Sequels sind Risiko und Chance zugleich. Meist hat der Held zum Ende eines Originals bereits seine Bestimmung gefunden. Wo soll die Reise dann noch hingehen? Freiräume eröffnen sich wiederum eben da, wo der Ballast einer Original-Story weg ist. Bei „Kung Fu Panda 2" schien das Risiko zu überwiegen. Schließlich ist die Prämisse, dass ein dicker, tollpatschiger Panda Kung-Fu-Kämpfer werden will - und um diesen absurden Widerspruch zwischen Plumpheit und Agilität ist die ganze Story gestrickt. Am Ende von "Kung Fu Panda" wurde Panda Po zum gefeierten Drachenkrieger und war am Ziel seiner Träume angekommen. Zum Glück nutzt das bereits für den ersten Teil tätige Autorenduo Jonathan Aibel und Glenn Berger die Chancen eines Sequels. Wissend, dass sie sofort loslegen können, schicken sie Panda Po und seine Freunde in irres Abenteuer – samt ungemein witzigem, temporeichem Dialogfeuerwerk. Auch das zweite Risiko, der bislang als Storyboardzeichnerin und Animatorin tätigen Jennifer Yuh die Regie anzuvertrauen, zahlt sich voll aus. Die Debütantin liefert grandios-detailverliebte Bilder und begeistert mit verspielten 2D-Sequenzen, mit denen sie die obligatorische 3D-Präsentation immer wieder mutig durchbricht. DreamWorks beschert uns mit „Kung Fu Panda 2" daher nicht nur ein unerwartetes Animationsmeisterwerk, sondern legt die Latte für die Konkurrenz bei Pixar („Cars 2") hoch – verdammt hoch!
Lord Shen (Stimme: Gary Oldman) stand einst eine große Zukunft bevor. Wie seine Ahnen vor ihm, sollte der Pfau eine chinesische Metropole regieren. Doch der jugendliche Shen träumte von Größerem, er wollte ganz China beherrschen. Da ihm eine Wahrsagerin (Michelle Yeoh) prophezeite, ein schwarz-weißer Kung-Fu-Krieger werde ihn eines Tages stoppen, ließ er alle Pandas ermorden. Entsetzt stießen ihn seine Eltern – die eigentlichen Herren der imperialen Armee - aus. Seitdem plant Lord Shen im Untergrund seine Rache, hat ein Heer aus Wölfen aufgebaut und eine Waffe erfunden, die das Ende des Kung-Fu bedeutet. Nun ist der Tag seiner Rückkehr gekommen. Er erobert die Stadt seiner Ahnen zurück, tötet Kung-Fu-Meister Rhino (Vincent Garber) und wirft die Meister Oxen (Dennis Haysbert) und Croc (Jean-Claude Van Damme) ins Gefängnis. Die Nachricht vom Tod seines alten Freundes und der neuen Waffe erreicht auch den alten Weisen Shifu (Dustin Hoffman). Klarer Fall: Drachenkrieger Po (Jack Black) und die furiosen Fünf (Angelina Jolie, Seth Rogen, Jackie Chan, David Cross, Lucy Liu) müssen ran! Der dicke Panda musste gerade erfahren musste, dass Gans Mr. Ping (James Hong) nicht sein leiblicher Vater ist – was für ein Schock! Während Po noch nicht ahnt, dass sein nächstes großes Abenteuer auch eine Reise in seine eigene Vergangenheit ist, muss er eine Antwort auf eine äußerst knifflige Frage finden: Wie stoppt man mit Kung-Fu etwas, das eben gerade Kung-Fu stoppen soll?
Wer auf die besten Filme des Kinojahres 2010 zurückblickte, kam an ihnen nicht mehr vorbei: Ob „Toy Story 3", „Drachenzähmen leicht gemacht" oder „Der fantastische Mr. Fox", diese Animationsfilme haben es zu Recht auf die Spitzenplätze vieler Bestenlisten geschafft. Auch die konservative Academy reagierte darauf und nahm wie schon 2009 („Oben") mit „Toy Story 3" erneut einen Animationsfilm in die auf zehn Titel erweiterte Nominierungsliste für den Oscar als bester Film. Es ist davon auszugehen, dass dies in Zukunft eher Regel denn Ausnahme ist - und nicht länger nur auf Pixar beschränkt bleibt. Dass die Konkurrenz von DreamWorks bereits mit den Hufen scharrt, untermauert Jeffrey Katzenbergs Schmiede mit „Kung Fu Panda 2" nach „Drachenzähmen" einmal mehr mit Nachdruck. Wie beim jüngsten Abenteuer von Weltraumfahrer Buzz und Cowboy Woody wird auch hier ein turbulent-witziges Abenteuer für alle Altersgruppen geboten – dramatische Momente und großartige Figuren inklusive.
