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    Iron Man 3
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Iron Man 3
    Von Björn Becher

    Bei Filmreihen gilt – insbesondere wenn es um Superhelden geht - das ungeschriebene Gesetz, dass jede Fortsetzung größer und spektakulärer sein muss als der Vorgänger. So wurden etwa in „Iron Man 2“ nicht nur mehr Actionszenen aufgefahren als in „Iron Man“, in dem es noch in erster Linie um die Figuren ging, sondern es wurde dabei auch deutlich größerer Aufwand betrieben. Doch an dieser Schraube lässt sich nicht ewig weiter drehen, erst recht nicht nach „The Avengers“, wo gleich mehrere Superhelden aufeinandertrafen und außerirdische Invasoren halb Manhattan in Schutt und Asche legten. Glücklicherweise wird im ersten Solo-Abenteuer nach diesem Gipfeltreffen der Marvel-Helden gar nicht versucht, das noch einmal zu übertreffen. Ex-Drehbuch-Shootingstar Shane Black („Lethal Weapon“-Reihe, „The Last Boy Scout“), der als neuer Mann auf dem Regiestuhl Platz nimmt, und sein Co-Autor Drew Pearce („Pacific Rim“) konzentrieren sich bei „Iron Man 3“ wieder auf das zentrale Element: den Helden. Wirkte der Vorgänger mit seinem riesigen Figuren-Arsenal und den Action-Exzessen bisweilen etwas überladen, besinnt sich Black nicht nur thematisch auf den herausragenden ersten Film - das heißt aber keineswegs, dass er es nicht auch ordentlich krachen lässt. Und vor allem setzt der Regisseur dazu noch ganz eigene Akzente, indem er seine Superheldengeschichte in eine 80er-Jahre-Action-Thriller-Komödie kleidet.

    Milliardär, Lebemann und Superheld Tony Stark (Robert Downey Jr.) hat sich in den vergangenen Monaten immer mehr in sein Luxusdomizil über der Küste Miamis zurückgezogen. Nach den Ereignissen in „The Avengers“ kann er kaum schlafen. Er hatte sich immer für den Größten gehalten, nun empfindet er sich nur noch als „Typ in einer Blechdose“, der neben Göttern und Außerirdischen nichts Besonderes mehr ist. Als der Terrorist Mandarin (Ben Kingsley) immer neue Anschläge in den USA verübt, interessiert das den depressiven Stark kaum. Schließlich ist der alltägliche Kampf gegen Terrorgruppen keine Aufgabe für Superhelden, sondern eine für Soldaten wie Lt. James „Rhodey“ Rhodes (Don Cheadle) - Starks Kumpel verfügt ebenfalls über einen Kampfanzug mit der neuesten Technik und nennt sich inzwischen „Iron Patriot“. Doch dann trifft ein Terrorakt des Mandarins eine Tony Stark nahestehende Person: Übers Fernsehen erklärt der von Rache getriebene Milliardär dem Terrorfürsten den Krieg, was er fast mit dem Leben bezahlt: Bei einem Luftangriff wird sein Domizil inklusive der meisten Iron-Man-Anzüge zerstört. Verwundet, von der Welt für tot gehalten und nur mit einem einzigen kaum funktionierenden Iron-Man-Prototyp ausgestattet strandet Stark in einer Kleinstadt in Tennessee. Dort wird er bald von bösen Supersoldaten (James Badge Dale, Stephanie Szostak) mit übermenschlichen Kräften aufgespürt. Nun muss Tony Stark beweisen, dass er nicht erst durch den Anzug zum „Iron Man“ wird, sondern auch so das Zeug zum Helden hat.

    Nach der Zusammenkunft von Iron Man, Thor, Captain America und Co. in „The Avengers“ war die große Frage der Fans: Wie kann es nun für die einzelnen Helden alleine weitergehen? Wie kann noch erklärt werden, dass nicht jedes Mal die ganze Gruppe zusammenkommt, wenn es brenzlig wird? Regisseur Shane Black und Autor Drew Pearce finden im ersten Marvel-Superhelden-Solo nach „The Avengers“ eine hervorragende Lösung: Sie halten sich nicht mit fadenscheinigen Erklärungen auf, sondern etablieren einfach ein glaubwürdiges, ganz auf den Protagonisten persönlich zugeschnittenes Szenario: Ein Egomane wie Stark ist nun einmal beseelt davon, die Sache alleine zu regeln, erst recht, wenn er im Innersten getroffen wird und es um intime Gelüste wie Rache, Neid und Eifersucht geht. Mit der Konzentration auf die Figur Tony Stark geht Black zurück zu den Wurzeln  und findet zur Klasse des ersten Films zurück, gleichzeitig knüpft er aber auch direkt an den zweiten Teil an: Wenn S.H.I.E.L.D.-Boss Nick Fury am Ende von „Iron Man 2“ davon spricht, dass er Iron Man gerne in die „Avengers“-Initiative aufnehme, Tony Stark aber nicht, unterscheidet er zwischen dem Anzug und dem Menschen, der ihn trägt – genau diese Trennung wird in „Iron Man 3“ zum entscheidenden Thema, an das die Frage anschließt, was einen Helden in seinem Wesen ausmacht.

