Jugendgewalt, Selbstjustiz und Waffenbesitz - das sind so die drei großen Themen, die "Harry Brown" anspricht, und das auf eine herausfordernde Weise. Sicherlich kann man nun, wie die Redaktion, die Message des Films beklagen oder die bescheuert-markigen Werbesprüche kritiseren, wie manche Userkritiken das hier tun. Doch den Film dafür dann mit 3 von 5 abzuwatschen, halte ich doch für falsch bzw. genau das, was manche von uns auch in dem Special neulich zu den umstrittensten Filmstarts-Kritiken diskutiert haben: Moral in der Kritik. Es mag ja sein, dass die moralische Thematik von "Harry Brown" einseitig oder harter Tobak ist. Aber erst einmal: Hält das davon ab den Film nicht allein für seine ganzen Stärken über den Durchschnitt zu haben? Wir haben ein genial eingefangenes London, das locker mit den Bildern aus "Fish Tank" oder den "Streets of London"-Bildern aufnehmen kann, welche die Tristesse wunderbar einfangen. Ebenso gibt es auch ästhethisierte Szenen, die aus einem Kunstfilm hätten stammen können, sowie gutes Spiel mit Licht, Schatten und Grau. Dazu schließlich: Michael Caine, der endlich mal wieder eine Hauptrolle spielt und das verdammt gut macht. Im Vergleich zu "Gran Torino" spielt er Clint Eastwood meiner Meinung nach locker gegen die Wand. -
Aber was ist nun das Prekäre an "Harry Brown"? Klar, es wird schwarz-weiß gezeichnet und das nicht zu knapp, heißt es. Jedoch finde ich a) das dies nicht einmal so zutrifft und b) es zur Haltung der Charaktere passt. Wenn bspw. der arrogante Superintendant seine 13 Haftbefehle ausüben will und eine "Keine Toleranz"-Politik propagiert, ist das hart, aber er versucht die strukturellen Probleme zu lösen. Mit Harry wiederum sollen wir unsere Verbindung machen und Empathie gewinnen - aber trotzdem erkennen wir ja, dass die Jugendlichen letztlich auch von Erwachsenen angeleitet werden! Man sollte das alles gut bedenken, bevor man den Film vorschnell abtut. Ich habe einfach ein Problem damit moralische Wertvorstellungen zu heftig in eine Wertung einfließen zu lassen. -
Ein paar kleinere Schwächen trüben das Filmvergnügen aber auch: So gibt es manche voraussehbare Wendung, manche eigenartige Charakterzeichnung bei den Nebenfiguren, und ein bisschen unausgegorenes Verhältnis zwischen Haupt- und Nebenplot. -
Fazit: "Harry Brown" ist ein ziemlich interessanter Selbstjustizthriller, der durchaus mit "Gran Torino" zu vergleichen ist und sich auch mehr als dieser Film traut. Natürlich birgt der Film moralische Zweifelhaftigkeiten. Man sollte den Zuschauern aber selbst zutrauen das zu bewerten und es nicht als Hauptgrund nehmen den Film zu unrecht ins Mittelfeld zu schieben, wo er überhaupt nicht hingehört. Eine der besten Leistungen von Michael Caine übrigens noch dazu!