Wie es sich für einen Martial-Arts-Film gehört, sind die sich immer weiter selbst überbietenden Actionsequenzen das inszenatorische Glanzstück von „Kung Fu Panda 2". Spätestens als Po und die Furiosen Fünf im Kostüm eines chinesischen Drachens die Gegner reihenweise auffressen und ausscheiden – und das ist wörtlich gemeint – ist man versucht zu glauben, noch witziger und rasanter könne es nicht kommen. Eine kurz darauf folgende Rikscha-Verfolgungsjagd belehrt wiederum eines Besseren. „Kung Fu Panda 2" steigert sich konsequent; schön, dass zwischen all dem Action-Feuerwerk niemals Witz, Geschichte und Figuren auf der Strecke bleiben. Die geschickt ausbalancierten Elemente werden abwechselnd hochbeschleunigt, während – oftmals nur als Detail im Hintergrund – dem fernöstlichen Kampfsportkino Tribut erwiesen wird.
Damit die Kleinsten im Boot bleiben, hat Panda Po auch als großer Krieger nichts von seiner Tollpatschigkeit und Verfressenheit verloren und braucht ein ums andere Mal die Hilfe seiner Freunde, um überhaupt zu wissen, wo es langgeht. Dass Jack Black perfekt in diese Rolle passt, hat er schon im Vorgänger bewiesen. Mit auf den Leib geschriebenen Dialogen wechselt Black zwischen albern, entschlossen oder demoralisiert und trifft immer den richtigen Ton. Fast wirkt es da, als sei Black in „Kung Fu Panda" noch ausgebremst worden. Aber auch der neue Antagonist, der mit Gary Oldman in der Originalversion ebenfalls einen famosen Sprecher hat, überzeugt auf ganzer Linie. Eine Figur, die böse und unberechenbar ist, mit einem Genozid (!) eingeführt wird, die dabei aber doch tragisch daherkommt und über die gelacht werden kann - das ist ein Kunststück! Besonders amüsant ist sein Umgang mit seinen Handlangern. Da verwundert es nicht, dass Anarcho-Komiker Danny McBride („Your Highness") als Chef der Wolfsgarde rekrutiert wurde.
Beim packenden Duell zwischen Po und Chen fällt kaum weiter auf, dass die Furiosen Fünf im Hintergrund bleiben - zumal Seth Rogen als Gottesanbeter Mantis immer noch für den ein oder anderen lustigen Spruch zu haben ist, gerade wenn es um die Beziehung zwischen Männlein und Weiblein geht. Zudem deuten die Macher an, dass das dramatisch-romantische Potential der vorläufig nur platonischen Beziehung zwischen Po und Tigress in einem weiteren Teil voll genutzt werden könnte. Die Kirsche auf der Sahne liefert Regisseurin Jennifer Yuh mit der Entscheidung, Rückblenden und Traumsequenzen im Stil altertümlicher chinesischer Malereien zu präsentieren – und zwar in 2D. Das grenzt den Panda-Genozid sowie Pos langsam aufkommende Erinnerungen an seine leiblichen Eltern nicht nur tonal von der meist heiteren Rettung Chinas ab, sondern gestaltet die düsteren Abschnitte auch für ein jüngeres Publikum verträglich.
Die 3D-Bilder derweil beeindrucken nicht minder, vor allem der mehrmals aufgegriffene, spielerische Umgang mit einem Wassertropfen lässt staunend zurück und stellt eine ähnlich imposante Sequenz im Sommer-Blockbuster „Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten" in den Schatten. Einen Malus hat „Kung Fu Panda 2" dann aber leider doch: Der Spaß ist bereits nach 90 Minuten vorbei. Zum Glück ist die Geschichte von Po und seinen Kumpanen noch lange nicht auserzählt, wie im Epilog des Films schon angedeutet wird. Im Sommer startet mit „Kung Fu Panda: Legends of Awesomeness" auf dem amerikanischen TV-Sender Nickolodeon eine Serie - und ein Kino-Sequel könnte bloß noch ein unwahrscheinlicher Einbruch an den Kinokassen verhindern.