    War „Iron Man 2“ ein Film über Iron Man, ist „Iron Man 3“ nun ein Film über Tony Stark. Dies wird schon von der ersten Sekunde an unterstrichen, klärt doch Stark selbst das Publikum als Off-Erzähler über seinen Gemütszustand auf. Mit gewohnt lakonischem Unterton redet er sich seine Probleme von der Seele, damit wird die Filmhandlung zu seiner ganz persönlichen Geschichte. Diese Perspektive wird bis zur für Marvel-Filme inzwischen obligatorischen allerletzten Szene nach dem Abspann beibehalten. Das gestörte Verhältnis von Stark zu seinem Helden-Alter-Ego wird früh deutlich: Da benutzt er den ferngesteuerten Iron-Man-Anzug, um mit seiner Freundin Pepper Potts (Gwyneth Paltrow) zu schäkern, während er selbst weiter in seinem Labor tüftelt. In einer weiteren Szene bedroht Iron Man selbständig die im Bett liegende Pepper, weil die Anzugautomatik den daneben liegenden Tony in Gefahr wähnt: Die einstige Heldeneinheit aus der Iron-Man-Montur und ihrem Schöpfer gibt es nicht mehr. Tony Stark ist in der Krise und wird von Minderwertigkeitskomplexen gegenüber den anderen Avengers mit ihren göttlichen und übernatürlichen Superkräften geplagt. Er muss erst erkennen, dass er mit seinen überragenden intellektuellen Fähigkeiten (durch die ja auch Iron Man überhaupt erst möglich wurde) auch als „ganz normaler“ Mensch ein Held sein kann. Auf dem Weg zu dieser Einsicht muss er dann auch zahlreiche Actionszenen ohne Anzug bestehen und wenn er mit selbstgebastelten Low-Tech-Gadgets oder nur mit einer Pistole bewaffnet den Kampf mit den Bösewichten aufnimmt, ist „Iron Man 3“ näher an einem klassischen Action-Thriller als an einem Superheldenfilm.

    Wer bei Marvel auf die Idee kam, Shane Black und Drew Pearce für „Iron Man 3“ anzuheuern, darf sich selbst auf die Schulter klopfen, denn die Wahl erweist sich als absoluter Glücksgriff – und das ist keineswegs selbstverständlich. Auf der einen Seite steht mit Black schließlich ein Mann, der vor rund 20 Jahren zwar der angesagteste junge Autor Hollywoods war, der dann aber nach einer Schreibblockade für über ein Jahrzehnt von der Bildfläche verschwand, ehe er mit „Kiss Kiss Bang Bang“ seine auch schon wieder acht Jahre zurückliegende einzige Regie-Arbeit realisierte. Dazu kommt mit dem Briten Pearce ein Co-Autor, der vor diesem Projekt nur über ein wenig TV-Erfahrung verfügte. Außerdem waren beide nach eigener Aussage zu Beginn wenig begeistert von der Idee, mit einem Partner zu arbeiten. Doch dann harmonierten sie prächtig miteinander und das ist dem Film anzusehen: „Iron Man 3“ steckt voller erstklassiger Ideen und Überraschungen, von denen man vor dem Kinobesuch möglichst wenig wissen sollte, um das Filmerlebnis voll genießen zu können. Wie Black und Pearce die von Marvels Marketingmaschinerie aufgebauten Erwartungen aufgreifen und mit ihnen spielen, wie sie bekannte Elemente aus den verschiedenen Comic-Vorlagen variieren, zerlegen und neu kombinieren, das ist extrem unterhaltsam und sehr clever. Wenn sie gleichsam nebenbei auch noch Denkanstöße zu so schwierigen Themen wie den Umgang mit terroristischer Bedrohung und zur Rolle der Medien geben, worüber hier in Einzelmomenten sogar ähnliches erzählt wird wie etwa in „Zero Dark Thirty“, dann machen sie „Iron Man 3“ endgültig zu intelligentem Blockbuster-Kino in Reinkultur.

