Mit „Eine Frau ist eine Frau“ drehte der französische Regisseur Jean-Luc Godard – vielleicht der bedeutendste Filmemacher der Nouvelle Vague und gleichzeitig ein Mythos des modernen Kinos – seinen ersten Farbfilm. Erzählt wird vordergründig die Geschichte einer Ménage à trois, in deren Zentrum die von Anna Karina („Der kleine Soldat“, Pierrot le fou) gespielte Angela steht. Die beiden Männer um sie sind ihr Ehemann Émile (Jean-Claude Brialy, „Sie küssten und sie schlugen ihn“) und der Charmeur Alfred Lubitsch (Jean-Paul Belmondo, Außer Atem). Es geht Godard aber eigentlich gar nicht um diese Geschichte; vielmehr spielt er mit Formen filmischer Inszenierung. Er macht das Filmemachen und das Kino selbst zum zentralen Thema seines Films und rekurriert dabei nicht nur auf filmische Vorbilder, sondern verweist auch auf andere Kunstformen wie Literatur, Musik und Fotografie. Weil „Eine Frau ist eine Frau“ sich gängigen Erzählschemata und Konventionen gänzlich verweigert, sondern die Mechanismen des Kinos radikal vorführt, sie kombiniert, variiert und ad absurdum führt, ist Godards Film ein moderner im wörtlichsten Sinne. Betrachtet man „Eine Frau ist eine Frau“ aufmerksam und lässt sich nicht davon abschrecken, dass das Mitfühlen mit den Figuren ständig torpediert wird, fällt es einem ganz plötzlich wie Schuppen von den Augen, warum Jean-Luc Godard als einer der Begründer des modernen Kinos gehandelt wird.
Die Ehe von Angela und Émile ist weder frei von Spannungen, noch gänzlich ohne Harmonie – eine normale Ehe, könnte man sagen. Auffällig ist allenfalls der Kontrast zwischen der Frau, einer verträumten Stripperin, und dem Mann, der dagegen eher konventionell erscheint. Wobei diese Formulierung wohl etwas übertrieben ist, denn konventionell ist an „Eine Frau ist eine Frau“ eigentlich rein gar nichts. Eines Tages offenbart Angela ihrem Mann, dass sie ein Kind haben möchte, wovon dieser nicht gerade begeistert ist. Doch seine Frau insistiert. Sie will ein Kind, am besten innerhalb von 24 Stunden. Über diesem Problem gerät die Beziehung in eine Krise. Und nun kommt der Filou Alfred ins Spiel, ein gemeinsamer Freund des Paares, der schon lange um Angela wirbt. Soll er ihr doch ein Kind machen, schlägt Émile vor.
„Eine Frau ist eine Frau“ beginnt mit der Texteinblendung: „Es war einmal.“ Damit wird zum einen Buñuels surrealistisches Meisterwerk „Ein andalusischer Hund“ zitiert, und zum anderen darauf aufmerksam gemacht, dass nun eine fiktive Erzählung folgt. Der narrative Charakter des Kinos wird heraus gestrichen. Es folgen die von Anna Karina aus dem Off gesprochenen Worte „Kamera, Licht, Action!“, womit nun das spezifisch filmische Erzählen betont wird. Leitmotivisch führt Godard mit dieser Eröffnungssequenz in seinen Film ein, der mehr als alles andere einem Essay über das Filmemachen gleichkommt. Durchgehend stellt Godard eine Distanz zu seinen Charakteren her, bis sie vollends künstlich wirken. Parallel verweist er immer wieder auf die Künstlichkeit der Bilder, auf ihre Gemachtheit, und offenbart seinen Film somit als Konstrukt. So ist „Eine Frau ist eine Frau“ in höchstem Maße selbstreferentiell und selbstreflexiv.
Auf seinen Kunstcharakter verweist der Film auf unterschiedliche Art und Weise. Etwa indem er andere Filme zitiert: An einer Stelle erwähnt Belmondo, dass im Fernsehen „Außer Atem“ läuft, den er gerne sehen würde. An einer anderen Stelle trifft Belmondo auf Jeanne Moreau und fragt sie: „Wie geht es Jules und Jim‘?“ Später sprechen die Protagonisten über „Schießen Sie auf den Pianisten“, einen weiteren Film von Francois Truffaut. Darüber hinaus orientiert der Film sich an den Komödien von Ernst Lubitsch und markiert dies unter anderem dadurch, dass Belmondos Figur mit Nachnamen Lubitsch heißt. Zuletzt verweist „Eine Frau ist eine Frau“ überdeutlich auf andere Formen der künstlerischen Erzählung, indem er etwa erläuternde Schrift ins Bild integriert, Bücher und Fotografien, Theateraufführungen und Musicals sowie an einer Stelle sogar Comics und immer wieder Musik exponiert.
