Radikal- und Dampfhammer-Filmemacher Michael Moore löst schon seit seinem Regie-Debüt „Roger & Me“ (1989) in schöner Regelmäßigkeit Kontroversen aus, die anno 2004 mit dem Anti-Bush-Essay Fahrenheit 911 ihren hysterischen Höhepunkt erreichten. Die kanadischen Dokumentarfilmer Debbie Melnyk und Rick Caine begleiteten die Ikone der amerikanischen Linken während der Werbetour zum Film – eigentlich in der Absicht, Moore zu porträtierten. Doch was ursprünglich als Pro-Moore-Projekt begann, wuchs nach und nach zu einem kritischen Hinterfragen aus, das den streitbaren Entertainer oft recht unvorteilhaft entblößt. So ist das wirklich Interessante an „Manufacturing Dissent“ die Perspektive - denn Melnyk und Caine stammen gerade nicht aus dem Lager der notorischen Moore-Hasser, die ihn für den personifizierten Anti-Christen der Rechts-Konservativen halten, sondern direkt aus seiner Befürworterschaft.
Zwei Jahre lang reisen Melnyk und Caine ihrem Idol während dessen „Slacker Uprising Tour“ nach. Der Stil dieser filmischen Unternehmung erinnert frappierend an den von Moore - mit einem Unterschied, der sich gleichzeitig als größter Kritikpunkt an ihrer erweist. Das Duo ist zwar im Dokumentarfilm erfahren („The Frank Truth“, 2001; „Citizen Black“, 2004), verfügt aber nicht ansatzweise über das filmemacherische Ausnahmetalent seines Protagonisten. „Manufacturing Dissent“ ist eine handelsübliche Low-Budget-Doku ohne inszenatorische Raffinessen. Vielmehr haftet dem Werk ein amateurhafter Charme auf der Produktionsebene an. Das soll aber keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass Melnyk und Caine ihr journalistisches Handwerk der Recherche sehr wohl verstehen und sauber argumentieren.
Das Regie-Duo zeichnet Moores Weg nach. Seinen journalistischen Anfängen bei „The Flint Voice“ (später „The Michigan Voice“) folgt ein unsägliches Engagement beim angesehenen Linksblatt „Mother Jones“ in San Francisco. Doch Moores Herausgebertätigkeit endet schnell - nicht wegen inhaltlicher Kontroversen, sondern eher aufgrund qualitativer Differenzen. So findet Moore schließlich den Weg zu seiner Bestimmung: dem Filmemachen. Der Amerikaner wird für Bowling For Columbine (2002) mit dem Oscar ausgezeichnet und bringt mit „Fahrenheit 9/11“ den erfolgreichsten Dokumentarfilm aller Zeiten (Budget: sechs Millionen Dollar, weltweites Einspiel: 225 Millionen Dollar) auf den Markt. Mit Sicko (2007), seinem Angriff auf das marode amerikanische Gesundheitssystem, bleibt Moore seinem Stil treu, geht aber weniger auf Konfrontationskurs wie bisher. Nebenbei fungiert der emsige Polit-Entertainer noch als Bestseller-Autor („Stupid White Men“).
Moores zwielichtige „Technik“, zwar die Fakten korrekt wiederzugeben, sie aber in teils grotesk verzerrten Zusammenhängen völlig anders wirken zu lassen, wird nicht einmal von seiner Anhängerschaft ernsthaft bestritten. Der Filmemacher selbst beharrt immer darauf, dass er trotz allem immer die Wahrheit sagen würde. Doch Melnyk und Caine entlarven diese Aussage als Lüge. Ein exemplarisches Beispiel: In „Roger & Me“ behauptet Moore, vergeblich versucht zu haben, ein Interview mit dem General-Motors-Geschäftsführer Roger Smith zu bekommen. Tatsache ist jedoch, dass er zwei Mal mit Smith gesprochen hat und dies später zu vertuschen versuchte.
Wahrscheinlich hat Moore gerochen, dass diese Dokumentation über seine Person nicht nur Charmantes zu Tage fördert. Den Filmemachern werden während der Produktion reichlich Steine in den Weg gelegt, ein richtig ausführliches Interview verweigert Moore mit Hinweis auf Terminprobleme standhaft. Es hat deutlich den Anschein, er möchte Kritik ausweichen. Je tiefer Melnyk und Caine graben, desto mehr Dreck kommt zum Vorschein. Der Eindruck, dass Moore das Sprachrohr des kleinen Mannes ist, täuscht ebenfalls. Der Vorzeigelinke ist vielmehr Intellektueller, als es sein harmloses Äußeres mit Slacker-Klamotten und Baseball-Kappe vermuten lässt. Das Outfit ist nur eine Tarnung.
Einmal wendet das Team gar selbst typische Moore-Methoden an, indem es sich mit gefälschten Akkreditierungen auf eine Veranstaltung des Meisters schleicht. Doch dessen Umfeld ist mit allen Wassern gewaschen und lässt die Guerilla-Crew in letzter Konsequenz auflaufen und schmeißt sie raus.
Fazit: „Manufacturing Dissent“ ist ein kritischer Versuch, dem Phänomen Michael Moore auf die Spur zu kommen. Dieses Vorhaben gelingt zu einem Teil, selbst wenn hier und da nur Stückwerk statt Gesamtüberblick dabei herauskommt. Das Bild Moores ist nicht so schmeichelhaft, wie er es gern hätte, aber zu einem bilanzierend-anklagenden „Shame on you, Mr. Moore?“ reicht es auch nicht. So erweist sich der Film als ehrenwerter, netter Beitrag zum Thema, ohne bahnbrechend Neues zu liefern.