Kameras um sich herum. Vor den Augen aller Zuschauer, auch denen seines Bruders Ray (Woody Harrelson), küsst er dessen Freundin Shari (Jenna Elfman). Doch das ist erst der Anfang einer unvorhergesehenen Karriere: Denn Ed wird zu einem beliebten Fernsehstar und steht plötzlich im Blickpunkt der gesamten Öffentlichkeit.
Die Medienkritik in „EDtv" ist niemals subtil oder mit doppeltem Boden, sondern wird dem Zuschauer plakativ an den Kopf geknallt. Dies liegt vor allem an den karikierenden Figurenzeichnungen, die jedoch von erstklassigen Schauspielern äußerst energetisch und humorvoll zum Leben erweckt werden. Die Produzentin Cynthia Topping etwa wird von der Talkshow-Legende Ellen DeGeneres verkörpert, die sich damit in gewisser Weise selbst persifliert. Auch die weiteren Rollen sind prominent besetzt. Der bekannte Regisseur Rob Reiner schlüpft in die Rolle des Medienmoguls Mr. Whitaker, und in einigen Cameo-Auftritten ist Michael Moore in seiner beständig hartnäckigen Rolle des Sittenwächters zu sehen. Woody Harrelson darf als prolliger Bruder des Protagonisten durch den Film poltern und stiehlt dabei selbst Sunnyboy Matthew McConaughey regelmäßig die Show.
Die Handlung ist in weiten Teilen recht vorhersehbar. Mit der einen oder anderen Wendung, dem einen oder anderen treffenden Seitenhieb, wäre eine noch fiesere und somit wirkungsvollere Dekonstruktion der Medienlandschaft möglich gewesen. Im Vergleich mit der wenige Monate zuvor gestarteten Tragik-Komödie „The Truman Show" von Peter Weir erstellt Ron Howard in „Edtv" das weitaus realistischere Szenario. Vermutlich würde nach Formaten wie „Schwiegertochter gesucht" und dem bereits erwähnten „Big Brother" ein „EDtv" heutzutage nicht einmal mehr besonders großes Interesse auf sich ziehen. Die Anklage gegen das Fernsehsystem und dessen Eindringen in den privaten Bereich findet sich in Peter Weirs Film deutlich schärfer und dramtischer – dafür traf „EDtv" den Zuschauern der Jahrtausendwende sicherlich direkter ins Herz und überzeugte mit süffigem, leichter verdaulichem Humor.
Fazit: „EDtv" ist eine gelungene Mediensatire, die den Reality-TV-Zeitgeist der Endneunzigerjahre treffend persifliert, jedoch ein wenig Potenzial, durch allzu stumpfe Kritik und eine vorhersehbare Handlung, verschenkt.