Steven Soderbergh hat schon viele Filme zu diversen Genres abgeliefert, mit unterschiedlichem Erfolg. Einige mit George Clooney, z.B. „Solaris“ und die Ocean’s-Reihe, „Erin Brokovich“ mit Julia Roberts ist auch darunter. Als letzter starker Film ist erst vor wenigen Monaten der Psycho-Thriller „Side Effects“ mit Jude Law und Rooney Mara in den Hauptrollen gelaufen. Michael Douglas („Traffic – Die Macht des Kartells“) und Matt Damon („Der Informant“) wurden bereits in früheren Werken engagiert und spielen nun zusammen in dem biografischen Drama „Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll“, welches nach dem Buch von Scott Thorson für das US-amerikanische Fernsehen produziert wurde.
Liberace (Liberatschi gesprochen, gespielt von Michael Douglas) ist ein Entertainer mit italienischen und polnischen Wurzeln, der mit seiner Kunst als Pianist reich wurde und den Glamour liebte. Der Film erzählt den Zeitraum seiner letzten zehn Lebensjahre ab 1977, insbesondere die Beziehung zwischen ihm und Scott Thorson (Matt Damon).
Michael Douglas und Matt Damon als homosexuelles Liebespaar, das muss man gesehen haben. Mit dieser Vorstellung kann man zunächst ins Kino gehen. Ach ja, Kino. Die Wege der Produzenten und Vertreiber sind unergründlich. Der Film (Originaltitel „Behind the Candelabra“) über den unvergleichlichen Showpianisten, der Glitzeranzüge und den Kerzenständer auf dem Flügel zu seinen Markenzeichen machte, wurde von dem Bezahlsender HBO produziert und lief kurz nach der mit Begeisterung aufgenommenen Uraufführung in Cannes im US-amerikanischen TV. Andere biografische US-Filme wurden für das Kino produziert und landeten in deutschen DVD-Regalen wie z.B. „The Iceman“ von Ariel Vromen über das Schaffen des Auftragskillers Richard Kuklinski, dessen Lieblingsmusiker laut der von Philip Carlo geschriebenen Biografie Liberace war.
Über die ersten Szenen und auch mal zwischendurch mag man schmunzeln über das Getue des Musikers und der Personen seines Umfeldes. Aber das Werk Soderberghs ist ein 115 Minuten langes, ernstes Biopic-Drama mit Tiefgang und hervorragenden schauspielerischen Leistungen.
Im Kinopublikum tummeln sich überwiegend ältere Leute, die „Glitterman“ Liberace miterlebt, seine Musik gemocht haben und vielleicht mehr erfahren wollen. Dieser verkaufte sich seinen Fans als Hetero, der noch nicht die Richtige gefunden hat. Oscar-Preisträger Michael Douglas spielt mit Erfahrung und Talent einen charakterlich gefestigten „Lee“, der mit viel Liebe und Dominanz seine Luxuswelt regiert. Die Aussage ist auch, dass Reichtum einsam macht, und wer das Geld hat, kann bestimmen. Das wirkt in keiner Szene aufgesetzt, albern oder künstlich, aber so herrlich spöttisch, wenn z.B. der von Rob Lowe gespielte Schönheitschirurg Dr. Startz zu Werke geht, um aller Eitelkeiten zu genügen. Die Glaubwürdigkeit an der Darstellung des Liberace gewinnt besonderes Gewicht beim Betrachter, wenn Matt Damon als der erheblich jüngere Scott Thorson als Pendant des Superstars mehr und mehr in den Mittelpunkt der Geschichte gerückt wird. Wer Matt Damon zuvor in „Departed – Unter Feinden“ oder „True Grit“ und eben noch als Max DeCosta in „Elysium“ gesehen hat, wird spätestens für die Rolle des jungen Homosexuellen vom Lande anerkennen müssen, dass Damon einer der Besten ist. Scott Thorson ist arm und verführbar. Er genießt das Leben mit Liberace und kommt mit sich selbst nicht zurecht, weil er seinen eigenen Willen und sein Gesicht weggeben musste. Dieser Zustand lässt sich mit Medikamenten und Drogen bekämpfen. Es kommt zu Eifersucht, Ernüchterung, gefolgt von Tobsuchtsanfällen. Da muss ein Matt Damon unter der Maßgabe von Soderbergh alle Register ziehen. Und das schafft er bravurös. Damon‘s Scott Thornton erinnert an die pseudofiktive Figur Eddie Adams (Mark Wahlberg), der in „Boogie Nights“ von Paul Thomas Anderson unter die Räder der Pornoindustrie gerät. Und er erinnert an die vielen, die sich in einen Strudel gewisser Abhängigkeiten begeben. Andere Figuren in der Liberace-Bio halten in der Inszenierung Soderberghs Abstand zum Superstar (z.B. Dan Aykroyd als Manager Seymour), sodass das Paar immer im Fokus bleibt. Warum aus Liebe Krankheit und zerstörerischer Streit wird, mag ein bisschen nuancenfrei inszeniert sein, denn die zehn Jahre müssen in die knappen zwei Stunden passen, aber das stört in keiner Weise den Rhythmus des Films, der zum Ende verrät, dass Thornton nicht einfach nur ins Beuteschema von Liberace passte.
Ein Glitzerwerk, das zynisch mit Protz und Dekadenz umgeht, über weite Strecken intensive Beziehungstiefgründe freilegt, aber nie zur Karikatur oder Schwulenverarsche neigt.