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    Der Mann, der die Sterne macht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Der Mann, der die Sterne macht
    Von Andreas R. Becker

    Bella Italia! Manche Zutaten sind so schmackhaft, dass Regisseure sie gern in einem leicht abgewandelten Rezept noch einmal neu arrangieren. Die malerische Kulisse eines spätnachmittäglich sonnendurchfluteten Italiens ist dabei sicher nicht die schlechteste Grundsubstanz. Das weiß Giuseppe Tornatore als gebürtiger Sizilianer natürlich besser als jeder Italienreisender. Wie später auch in dem von einer atemberaubenden Monica Bellucci angereicherten „Der Zauber von Malèna“, hat er sie deshalb bereits in seinem 1995 produzierten Drama „Der Mann, der die Sterne macht“ bemüht.

    Darin gibt „Dottore“ Joe Morelli (Sergio Castellitto, Bella Martha) vor, dieser Mann zu sein. Der Wahrheit entspricht viel mehr, dass er ein ausgebuffter Betrüger ist, der nach dem zweiten Weltkrieg, als Agent einer Produktionsfirma getarnt, mit einem filmplakatgezierten Lieferwagen durch sizilianische Dörfer vagabundiert. Dort zieht er der verarmten Bevölkerung die letzten Lire und ihren Selbstwert aus der Tasche, um ihnen damit falsche Probeaufnahmen und die Hoffnung auf Ruhm und Ehre zu verkaufen. Irgendwann läuft ihm dabei die attraktiv-interessante Beata (Tiziana Lodato, Solino) über den Weg. Heraus kommt ein ruhiger, zum Teil erwärmender Film, der in unzähligen durchkomponierten Totalen schwelgt, letztlich aber nicht mit genügend Stoff unterfüttert ist, um an eine Malèna oder das oscarprämierte Frühwerk Tornatores, „Cinema Paradiso“ (Bester fremdsprachiger Film 1989), heranreichen zu können.

    Denn zumindest an der Besetzung vor und hinter der Kamera kann es eigentlich nicht gelegen haben. Wie auch bei acht von elf anderen Tornatorefilmen, stammt die Musik aus der Feder von Ennio Morricone, der mit dem Lied vom Tod der Mundharmonika einen ewigen Platz nicht nur in cinephilen Köpfen verschafft hat, und auch die Sizilienimpressionen angenehm unaufdringlich unterlegt. Mit präziser Leichtigkeit wurden Land und Menschen vom mehrfach preisgekrönten Dante Spinotti in poetische Bilder verwandelt, sein Talent an der Kamera sollte er später noch an der Seite von Michael Mann bei Heat, oder auch in L.A. Confidential und diversen anderen Produktionen weiter unter Beweis stellen.

    Zwar fordert die Figur des „Dottore“ Joe Morelli durch ihren nicht allzu großen Tiefgang keine schauspielerischen Höchstleistungen, aber auch Joe ist unter seiner oberflächlich-zynischen Art irgendwie doch noch ein Stück menschliche Wärme erhalten geblieben. Und das merkt man Sergio Castellittos Verkörperung auch durchaus an. Erscheint er zunächst ausschließlich als gefühlskalter Abzocker, bei dem jede freundliche Regung purer Berechnung entstammt, so gibt es doch Momente, in denen selbst ihm angesichts der extremen Armut und hoffnungsvollen Opferbereitschaft seines nächsten Klienten die Skrupel ins Gesicht steigen. Das ändert jedoch im Wesentlichen nichts an seiner Amoralität. So schafft es der Dottore auch nicht, sich als liebenswürdig krimineller Sympathieträger ins Herz des Zuschauers zu schummeln. Vielmehr bewundert man, mit welcher Konsequenz und Dreistigkeit, mit welch professionellem technischem und rhetorischem Blendwerk er seine Show abzieht. Selbst angesichts der Gewehrläufe einiger uncharmant dreinschauender Banditen kann er die Fassung zurückgewinnen und auf dem schmalen Grat zwischen Mut und Leichtsinn seinen Betrügerhintern retten, indem er den Bewaffneten ebenfalls die große Karriere verspricht und sich davonstiehlt.

    Die Sympathieträger finden sich eher in den vielen kleinen Nebenrollen wieder, die selten mehr als Statisten sind. Sie gehen Morelli auf den Leim, geben sich und ihr Innerstes dem ratternden schwarzen Kasten, und manchmal auch der Lächerlichkeit, bereitwillig preis. Dabei kommt die sizilianische Dorfbevölkerung meist nicht besser weg als genau die naiven Trottel, für die der große Redner sie im Stillen und Lauten hält. Alles sind sie bereit zu geben, um dem offensichtlich unerträglichen Leben des Nachkriegssiziliens zu entrinnen, welches dem Zuschauer doch als so wunderschön und romantisch feilgeboten wird. War die Verzweiflung wirklich so groß? Besonders die Frauen scheinen dabei der Vorstellung des italienischen Klischeemannes entsprungen zu sein, gebärden sie sich doch allesamt als Huren: Wenn das Geld nicht reicht, wird eben kurzerhand der eigene Körper, oder sogar gleich der der Tochter als Bezahlung hingegeben, damit sie es ja nur besser habe. So auch die im Kloster lebende Waise Beata. Sie weiß nicht so genau, wie alt sie eigentlich ist, fünfzehn oder achtzehn vielleicht, wohl aber weiß sie, dass sie weg will. So benutzt sie ihren jungen, gut gebauten Körper und ihre endlosen schwarzen Haare als Schauobjekt, um den geifernden alten Säcken des Dorfes ein paar Lire zu entlocken. Natürlich verspricht auch sie sich die große Karriere als Star in der Hauptstadt und wirft sich dem Traumverkäufer an den sprichwörtlichen Hals. Zwar wird er sie wieder los, allerdings führt die Ironie des Schicksals die beiden in nicht allzu ferner Zukunft wieder zusammen und Joes Leben nimmt eine unerwartete Wendung.

    Trotz allen Lugs und Trugs hat das egoistische Tun des Dottore doch hier und da ganz ungewollte altruistische Konsequenzen. Denn unabhängig davon, ob man die Art und Weise, in der Tornatore die sizilianische Nachkriegsbevölkerung als naiv-trotteliges Dorfvolk präsentiert, nun als sozialkritisch oder realistisch verstehen will, gibt der Fremde manchen den entscheidenden Impuls, ihre innersten Wünsche endlich umzusetzen, wegzugehen, etwas zu ändern. Leider genügen diese Momente und die nostalgische, zum Teil märchenhafte Atmosphäre, die den Film durchzieht und die vor allem von den urlaubshungrig machenden, detailgespickten Bildern geprägt wird, nicht alleine, um die 110 Minuten zu stemmen. Die Handlung plätschert so dahin, und obwohl garniert mit einigen kleineren humorvollen Einlagen sind drei Viertel des Films vorbei, ohne dass man sich irgendwo hingeführt gefühlt hätte. Dann geht alles relativ plötzlich. Und wie auch bei „Der Zauber von Malèna“ wandelt sich der Film von einer melancholisch-schönen Grundstimmung über eine harte, von Selbstjustiz geprägte Szene hin zu einem Offenbarungs-Ende, das zu wenig vorbereitet wurde, um glaubwürdig daherzukommen. Was bleibt, ist ein narrativ unspektakuläres, aber optisch perfekt ausgefeiltes Sizilienbilderbuch, das einen mit gemischten Gefühlen zurücklässt.

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