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    Shootout - Keine Gnade
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Shootout - Keine Gnade
    Von Björn Becher

    Retro ist wieder in. Auch der Geist der Hard-Boiled-Thriller der 70er und 80er wird immer wieder heraufbeschworen, der Einfluss von Regisseuren wie Michael Winner („Ein Mann sieht rot"), Don Siegel („Dirty Harry") und Walter Hill („Driver") ist in einigen Filmen der jüngeren Vergangenheit nicht zu übersehen. Fast wie in den alten Zeiten steht in „Drive", „Jack Reacher" oder „Safe - Todsicher" ein schnörkellos agierender Protagonist im Mittelpunkt einer aufs Wesentliche beschränkten Erzählung mit deutlichen düster-pessimistischen Untertönen. Zu diesem Trend passt es natürlich, dass der erwähnte Walter Hill zehn Jahre nach seinem bisher letzten Kinofilm „Undisputed – Sieg ohne Ruhm" die Chance auf ein Comeback erhält. Ermöglicht wurde dies von Sylvester Stallone, dessen erste „Rocky"- und „Rambo"-Erfolge auch schon über drei Jahrzehnte zurückliegen und der auf der aktuellen Retro-Welle mit seinen „The Expendables"-Filmen obenauf schwimmt. Das Traum-Duo aller Action-Nostalgiker kann bei seiner verspäteten ersten Zusammenarbeit „Shootout – Keine Gnade" aber nicht an alte Glanzzeiten anknüpfen. Zwar passt die Kombination aus körperbetonten Kampfszenen à la Hill und knackig-launigen One-Linern grundsätzlich, aber die Pointen sitzen längst nicht immer und auch die Nebenfiguren bleiben bei dieser bisweilen arg flachen Adaption eines französischen Comics sehr blass.

    Der Auftragskiller Jimmy Bobo (Sylvester Stallone) erledigt seine Jobs präzise und zuverlässig. Doch nachdem er gemeinsam mit seinem Partner Louis (Jon Seda) den korrupten Ex-Polizisten Hank Greely (Holt McCallany) ins Jenseits geschickt hat, wollen ihre aus dem Verborgenen agierenden Auftraggeber sie hintergehen und schicken ihnen den Söldner Keegan (Jason Momoa) auf die Fersen. Der tötet Louis, doch Bobo kann entkommen. Der Mord an Greely bringt unterdessen auch dessen Ex-Partner Taylor Kwon (Sung Kang) ins Spiel. Der Polizist will herausfinden, mit wem sich sein früherer Kollege angelegt hat und gleich der erste Hinweis führt ihn zu Bobo. Schließlich machen der Cop und der Killer gemeinsame Sache, denn sie wollen beide wissen, wer hinter dem Mordauftrag steht und damit sowohl Greely als auch Louis auf dem Gewissen hat. Sie knöpfen sich erst Bobos Mittelsmann Ronnie Earl (Brian Van Holt), dann den schmierigen Anwalt Marcus Baptise (Christian Slater) vor und das ist nur der Anfang. Kwon und Bobo kommen den Drahtziehern an der Spitze der Unterwelthierarchie immer näher und schließlich wird man dort langsam nervös: Der skrupellose Keegan bekommt den Auftrag, das lästige Duo auszuschalten.

    Der bereits 2011 gedrehte „Shootout" hat eine bewegte Produktionsgeschichte hinter sich. Ursprünglich sollte Wayne Kramer („The Cooler", „Running Scared") den Film mit Sylvester Stallone und Thomas Jane („The Punisher", „Der Nebel") als ungleiches Killer-Cop-Duo inszenieren, doch der Regisseur überwarf sich mit seinem mächtigen Star. Auf Vorschlag des Action-Fans Jane wurde Walter Hill engagiert, der davor zuletzt 2006 für die TV-Produktion „Broken Trail" auf dem Regiestuhl saß. Durch diesen wiederum kam Produzent Joel Silver an Bord, ebenfalls eine Legende der 80er und der Verantwortliche hinter Klassikern wie „Stirb Langsam", „Predator" und „Lethal Weapon". Silvers erste Amtshandlung: Er feuerte Thomas Jane und ersetzte ihn durch den aus einer koreanisch-amerikanischen Familie stammenden Sung Kang („Fast & Furious Five"). Mit dem ethnischen Gegensatz zwischen den Protagonisten wollte der Produzent für zusätzlichen erzählerischen Zündstoff sorgen (und eine weitere Zielgruppe erschließen). Doch der von der Kombination erhoffte Pepp ist Wunschdenken geblieben, bis auf den blöden Spitznamen „Konfuzius" und einen dummen Sushi-Spruch wird kaum etwas daraus gemacht.

