Die deutschen Fußballer haben „Das Wunder von Bern“, welches im Jahr 2003 von Sönke Wortmann kommerziell sehr erfolgreich auf die Leinwand gebracht wurde. Da will die große Sportnation USA nicht nachstehen und hat die passende Antwort parat. Independentfilmer Gavin O’Connor thematisiert in seinem Sportler-Drama „Miracle“ ein bemerkenswertes Stück amerikanischer Sportgeschichte. 1980 gewann die US-Eishockeymannschaft bei den Olympischen Winterspielen in Lake Placid sensationell die Goldmedaille und beendete damit die Vorherrschaft der als unschlagbar geltenden damaligen UdSSR. O’Connor gelang ein packender, emotionaler Film, der nur im Schlussteil kleinere Schwächen offenbart.
Die politische Situation ist im Jahre 1979 angespannt wie selten zuvor. Die UdSSR kämpft in Afghanistan und der Kalte Krieg steuert auf seinen Höhepunkt zu. Das hat auch Auswirkungen auf den Sport. Die Ostblockländer erwägen einen Boykott der Olympischen Winterspiele 1980 im amerikanischen Lake Placid im Bundesstaat New York. Die Verantwortlichen des US-Eishockeyteams haben ganz andere Probleme. 1976 wurden sie bei Olympia blamiert, die UdSSR, die von 1964 bis 1976 alle Goldmedaillen gewinnen konnte, ist einfach zu übermächtig. Um neue, innovative Strukturen zu schaffen, wird der knorrige Coach Herb Brooks (Kurt Russell) engagiert. Mit unkonventionellen und knochenharten Methoden will er seine Auswahl von Amateurspielern auf Erfolg trimmen. Teamgeist, taktische Disziplin und eine herausragende Kondition sind die Grundpfeiler seines Konzeptes. Auch gegen Widerstände seines Co-Trainers Craig Patrick (Noah Emmerich) boxt er seinen eisenharten Stil durch. Er setzt alles auf eine Karte. Scheitert er, wird das Versagen ihm angelastet werden...
Das Genre des Sportfilms erfreut sich in den USA im Gegensatz zu Deutschland großer Beliebtheit. Gavin O’Connors „Miracle“ macht da keine Ausnahme, spielte an der US-Kinokasse gute 65 Millionen Dollar ein. Die Amerikaner mögen es gern heroisch auf der Leinwand. Das Wunder, das die US-Eishockeymannschaft 1980 bei den Olympischen Spielen vollbrachte, ist ein Lehrstück in Sachen Heldentum und gilt bis heute als eine der größten Sensationen der Sportgeschichte. Die Über-Mannschaft der UdSSR um ihren Trainer Viktor Tichonow hatte seit 15 Jahren kein Spiel mehr verloren und war allen anderen Nationen haushoch überlegen. Dass die USA den Erzrivalen in dem legendären Endrundenspiel mit 4:3 schlug und anschließend nach einem 4:2 gegen Finnland die Goldmedaille gewann, ist der Stoff aus dem die Helden sind.
O’Connor („Tumbleweeds“) legt sein „Miracle“ als klassischen Sportfilm an. Im Zentrum steht der unkonventionelle Trainer Herb Brooks, der 1960 als Spieler kurz vor der Nominierung des US-Olympia-Kaders ausgebootet wurde. Anschließend errang die USA die Goldmedaille. Das hat Brooks nie richtig überwunden und tut alles, um seinem verlorenen Traum nachzujagen. Sein Familienleben leidet darunter und seine Spieler verstehen seine unkonventionellen und überharten Methoden nicht. Aber Brooks ist ein Mann von Charakter, lässt sich von seinem Weg nicht abbringen. Kurt Russell („Dark Blue“, „Vanilla Sky“) brilliert in stilechtem End-Siebziger-Outfit und liefert eine seiner besten Vorstellungen ab. Er schafft es, Brooks’ ganze Bandbreite offen zu legen. Da sich der Film charakterlich fast nur auf den Coach konzentriert, haben die Nebenfiguren nur begrenzten Raum, sich zu entfalten. Noah Emmerich („The Truman Show“) spielt als gutmütiger, kritischer, aber loyaler Co-Trainer sehr solide und auch die jungen Spieler sind gut besetzt. Die Konflikte innerhalb des Teams sind glaubhaft und realistisch dargestellt. Patricia Clarkson, oscarnomiert für „Pieces Of April“, kommt ein wenig zu kurz als Brooks’ Ehefrau Patty. Die Rolle ist zu klein, sodass Clarkson ihr Potenzial nicht entfalten kann.
