Im Frühjahr 1940 ermordet die sowjetische Armee im Wald bei Katyn mehr als 10.000 gefangene polnische Soldaten und Zivilisten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird das Verbrechen kurzerhand den Deutschen angelastet. Wer sich der Geschichtsfälschung widersetzt, muss um sein Leben fürchten. Der polnische Regiealtmeister Andrzej Wajda, dessen Vater auch zu den Opfern des Massakers zählt, hat nun einen Film darüber gedreht. „Das Massaker von Katyn“ will großes Nationalepos sein und ist doch vor allem ein pathostriefender Schinken. Allein die intensiven Schlussminuten bleiben im Gedächtnis haften.
Der Vorspann läuft auf dunklen Gewitterwolken ab. Dazu dräut Krzysztof Pendereckis bombastischer Soundtrack. So ähnlich beginnen auch die Filme der „Harry Potter“-Reihe. Keine fünf Sekunden dauert es, bis man das erste blondbezopfte ängstliche Mädchen im Flüchtlingstreck sieht. Keine zehn Sekunden, bis der erste niedliche Hund zurückgelassen wird. Keine zwei Minuten, bis zur ersten Großaufnahme eines geschändeten Kruzifixes, an dem noch der abgerissene Arm einer Christusfigur hängt. Keine fünf Minuten, bis sich ein Offizier entscheiden muss, ob der Eid, den er aufs Vaterland geschworen hat, oder sein Eheschwur vor Gott größeres Gewicht hat. Der Teddy eines Kindes wird vor den Schergen der Roten Armee gerettet, und in einer zum Gefangenenlager umfunktionierten Kirche halten polnische Offiziere eine Weihnachtsandacht. Um es kurz zu machen: Was hier schon im ersten Viertel an kitschigen Bildern aufgefahren wird, wäre für drei weitere Filme noch zu viel gewesen.
Inhaltlich konzentriert sich der Film in seinem weiteren Verlauf auf die Frauen und Kinder einiger Gefangener. In der Darstellung ihres ungewissen Hoffens ist er emotional noch am glaubwürdigsten, erzählt und zeigt aber nichts, was man so oder ähnlich nicht schon öfter gesehen hätte. Die schauspielerischen Leistungen sind durchweg solide, und der Eindruck, dass die Schauspieler bei einem besseren Drehbuch zu noch wesentlich stärkeren Auftritten fähig gewesen wären, drängt sich mehr als einmal auf. Für die Figurenzeichnung gilt hingegen leider generell: Die Guten gucken ernst und bedrückt, die Draufgängertypen sehen aus wie Draufgängertypen und die Nazischweine wie Nazischweine.
Es gibt aber auch positive Momente: So stellt der Film etwa die historischen deutschen und sowjetischen Propagandawerke über Katyn, die sich in fast nichts unterscheiden, einander eindrucksvoll gegenüber. Die Ausschnitte kommentieren sich selbst und sagen viel über den Zynismus ihrer Verfasser und die schreckliche Lage ihrer Opfer aus. Sehr stark sind auch letzten zehn Minuten, in denen Andrzej Wajda für den Ablauf des Massenmordes erschütternde Bilder findet. Dem gegenüber steht aber gerade am Schluss eine ärgerliche Symbolik: Zwecks christlich-moralischer Erbauung und gegen jede Glaubwürdigkeit beten ausnahmslos alle der erschossenen Offiziere vor ihrer Ermordung das Vaterunser, und die allerletzte Einstellung zeigt eine Hand, die einen Rosenkranz hält. Der unbesiegbare Glaube als rettende Konstante in der Geschichte der erst von den Nazis und dann von den atheistischen Sowjets unterdrückten Polen. Papst Wojtyła macht da im Jenseits vielleicht Luftsprünge, aber für einen Film, der ein polnisches Nationalepos sein möchte, ist das erschreckend platt. Das Drehen von Propagandafilmen sollte man doch besser jenen überlassen, die es nötig haben.
Um dem künstlerisch missratenen Werk nicht Unrecht zu tun, muss man aber auch seine politische Bedeutung sehen. Die Lüge über das Massaker von Katyn wurde im gesamten Ostblock (einschließlich der DDR) bis ins Jahr 1990 aufrecht erhalten. Polen, das im Zweiten Weltkrieg bekanntlich gleich unter beiden Mörderregimen, also Deutschland und Russland, zu leiden hatte, ist erst seit dem Zusammenbruch des Ostblocks wieder ein souveränes Land. Die Aufarbeitung eines Verbrechens wie diesem ist vor diesem Hintergrund zweifellos immens wichtig. Und die – wie alles im Film überdeutlich dargestellte – Situation, zwischen Deutschland und Russland in der Klemme zu stecken, ist ein Trauma, das noch lange nicht der Vergangenheit angehört. Man kann dem Film zugute halten, dass er das Thema mit großer Geste und deshalb unübersehbar auf die Tagesordnung setzt. Als Film macht ihn das aber nicht besser.