    Dass Kwon dem technischen Fortschritt gegenüber aufgeschlossen ist und fast ausschließlich das Smartphone zur Verbrecherjagd einsetzt (ganz anders als der Oldtimer Bobo natürlich, der sich auf Faust und Messer verlässt – womit immerhin ein hübscher Gegensatz zwischen den beiden etabliert wird), kann im Vergleich zu den Konfuzius-Kalauern fast als subtiles Spiel mit Asien-Klischees durchgehen. Wenn Hill dann aber immer wieder den „Telefonjoker" zieht und Kwon mit einem kurzen Anruf sowie einer gelegentlichen Google-Suche stets im Handumdrehen die nötigen Informationen herbeizaubern lässt, dann degradiert er ihn gleichsam zum Stichwortgeber, mit dem sich prima der Weg zur nächsten Action-Szene abkürzen lässt. Und in der übernimmt Stallone dann wieder das Kommando. Diese einfallslose Ungleichbehandlung ist bei einem Mann wie Walter Hill, der einst mit „Nur 48 Stunden" einen prototypischen Klassiker des Buddy-Action-Movies erschuf, besonders erstaunlich. Damals zelebrierte er mit Eddie Murphy und Nick Nolte das Aufeinandertreffen eines Cop-/Krimineller-Duos mit unterschiedlicher Hautfarbe schließlich noch in komisch-treffsicherer Perfektion, außerdem kopierte er dieses Konzept zudem noch zweimal erfolgreich („Und wieder 48 Stunden", „Red Heat").

    Mit Sung Kang mag er nicht so viel anfangen können, aber für einen Sylvester-Stallone-Film ist Walter Hill nach wie vor eine perfekte Wahl, denn in Sachen handfester Action hat er nichts verlernt. Der Regisseur und sein Star bevorzugen beide eine sehr körperbetonte und zugleich überhöhte Form der Gewaltdarstellung mit viel Blut, Schweiß und Adrenalin. So wird hier nur selten „sauber" und aus der Distanz getötet, sondern die Kontrahenten werden in einen kraftraubenden Clinch geschickt, bei dem sie sich voll verausgaben (und einiges zu Bruch geht). Obwohl Stallones Jimmy Bobo ein Profikiller ist, der seine Opfer bevorzugt mit schallgedämpfter Pistole ruckzuck ins Jenseits schickt, werden immer wieder Mittel und Wege gefunden, diesen kurzen Tötungsakt zu umgehen. Mal ist die Knarre unbrauchbar, mal rappelt sich das Opfer unerwartet vom Boden auf oder es gibt einen anderen Grund für eine persönlichere Form der Auseinandersetzung. Aber auch wenn die Schusswaffen sprechen, zeigt sich die Handschrift von Hill (und Stallone). Wenn Jason Momoa („Conan", „Game of Thrones") mit seiner Automatik in einer Bar voller Ganoven „aufräumt", spritzt das Blut in Mini-Explosionen aus Eintritts- und (!) Austrittswunde ganz wie bei Hills großer Sam-Peckinpah-Hommage „Ausgelöscht". In kurzen Momenten wie diesem leben tatsächlich die Goldenen Achtziger des Action-Kinos auf.

    Die Story ist in „Shootout" nur Nebensache. Trotzdem hätte es nicht geschadet, wenn Walter Hill, der als Autor immerhin einst die kultige Figur der Ellen Ripley aus der „Alien"-Reihe erfand, stärker selbst Hand ans Drehbuch gelegt hätte. So wechseln sich knackige One-Liner mit peinlichen Sprüchen und Dialogen ab, während Stallones Off-Kommentar im Film-Noir-Duktus oft eher komisch als lakonisch gerät und der Versuch von Oberbösewicht Robert Nkomo Morel („Lost"-Star Adewale Akinnuoye-Agbaje mit einer fragwürdigen Vorstellung als reicher Afrika-Exilant), Licht in das Dunkel der obskuren Handlung zu bringen, sich als ebenso vergeblich wie überflüssig erweist. Da tut es gut, wenn es am Ende wieder zur Sache geht, auch wenn Jason Momoa als irrer Killer-Söldner einfach null Präsenz hat. In den 80ern hätte ein finales Duell zwischen Rambo und Conan die Action-Fans elektrisiert, aber Momoa ist kein Schwarzenegger und diese Zeiten sind ohnehin vorbei. Das wissen auch die Filmemacher, die nicht umsonst in zahlreichen Selbstreferenzen (der Showdown findet beispielsweise in einem Kraftwerk statt, das Walter Hill schon in seinem Regiedebüt „Ein stahlharter Mann" für eine Schlüsselszene nutzte) auf die eigene Vergangenheit verweisen. Mit einer Parade von Fahndungsfotos (darunter eine Aufnahme aus „Rambo") aus fünf Jahrzehnten wird uns die Entwicklung Sylvester Stallones explizit vor Augen geführt: ein amüsanter, nostalgischer und selbstironischer Beleg dafür, dass seine besten Zeiten weit hinter ihm liegen.

    Fazit: Der Zahn der Zeit nagt auch an den Helden von einst. „Shootout – Keine Gnade" macht nicht so viel Spaß wie die größten Kracher aus den Achtzigern, aber er bietet immerhin so viele gute Einzelszenen, dass Fans allemal auf ihre Kosten kommen.

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