Wäre der Storykern von einem Drehbuchautor ersponnen worden, würde jeder mit dem Kopf schütteln und ob dieser unglaublichen Handlung abwinken. Doch das Schöne ist ja, dass es sich sportlich tatsächlich so abgespielt hat. O’Connor inszeniert straff und packend, baut den Film dramaturgisch geschickt auf. Hervorragend integriert er den politischen Background der damaligen Zeit in seinen Film. In einer grandiosen Titelsequenz, die als Nachrichten-Collage angelegt ist, gelingt es O’Connor in wenigen Minuten, den Zuschauer in die Zeitgeschehnisse einzuführen. Lediglich der pathetische Score von Mark Isham nervt und wäre in dieser Übertreibung nicht nötig gewesen.
Nach starken 100 Minuten leistet sich „Miracle“ im Schlussabschnitt ein paar kleine Schwächen. Die Spielszenen sind zwar rasant und dynamisch, aber durch den Verzicht auf eine Totale, verliert der Zuschauer gelegentlich den Überblick. Dazu leisten sich die sportlichen Berater des Werks einen peinlichen Patzer. Im Film besiegt die USA zum Ende der Vorrunde die DDR mit den Spielern Kießling und Truntschka mit 4:2. Natürlich haben beide damals für West-Deutschland gespielt, das auch in der Realität der Gegner der Amerikaner war. Ein unnötiger Anschlussfehler sorgt auch noch für etwas Unmut. Beim Stand von 3:3 gegen die UdSSR steht es auf der Anzeigetafel bereits 4:3. Aber das sind nur Kleinigkeiten, die nicht verhindern können, dass „Miracle“ im Ganzen ein durchweg gelungener Sportfilm geworden ist. Jeder, der sich für das Thema interessiert, sollte einen Blick riskieren. Herb Brooks, dem der Film gewidmet ist, starb am 11. August 2003 bei einem Autounfall im Alter von 66 Jahren. Ein Jahr zuvor hatte die Trainerlegende noch bei Olympia in Salt Lake City ein Comeback gefeiert und mit der US-Mannschaft überraschend die Silbermedaille gewonnen.
Olympisches Eishockeyturnier der Herren, 1980 in Lake Placid
Vorrunde, Gruppe A
Kanada - Niederlande 10:1
Finnland - Polen 4:5
UdSSR - Japan 16:0
UdSSR - Niederlande 17:4
Kanada - Polen 5:1
Finnland - Japan 6:3
Niederlande - Japan 3:3
UdSSR - Polen 8:1
Kanada - Finnland 3:4
Kanada - Japan 6:0
Polen - Niederlande 3:5
UdSSR - Finnland 4:2
Polen - Japan 5:1
Finnland - Niederlande 10:3
UdSSR - Kanada 6:4
Abschlusstabelle (Punkte, Tore)
1. UdSSR 10:0, 51:11
2. Finnland 6:4, 26:18
3. Kanada 6:4, 28:12
4. Polen 4:6, 15:23
5. Niederlande 3:7, 16:43
6. Japan 1:9, 7:36
Vorrunde, Gruppe B
Tschechoslowakei - Norwegen 11:0
BR Deutschland - Rumänien 4:6
USA - Schweden 2:2
Schweden - Rumänien 8:0
BR Deutschland - Norwegen 10:4
USA - Tschechoslowakei 7:3
USA - Norwegen 5:1
Tschechoslowakei - Rumänien 7:2
Schweden - BR Deutschland 5:2
Schweden - Norwegen 7:1
Tschechoslowakei - BR Deutschland 11:3
USA - Rumänien 7:2
Rumänien - Norwegen 3:3
Schweden - Tschechoslowakei 4:2
USA - BR Deutschland 4:2
Abschlusstabelle (Punkte, Tore)
1. Schweden 9:1, 26:7
2. USA 9:1, 25:10
3. Tschechoslowakei 6:4, 34:16
4. Rumänien 3:7, 13:29
5. BR Deutschland 2:8, 21:30
6. Norwegen 1:9, 9:36
Spiel um Platz 5
Tschechoslowakei - Kanada 6:1
Finalrunde um die Plätze 1-4
(direkte Vergleiche der Vorrunde wurden übernommen)
Finnland - Schweden 3:3
USA - UdSSR 4:3
USA - Finnland 4:2
UdSSR - Schweden 9:2
Abschlusstabelle (Punkte, Tore)
1. USA 5:1, 10:7 (Gold)
2. UdSSR 4:2, 16:7 (Silber)
3. Schweden 2:4, 7:14 (Bronze)
4. Finnland 1:5, 7:11