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    Männerherzen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Männerherzen
    Von Christoph Petersen

    Es gibt in der gesamten Menschheitsgeschichte keinen Zeitpunkt, zu dem das eine Geschlecht das andere wirklich durchschaut hätte. Nur schien das über die Jahrhunderte nie jemanden ernsthaft zu stören. Erst in der vergangenen Dekade kamen zunehmend Ratgeber in Mode, die sich nicht weniger auf die Fahne schrieben, als die seit Anbeginn vorhandenen Verständnisprobleme zwischen Mann und Frau aus dem Weg zu räumen. Zwei dieser Publikationen wurden sogar für die Leinwand umgesetzt. Doch weder Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken noch Er steht einfach nicht auf Dich haben Licht ins allgemeine Beziehungstohuwabohu gebracht. Mit der stargespickten Komödie „Männerherzen“ geht Regisseur Simon Verhoeven („100 Pro“) nun einen Schritt zurück. Statt das Wirrwarr der Geschlechter zu entschlüsseln, begnügt er sich damit, zunächst einmal der Spezies „Mann“ auf die Schliche kommen zu wollen. Die Einblicke in die männliche Seelenwelt sind dann zwar größtenteils nicht neu – aber dank der hervorragend aufgelegten Darsteller hält sich die Trauer über den ausbleibenden Aha-Effekt doch arg in Grenzen.

    Das Sportstudio „Fitnessworld“ in Berlin, ein Hort wahrer Männlichkeit: Philip (Maxim Mehmet, Fleisch ist mein Gemüse) ist ein sympathischer Träumer, der plötzlich seinen Arsch hochkriegen muss, als seine Freundin Nina (Jana Pallaske, Phantomschmerz) ihm ihre Schwangerschaft eröffnet. Philips erfolgreicher Freund Niklas (Florian David Fitz, 3 Grad kälter) hat sein weiteres Leben bereits komplett durchgeplant - seinen Job bei einer Werbeagentur, seine anstehende Hochzeit mit Laura (Liane Forestieri, Schwere Jungs) und den Kauf eines schicken Eigenheims. Musikproduzent Jerome (Til Schweiger) legt zwar privat jede Frau flach, die nicht bei drei auf den Bäumen ist, aber beruflich muss er aktuell zurückstecken. Statt seines bevorzugten Elektrosounds soll er den philanthropischen Schlagersänger Bruce (Justus von Dohnányi, Das Experiment) produzieren. Seit einem tragischen Unfall hat U-Bahn-Führer Roland (Wotan Wilke Möhring) sein Temperament nicht mehr unter Kontrolle. Seine Frau Susanne (Nadja Uhl, Lautlos) hat ihn wegen seiner cholerischen Ausraster bereits verlassen. Der Beamte Günther (Christian Ulmen, Der Fischer und seine Frau) ist ein ganz armes Würstchen. Erst als er Tierfutterfachverkäuferin Susanne kennenlernt, eröffnet sich ihm zum ersten Mal seit Langem ein kleiner Hoffnungsschimmer…

    Jeder Ensemblefilm hat mit demselben Problem zu kämpfen. Weil aufgrund der schieren Anzahl an Figuren jede einzelne nur bis zu einem gewissen Grad ausgearbeitet sein kann, müssen solche Filme dieses Weniger durch ein Mehr an anderer Stelle kompensieren. Paul Thomas Anderson ist dies in seinem Meisterwerk Magnolia etwa dadurch gelungen, dass es zu jedem Charakter ein korrespondierendes Gegenstück gibt, wobei die Duos nun mehr aussagen, als es eine Figur allein je könnte. Bei „Männerherzen“ fehlen solche Querverweise. Wie es bei richtigen Männern nun einmal üblich ist, kommt jeder mehr oder weniger für sich selber klar, weshalb es zwischen den einzelnen Episoden zwar inhaltliche, aber kaum darüber hinausgehende Berührungspunkte gibt. Doch das hindert den Film keinesfalls daran, als kurzweilige Kinounterhaltung zu funktionieren. Es gibt genügend Szenen, die einfach eine Menge Spaß machen - und im besten Fall bei Frauen sogar ein wenig Verständnis für ihre in Wahrheit gar nicht so bärenstarken, doch sehr verletzlichen Männer provozieren.

    Typisches Wohlfühlkino also? Nicht ganz. Denn da gibt es ja auch noch den Charakter von Wotan Wilke Möhring (In jeder Sekunde, Hardcover). Seit Roland mit seiner U-Bahn ein Kind totfuhr, hat er jeden Halt verloren und schlägt seine Frau. Als auch noch sein dementer Vater stirbt, wirft er aus Wut sogar einen Konkurrenten – im wahrsten Sinne des Wortes – den Krokodilen zum Fraß vor. Die Einordnung dieser geradezu fatalistischen Abwärtsspirale ist ein Dilemma, auch für den Kritiker. Auf der einen Seite möchte man den Produzenten gratulieren, dass sie den keinesfalls selbstverständlichen Mut aufgebracht haben, diese für eine Komödie doch ungewohnt extreme Figur im Film zu belassen. Auf der anderen haut das Nebeneinander von Tragik und Komik aber einfach nicht richtig hin. Die Szenen mit Möhring sind zu intensiv, um sich im nächsten Moment schon wieder dem lockeren Unterhaltungston der übrigen Episoden hinzugeben.

    Als besonderer Liebling des Publikums erweist sich in diesem Fall mal nicht Til Schweiger (Keinohrhasen, Inglourious Basterds), sondern Charakterkopf Justus von Dohnányi (Das Experiment, Bis zum Ellenbogen). Als Schlagerbarde, der mit seinen hinreißend bescheuerten Wir-haben-uns-alle-ganz-doll-lieb-Songs die ganz Welt im Alleingang retten und umarmen will, sammelt er mit Abstand die meisten Lacher. Dabei ist es besonders erfreulich, dass Simon Verhoeven nicht den einfachen Weg geht und Bruce als geldgeiles Arschloch entlarvt. Stattdessen meint Bruce seine über die Maßen naiven Umweltschutz-Slogans tatsächlich ernst. Er ist ein harmloser, ehrlicher Kerl – und steht dem sonst gerne verwendeten Klischee der verlogenen Schlagerszene damit fundamental entgegen.

    Fazit: Da steh‘ ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor – die Gattung „Mann“ bleibt auch nach „Männerherzen“ ein nicht zu entschlüsselndes Mysterium. Aber das ist kein Grund, auf einen Kinobesuch zu verzichten. Immerhin bietet die zweite Regiearbeit von Simon Verhoeven gute Unterhaltung und einen spielfreudigen Cast, der über einige tonale Störfeuer hinwegtröstet.

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