Die Schande von Dorian Gray (und Regisseur Oliver Parker)!
Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“ von 1890 war ein revolutionäres Werk. Wilde brachte als einer der ersten das Thema Homosexualität in ein großes, populäres Werk, wofür er später ins Gefängnis musste (auch weil er selbst homosexuell war). Ich persönlich war seit meiner ersten Begegnung mit der Story sehr interessiert und fasziniert von der tragischen Geschichte eines jungen Mannes, der seine Seele für die ewige Jugend verkauft. Mir war klar, dass es auch viele andere Verfilmungen gibt, doch ich dachte mir: „Fangen wir mit der 2009-Verfilmung an, dann haben wir das Schlimmste hinter uns!“ Und wie Recht ich damit hatte…
Dorian Gray, ein wunderschöner junger Mann, kommt nach London und freundet sich dort mit Basil, einem Maler an, aber auch mit dem reichen und zynischen Lord Henry Wotton. Während Basil Dorian zu Ehrlichkeit und Anstand rät, verführt ihn Henry immer wieder in Bordellen und anderen zwielichtigen Läden nach einfachem Spaß zu suchen. Als Basil eines Tages ein Porträt vom hübschen Knaben malt, wünscht sich Dorian sehnlichst für immer jung bleiben zu können, wenn nur das Bild altern könnte. Und sein Wunsch wird erfüllt. Doch es dauert nicht lange, bis Dorian auf einen dunklen Pfad gelangt, von dem es scheinbar kein Entrinnen gibt…
Man könnte meinen, dass Regisseur Oliver Parker nur aufgrund dieser kurzen Inhaltsangabe den Film gedreht hat. Denn wirklich viel ist von Oscar Wildes Idee und Thematik nicht mehr übrig geblieben. Toby Finlay schrieb ein Drehbuch, das kennzeichnend für viele Filme der 2000er ist: Die Grundstory ist zwar irgendwie vorhanden, aber die Dialoge sind hohl und lassen nahezu keine Interpretation des Ganzen zu. Noch dazu rast die Story nur so am Zuschauer vorbei, so als ob man einzelne Punkte abhaken wollte. Weder die Figuren noch irgendwelche Szenen haben Raum zum Atmen. Alles bleibt unfassbar oberflächlich, so wie die Performance von Ben Barnes. Ja, der Film ist selbst wie die Figur des Dorian Gray: Er gibt vor etwas Besonderes zu sein, aber innen drin ist nichts zu finden, außer Kälte und Verdorbenheit.
Dass man für eine Verfilmung des Stoffes viel ändern muss, verstehe ich sehr gut. Das Buch ist zwar gut, aber es gibt sehr viele Kapitel und Monologe, die sehr wenig erzählen und mehr wiederholen als dass sie neue Informationen geben. Doch hier werden essentielle Dinge der Handlung verändert, sodass manche Handlungen der Figuren kaum noch Sinn ergeben. Der Grund für das Schicksal von Sibyl Vane beispielsweise ist kaum nachvollziehbar, was nicht zuletzt an den schwachen Darstellern liegt. Auch die Tatsache, dass ihr Bruder Dorian (im Gegensatz zum Buch) schon als jungen Mann kennen lernt, ergibt im späteren Verlauf keinen Sinn. Die schlimmste „Neuerung“ dürfte aber die Tochter von Henry Wotton sein. Sie stellt am Ende einen billigen Ersatz für Sibyl Vane dar, der der Figur des Dorian noch etwas Gutes entlocken soll… Absolut furchtbar!
Und als wäre das nicht genug, werden andere Ereignisse künstlich über dramatisiert, wie etwa eine Verfolgungsjagd durch die U-Bahntunnel von London oder das schrecklich Finale, das so ziemlich alles verhunzt, was es zu verhunzen gibt. Die komplexen Figuren von Wilde verkommen zu eindimensionalen Schachfiguren.
Colin Firth (Henry Wotton) ist als einziger imstande seiner Figur eine gewisse Tiefe zu geben, auch wenn seine Figur schrecklich geschrieben ist (und gegen Ende so ziemlich das Gegenteil vom Original ist). Ben Barnes (den man als Kaspian aus den „Narnia“-Filmen kennt) sieht hübsch aus, aber ich habe ihm nichts geglaubt. Dabei ist er kein schlechter Schauspieler, wie man in del Toros „Cabinet of Curiosities“ von 2022 sehen kann. Doch hier war er wahrscheinlich einfach zu jung und unerfahren… Der Rest des Casts ist nicht der Rede wert. Selbst wenn sich hier gute Darsteller tummeln, so können sie leider nichts von ihrem Talent zeigen, dafür gibt ihnen der Film keine Gelegenheit.
Die Story hat ja viele düstere Elemente, die eindeutig im Horrorgenre angesiedelt sind. Doch immer wenn der Film versucht den Zuschauer zu gruseln, musste ich laut lachen. Besonders das immer stärker verrottende Gemälde ist pures Comedygold. Billigste Jump Scares mit schauderhaftem CGI, ein echtes Trashfeuerwerk.
Auch auf anderen technischen Ebenen versagt der Film: „Dorian Gray“ sieht recht billig aus, stellenweise wie ein Studentenfilm. Ja, das meine ich absolut ernst! Ein Grund dafür ist das Licht. Jede Szene wirkt überbelichtet, sodass nie eine Atmosphäre entstehen kann. Der Schnitt von Guy Bensley ist wahrscheinlich das Schlimmste. Der Film rast durch die Geschichte und selbst die einfachsten Szenen werden einfallslos zusammen geschnipselt. Und auch der Score von Charlie Mole ist typischer Möchtegern-Mischmasch mit etwas Hans Zimmer-Kopien für die Actionmomente.
Fazit: Was für eine jämmerliche Verfilmung eines großartigen Stoffes. „Dorian Gray“ von 2009 ist ein Paradebeispiel dafür, was passiert, wenn die Leute hinter einer Verfilmung den Stoff, auf dem das Ganze basiert, nur oberflächlich verstehen zu glauben. Die Message wird mit dem Vorschlaghammer auf den Zuschauer eingehämmert, während man mit billigen Erschreckern und nackter Haut versucht davon abzulenken, wie hohl der restliche Film ist. Jämmerlich!