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    Bathory - Die Blutgräfin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Bathory - Die Blutgräfin
    Von Nicole Kühn

    Zu vielgestaltigen Protagonistinnen schauriger Horrormärchen mit diffusem historischem Hintergrund hat sie schon inspiriert. Die Sprache ist von der Gräfin Erzsébet Báthory, die in den Wirren der Türkenkriege in Ungarn zu trauriger Berühmtheit gelangte und heutzutage vom Guinnessbuch der Rekorde als Massenmörderin Nummer eins geführt wird. Schicht um Schicht legt Juraj Jakubisko in seinem opulenten Drama „Báthory“ hinter den wenigen historisch verbrieften Fakten eine denkbare andere Biographie der Blutgräfin frei. Dabei führt der Regisseur sein Publikum in eine beängstigende Welt, in der Wahn und Verzweiflung, Hochmut und Ruin, Glaube und Wissen erschreckend dicht beieinander liegen - und immer wieder gegeneinander ausgespielt werden.

    Im Ungarn des 16. Jahrhunderts toben heftige Machtkämpfe. Die aus hohem Adel stammende elfjährige Erzébet (Anna Friel, serie,Pushing Daisies) wird mit Franz Nádasdy (Vincent Regan) verlobt. Während er sich aufgrund seiner Grausamkeit auf dem Schlachtfeld den Beinamen „Schwarzer Ritter“ erkämpft, verwaltet die geschäftstüchtige Erzsébet das umfangreiche Vermögen. Das Land Ungarn ist bei ihr hoch verschuldet, mit den Habsburgern pflegt ihr Haus seit Langem eine tiefe Feindschaft. Spätestens mit dem Tod ihres Mannes gerät die kluge und mächtige Frau samt ihren Erben zunehmend in Bedrängnis: Vor allem ihr Vetter Graf Georg Thurzo (Karel Roden) spekuliert auf ihr Vermögen - aber auch dem habsburgischen König Ungarns, Matthias II. (Franco Nero), ist sie ein Dorn im Auge. Und die katholische Kirche hat sowieso immer offene Arme für Vermögen – besonders, wenn es aus dem Lager der angefeindeten Protestanten, zu denen auch Gräfin Báthory zählt, stammt. Auf allen Seiten wird mit harten Bandagen gekämpft, Intrigen werden gesponnen und Ränke geschmiedet, wobei die Koalitionen ständig wechseln…

    Während Julie Delpy Báthory in ihrem Historiendrama Die Gräfin zuletzt vor allem als politisch bekämpfte Frau, deren persönlicher Schönheits- und Jugendwahn zur unkontrollierbaren Obsession wurde, betrachtete, lüpft Juraj Jakubisko in seinem aufwändig produzierten Werk immer wieder die Schleier, die Mythenbildung und Sensationslust über die Jahrhunderte um die historische Person gelegt haben. Dabei greift er vielfältige Phänomene auf, die ein komplexes Zeitkolorit erschaffen und mögliche alternative Erklärungen aufzeigen. Klugerweise vermeidet er es, die Gräfin plump als Opfer darzustellen. Ihren zynischen und vor kaum einer Grausamkeit zurückschreckenden Umgang mit Untergebenen schildert er nicht in Bezug auf ihre Dienerinnen, sondern auch anhand ihres Geliebten (Hans Metheson), der ihren Launen auf Gedeih und Verderb ausgesetzt ist. Immer wieder lässt der Regisseur hinter der disziplinierten Fassade jedoch eine höchst verunsicherte Frau hervortreten, die letztlich niemandem mehr traut und doch auf Schützenhilfe angewiesen ist.

    Die innere Zerrissenheit zwischen fürsorgender Mutter und politisch taktierender Macht- und Karrierefrau trägt Anna Friel in jedem ihrer Gesichtszüge. Die blasse, fast kindlich-unschuldige Schönheit weicht von einem Augenblick zum nächsten einer unberechenbaren Furie mit erstaunlicher mentaler und physischer Kraft. Während dies zu Beginn noch mehr oder weniger harmonisch in einer Person aufgeht, droht Báthory gegen Ende hin zwischen den eigenen Extremen zerrieben zu werden.

    „Báthory“ lässt in seinen 138 Minuten die Beschränkung auf die titelgebende Figur oft hinter sich und hält doch immer einen Bezug zu ihr. Historische Gegebenheiten aus den Bereichen Politik, Wissenschaft, Religion, Strafrecht werden geschickt eingewoben, so dass eine aufgeladene Atmosphäre großer Umwälzungen und Unsicherheit entsteht. Geschickt und mitunter erleichternd heiter erlaubt sich Juraj Jakubisko einen Blick auf den Fortschritt der Technik und ein augenzwinkerndes Zitat auf Der Name der Rose, indem er ein Duo aus Mönch (Bolek Polivka) und lüsternem Novizen (Jiri Mádl) auftreten lässt, das sich der von Hexen- und Aberglauben durchsetzten Materie mit wegweisenden Erfindungen (etwa Skiern) entgegenstellt. Dass Báthorys Interesse für Medizin ihre Verteufelung erleichtert hat, erschließt sich dem Zuschauer eher beiläufig. Oder war vielleicht doch die als Hexe verschriene Heilerin Darvulia (Deana Hórvathóva), auf die sie sich nach einer Vergiftung einlässt, ihr Verderben? In einem Umfeld, in der rohe Gewalt und physische Bestrafungen alltäglich sind, egal ob auf dem Schlachtfeld oder bei weltlichen wie religiösen Gerichten, liegt die Gräfin mit ihren Ausbrüchen doch eigentlich im Bereich der Norm, oder? Welche Umstände haben also dann dazu geführt, dass sie in der Geschichtsschreibung zu einem Monstrum wurde?

    Juraj Jakubisko spielt mit auffallend detailgetreuer Ausstattung viele Varianten möglicher Wahrheiten durch. Dabei bringt er, ohne verwirrend oder unentschlossen zu wirken, eine so große Anzahl an Faktoren ins Spiel, dass schnell klar wird, dass es eine endgültige Lösung für das Phänomen und den juristischen Fall Báthory gar nicht geben kann. Ungleich wuchtiger als Julie Delpy bleibt auch ihm nur das Wissen, dass Geschichte von Siegern geschrieben wird.

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