Auf seine eigene Konstruiertheit, also auf den Prozess des filmischen Schaffens, rekurriert Godard sehr vielfältig. Achsensprünge, Jump Cuts und Brüche (sowohl inhaltliche, als auch formale) zeichnen seinen Film aus. Diese Formen der filmischen Gestaltung hatte Godard schon in „Außer Atem“, seinem ersten Spielfilm, modelliert und nutzt sie in „Eine Frau ist eine Frau“ noch mehr, um eine Distanz zum Zuschauer zu schaffen. Dasselbe gelingt ihm durch die farbliche Gestaltung: Auf ein höheres Maß an Authentizität zu schließen, nur weil „Eine Frau ist eine Frau“ Godards erster Farbfilm ist, wäre nämlich fatal. Stattdessen arrangiert der Regisseur, wie später auch in „Week End“, immer wieder die Farben rot, weiß und blau (die – wie vielfach bemerkt worden ist – auf die französischen Nationalfarben verweisen) und betont damit die Künstlichkeit der Bilder. Ob die Farben nun in der Kleidung auftauchen (Anna Karina trägt durchgehend Kombinationen dieser Farben), in Form der betont artifiziellen Lichtgebung oder als offensichtlich arrangierte Accessoires innerhalb der Mise en scéne auftauchen: Auf die Konstruiertheit der Bilder verweisen sie immer. In verschiedenen Kontexten nutzt Godard auch den Ton, um erzählerische Brüche herzustellen: Mal bleibt er ganz weg, mal ist er so laut, dass die Dialoge unverständlich bleiben, und manchmal ist er dermaßen asynchron zu den bewegten Bildern, dass er plötzlich als eigenständiges Mittel der Gestaltung in den Fokus rückt. Apropos bewegte Bilder: Die Bewegung (und damit auch die Instanz) der Kamera reflektiert Godard ebenso deutlich, wie die Bewegungen der Figuren vor der Kamera. Es gibt Szenen, in denen die Figuren etwas sagen und dann in Stillstand verharren, bis sie eine Antwort erhalten, beziehungsweise, bis die Kamera wieder zu ihnen schwenkt. Ganz markant kommt diese erzwungene Distanzierung des Betrachters von den Bildern zur Geltung, wenn die Figuren immer mal wieder in die Kamera schauen und mitunter auch direkt zum Zuschauer sprechen.
Godard reflektiert in seinem überaus experimentellen Film die narrativen Mittel des Kinos: Kameraarbeit, Ton und Musik sowie die Montage nehmen dabei eine herausragende Stellung ein. Beinahe jede Szene kommuniziert dem Zuschauer, dass er hier einen Film sieht. Und darüber hinaus offenbart Godard, mit welchen Mitteln dieser Film gemacht worden ist. Aber „Eine Frau ist eine Frau“ reflektiert nicht nur das Filmemachen, sondern auch seine eigene Handlung. Ob es nun eine Tragödie oder eine Komödie sei, fragen sich die Protagonisten des Öfteren und meinen damit natürlich den Film, in dem sie gerade spielen, der auch zwischen diesen beiden Polen mäandert. Außerdem spricht Anna Karina immer wieder davon, dass sie in einem Musical spielen will. Und auch wenn „Eine Frau ist eine Frau“ kein Musical ist, kommt er doch einer Hommage an die Musicals Hollywoods gleich.
Jean-Luc Godard hat keinen Film gedreht, der leicht zugänglich ist. Und auch keinen, der dem Zuschauer ein Abtauchen in eine Geschichte erlaubt. Worum es in „Eine Frau ist eine Frau“ geht, ist das Kino selbst. In höchstem Maße reflektiert Godard das filmische Schaffen und stellt die Künstlichkeit der Filmbilder heraus. Dabei gibt er indes keine feststehenden Antworten oder lässt eine klare Philosophie erkennen. Vielmehr stellt „Eine Frau ist eine Frau“ ein offenes Kunstwerk dar. Wer wissen will, warum Jean-Luc Godard ein Mythos des modernen Kinos ist, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren.