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    London Boulevard
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    London Boulevard
    Von Jan Görner

    Um das in London angesiedelte Buch eines irischen Romanciers zu verfilmen, sollte es nicht erst eines Amerikaners bedürfen – gerade die britische TV-Landschaft versammelt hochkarätige Talente und bringt international gefeierte Produktionen wie die „Red Riding"-Trilogie zustande. Jetzt ist es mit Debüt-Regisseur William Monahan eben doch ein Amerikaner, der die ur-britische Erzählung des irischen Autors Ken Bruen adaptiert – und das durchaus gekonnt. Monahan, vor allem bekannt als Oscar-prämierter Hollywood-Autor („Departed: Unter Feinden", „Königreich der Himmel"), zeichnet auch hier für das Drehbuch verantwortlich. Und ausgerechnet aufgrund von zu schematischer Handlungsentwürfe verpasst Monahan die Chance, seine Regie-Karriere mit einem Paukenschlag zu beginnen. Spaßig ist seine Gangster-Revue trotzdem über weite Strecken.

    Nach drei Jahren hinter Gittern hat Mitchell (Colin Farrell) sich geschworen, mit dem Verbrechen abzuschließen. Er gelangt an einen Job als Bodyguard und Handlanger der Schauspielerin Charlotte (Keira Knightley). Diese ist durch die immerwährende Überwachung der Paparazzi in die Isolation getrieben worden. Während es zwischen den beiden zu knistern beginnt, wird Mitchell von seiner kriminellen Vergangenheit eingeholt - der Londoner Untergrund-Boss Gant (Ray Winstone) interessiert sich für die Schurkentalente des ehemaligen Sträflings und will ihn als Schuldeneintreiber einspannen. Und Gant ist freilich nicht der Typ Untergrundboss, der ein schlichtes Nein akzeptiert...

    Innovationspreise wird William Monahan für „London Boulevard" nicht abstauben. Allzu bekannt ist das Schema, dem die Verfilmung von Ken Bruens gleichnamigem Buch folgt. Und doch unterhält Monahans Regie-Erstling. Schwung ins Geschehen bringen vor allem die Nebenfiguren. Ben Chaplin („The New World") als nutzloser Tagedieb Billy spielt mit Esprit, ebenso wie Eddie Marsan („Sherlock Holmes"), der als korrupter Bulle Bailey leider viel zu kurz kommt. Ray Winstone derweil wirkt, als wäre ihm die Rolle des Fieslings in Fleisch und Blut übergegangen. Die mit Abstand interessanteste Rolle füllt indes David Thewlis („Sieben Jahre in Tibet") voll aus. Der geheimnisvolle Ex-Junkie Jordan, Charlottes Manager und Mädchen für Alles würzt den Film, seine Exzentrik konterkariert die bisweilen träge Melodramatik der Liebesgeschichte und der depressiven Stimmung der Gangster-Geschichte.

    In Anbetracht früherer Drehbuch-Verdienste von Regisseur Monahan wirkt es wie ein schlechter Scherz, dass „London Boulevard" ausgerechnet am Skript krankt. Viel zu sehr verlässt sich der Dialogautor darauf, mit aufgelegtem Londoner Akzent Lokalkolorit zu versprühen. Dass dabei die eigentlichen Zeilen oft nur mäßig clever ausfallen, wird aufgrund guter Schauspielerleistungen zumindest phasenweise kompensiert. Colin Farrell („Miami Vice") in der Hauptrolle hält das Gebilde zusammen. Dennoch strahlt er hier nicht den lakonischen Schwermut aus, der den Iren in „Brügge sehen... und sterben?" so unwiderstehlich machte.

    Keira Knightley („Stolz und Vorurteil") ihrerseits bleibt überraschend blass und fällt eigentlich nur dadurch auf, dass ihr Magerwahn inzwischen Ausmaße angenommen hat, die um die Gesundheit der Schauspielerin fürchten lassen. Knightleys Rolle ist fachgerecht als Motivation für Farrells Figur angelegt, für das eigentliche Drama bietet sie lediglich Staffage. Die Romanze auf Bestellung kommt zwar alles andere als überraschend, wirkt aber zu keinem Zeitpunkt glaubhaft. Dass die gebürtige Londonerin als Hauptdarstellerin an der Seite Farrells gelistet wird, dürfte wohl der Anziehungskraft der Marke Knightley geschuldet sein.

    Warum William Monahan ausgerechnet „London Boulevard" gewählt hat, um sein Regie-Debüt zu geben, wird schnell klar: Der Streifen wirkt wie der hippe britische Halbbruder von Scorseses „Departed - Unter Feinden" - das blutig-nihilistische Finale mit eingeschlossen, welches hier trotz Pop-Musikuntermalung keineswegs ironisch gebrochen wird. Monahan wählt den direkten Weg, die Konfrontation, sowohl als Regisseur als auch als Autor in Personalunion. Ein Vorspann im Stile der 60er Jahre, unterlegt mit dem Yardbirds-Klassiker „Heart Full of Soul" legt zugleich den Ton fest, den „London Boulevard" über die folgenden 103 Minuten beibehält. Lakonisch und slick, bietet diese stilistische Reminiszenz den Film gleichzeitig als Abgesang auf den Mythos vom untergegangen Berufsethos britischer Gangster an. Wenig überraschend, dafür unterhaltsam inszeniert, landet „London Boulevard" knapp über dem Genre-Durchschnitt.

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