    Trotz des Helden in der Krise ist „Iron Man 3“ kein düsteres Comic-Drama in der Art von Christopher Nolans „Dark Knight“-Trilogie. Shane Black und Drew Pearce haben schon in früheren Arbeiten stark auf Humor gesetzt und das tun sie auch hier: Das beginnt mit der absurd überzeichneten Eröffnungsszene, in der Robert Downey Jr. zu den Klängen der Italo-Dance-Peinlichkeit „Blue (Da Ba Dee)“ Silvester 1999 in der Schweiz feiert und Jon Favreau als sein übergewichtiger Bodyguard Happy Hogan eine Tolle zur Schau trägt, deren Anblick schlicht zum Schießen ist. Shane Black gilt als einer der Pioniere der augenzwinkernden Anspielungen auf popkulturelle Phänomene und verweist hier immer wieder auf die 80er und 90er, in denen er selbst seine größte Zeit hatte. Das geht von der Musikauswahl (unter anderen ist Lou Begas Hit „Mambo No. 5“ zu hören) bis zur Inszenierung. Wenn sich etwa die scheinbar unzerstörbaren Supersoldaten aus einem Flammenmeer erheben, dann ist das eine schöne Hommage an James Camerons „Terminator“-Filme. In der  Figurenzeichnung, beim Zusammenspiel von Robert Downey Jr. und Don Cheadle und in den humorvollen Dialogen wiederum nimmt „Lethal Weapon“-Erfinder Black gelegentlich wundervolle Anleihen an jene Blütezeit der Action-Buddy-Komödie, die er einst selbst mitgeprägt hat – auch auf die Gefahr hin, dass dies für Teile des jüngeren Publikums befremdlich wirken mag. Die Krone setzt er dem mit dem eigenwillig-coolen Abspann auf, der an die Titelsequenzen von TV-Serien aus den 80ern wie „Ein Colt für alle Fälle“ oder „Das A-Team“ erinnert. Der aus Großbritannien stammende Co-Autors Drew Pearce dürfte daneben dafür verantwortlich sein, dass auch das Serienjuwel „Downton Abbey“ und der Fußballclub FC Liverpool in humorigen Szenen eine kleine Rolle spielen.

    Genauso wie neben der klassischen Action auch das Superhelden-Spezialeffekte-Spektakel mit den Anzug-Wunderwerken aus dem High-Tech-Labor nicht zu kurz kommt, können sich auch die Nebenfiguren durchaus profilieren, obwohl „Iron Man 3“ ganz klar auf Tony Stark fokussiert ist. Hauptdarsteller Robert Downey Jr. brilliert mit charmanter Egozentrik und mit ironischem Witz, an seiner Seite glänzen aber auch Jon Favreau als zum Sicherheitschef beförderter Ex-Chauffeur Happy Hogan, dem die ersten 20 Minuten gehören, und Gwyneth Paltrow als Pepper Potts, die endlich auch Action-Szenen bekommt. Das Schurkenduo Ben Kingsley („Gandhi“) und Guy Pearce („Memento“) wiederum überrascht vor allem mit ungewöhnlichen Wandlungen. Während Pearces Dr. Aldrich Killian sich vom Ober-Nerd zum schleimigen, skrupellosen Unternehmer entwickelt, geht Kingsley einen ganz anderen Weg. Die Befürchtungen, dass der britische Oscar-Preisträger nicht die richtige Besetzung für den in den Comic-Vorlagen aus China stammenden Mandarin sei, sind schnell zerstreut, wird die Rolle hier doch auf eine ganz eigene Art interpretiert. Ein gutes Händchen hatten die Macher auch mit dem Einbau von Tonys Kurzzeit-Sidekick Harley (Ty Simpkins). Wer bei der in der Vorweihnachtszeit angesiedelten Begegnung zwischen Held und achtjährigem, von seinem Vater verlassenen Nachwuchstüftler Disney-Kitsch befürchtet, kann beruhigt werden. Das Zusammenspiel ist unglaublich charmant und amüsant. Ein Highlight ist schließlich die Abschiedsszene zwischen ihnen, bei der Black nicht nur ganz ohne Sentimentalität auskommt, sondern ähnliche Szenen sogar aufs Korn nimmt:  Schließlich ist Tony Stark trotz aller Läuterung immer noch ein Egomane.

    Fazit: Mit dem extrem unterhaltsamen Sequel „Iron Man 3“ zeigt Marvel, dass „The Avengers“ noch nicht das Ende der Superhelden-Fahnenstange war. Der Comicriese setzte auf Abwechslung und verpflichtete mit Shane Black eine starke Autorenpersönlichkeit: So wurde aus „Iron Man 3“ trotz aller Kontinuität weniger der dritte (oder vierte) Teil einer Blockbuster-Reihe als vielmehr eine spaßige Action-Komödie im Stil der 80er.

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