Die renommierte britische Film- und Bühnenschauspielerin Helen Mirren wurde in ihren 60er Jahren schon so oft von der Boulevardpresse zum Sexsymbol des denkenden Mannes gekürt, dass man geneigt ist, dem blind beizupflichten. Nicht weil die wandlungsfähige und wagemutige Mimin viele Nackt- und Sexszenen in ihrer langen Karriere gedreht hat oder weil man die Aufregung der Klatschblätter darüber teilt, dass die heute 65-Jährige selbst im roten Bikini noch eine gute Figur macht. Entscheidend für ihre ungebrochene Attraktivität ist wohl eher das, was man unter Star-Charisma versteht: Helen Mirren hat soviel davon, dass sie selbst in misslungenen Filmen noch immer ansprechend ist. So auch in „Love Ranch", einer Regiearbeit ihres Ehemannes Taylor Hackford („Ray"), der sie mit dem Liebesdrama nach langem wieder dazu überreden konnte, für ihn nach dem Tanzfilm „White Nights - Nacht der Entscheidung" (1985) ein zweites Mal vor der Kamera zu stehen. Der gut besetzte, hübsch ausgestattete Film über die emotionalen und beruflichen Probleme eines älteren Ehepaares, das in den 1970ern ein Bordell in Nevada betreibt, verspricht ein buntes Sittenbild der USA, wartet aber nur mir einer langweiligen Frühling-Herbst-Romanze auf.
Charlie (Joe Pesci) und Grace Bontempo (Helen Mirren) sind die etwas in die Jahre gekommenen Besitzer der „Love Ranch", dem erstem legalen Bordell im US-Bundestaat Nevada. Die sich auf einem Gehstock fortbewegende Grace hat als Madam die Verantwortung über die Finanzen und die Prostituierten des Hauses, während Charlie sich die Legalität seines von den Sittenwächtern ins Auge gefassten Etablissements durch kriminelle Taktiken wie Erpressung und Gewaltandrohung sichert. Der ambitionierte und profitgierige Charlie sieht seine Zukunft zudem auch als Promoter im Boxgeschäft. Als er für die Spielschulden des argentinischen Schwergewichtlers Armando Bruza (Sergio Peris-Mencheta) aufkommt, beansprucht er auch gleichen dessen Dienste und beordert Bruza dazu, in die Nähe der Love Ranch zu ziehen und dort für seinen ersten Kampf zu trainieren. Gracie, die von ihrem Gatten zu Armandos Manager erkoren wird, ist der Idee zunächst abgeneigt, fühlt sich aber immer mehr entwaffnet von dem Charme des bedeutend jüngeren Boxers. Als der notorische Schürzenjäger Charlie dahinter kommt, dass nicht nur er seine Frau, sondern auch sie ihn betrügt, kommt es zur Tragödie...
Basierend auf der wahren Geschichte von Joe und Sally Conforte, einem italoamerikanischen Ehepaar, das Anfang der 1970er Jahre mit der Mustang Ranch das erste legale Bordell in den USA eröffnete, versucht sich der ambitionierte Film an einer Mischung aus „Boogie Nights" und „Casino". Während der aus seinem mehrjährigen Ruhestand zurückgekehrte, nun auffallend faltige Joe Pesci wie in seinen berühmten Gangster-Rollen („GoodFellas") wieder mal als aggressiver Giftzwerg sein Umfeld mit abrupten Gewaltausbrüchen terrorisiert, erklärt uns Helen Mirren als aparte Madam das Sexgeschäft. Als eine ehemalige Prostituierte erzählt sie aus dem Off ihre Liebes- und Leidensgeschichte und pfeffert sie mit den Weisheiten ihrer einst ebenfalls als Prostituierte tätigen Mutter. Doch die Einsichten in den Alltag des Bordellgeschäfts bleiben oberflächlich, die wenigen Szenen, in denen es um Sex geht, sind ohne Reiz. Dabei mangelt es dem Film nicht an talentierten Frauen, die man schon oft in ähnlichen Rollen gesehen hat. Es ist ein regelrechtes Schaulaufen unterforderter Schönheiten, von Veteranen wie Gina Gershon, Melora Walters und Bai Ling bis zu Nachwuchstalenten wie Taryn Manning und Elise Neal.
Dass keine von diesen interessanten Schauspielerpersönlichkeiten einen bleibenden Eindruck in ihren blassen Rollen hinterlässt, ist dem unausgegorenen Drehbuch des Crime-Journalisten Mark Jacobson zu verdanken. Mit seinem ersten selbst verfassten Skript liefert der New Yorker, der mit einem Artikel über den Gangster Frank Lucas die Vorlage zu Ridley Scotts Crime-Epos „American Gangster" mit Denzel Washington und Russell Crowe in den Hauptrollen schrieb, eine facettenreiche, aber holprige Genre-Mixtur ab. So beginnt der von Hackford uninspiriert umgesetzte Film als klobige Milieustudie, wandelt sich zu einem trotz einer immer noch recht knackigen Helen Mirren und dem charismatischen spanischen Beau Sergio Peris-Mencheta unglaubwürdigen Liebesgeschichte und endet gar als ein rührseliges Krankheitsdrama. Interessantere Aspekte, wie etwa die Parallelen zwischen dem brutalen Geschäft mit den Körpern von Boxern und denen der Prostituierten, werden angeschnitten, aber nicht weiter ausgeführt. So bleibt der Film weit hinter seinem Anspruch und seinen Möglichkeiten zurück.
Fazit: „Love Ranch", der hierzulande nur auf DVD Premiere feiert, ist nicht ohne Grund bei der US-Kritik durchgefallen und an der Kinokasse sang- und klanglos untergegangen. Regisseur Taylor Hackford kokettiert mit einer Geschichte über Sex, Liebe und Gewalt – aufregend umgesetzt hat er sie nicht.