Der Traum vom dreidimensionalen Kinofilm, der sich eben nicht nur durch seine Dreidimensionalität auszeichnet, sondern diese Form der filmischen Umsetzung sinnvoll nutzt, also (im besten Fall): reflektiert, wird seit den Sechzigerjahren immer wieder durchgespielt. Bisher war die Ausbeute aber eher mau: Die IMAX-Kinos brillieren mit immer neuen Varianten ihrer Dinosaurier, -Haifisch oder „Ein Junge wirft einen Ball in den Zuschauerraum“-3D-Filmen. Daneben gibt es seit den Neunzigern Computerprogramme, mit denen zweidimensionale Filme in 3D umgerechnet werden können; so zum Beispiel geschehen bei Tim Burtons Nightmare Before Christmas, der 1997 als 3D-Version wieder aufgeführt worden ist oder bei den „Harry Potter“-Filmen. Und, mal ehrlich: Das 3D-Erlebnis war dabei oft recht unspektakulär. Die Frage, ob diese oder jene Szene nun 3D war oder nicht – habe ich mir das vielleicht nur eingebildet? – kennen wohl die meisten. Nunmehr gibt es aber eine neue Aufnahmetechnik, die in Fachkreisen „echtes 3D“ genannt wird. Auf die technischen Vorraussetzungen und Tricks kann an dieser Stelle freilich nicht eingegangen werden, aber: Es funktioniert. Das neue 3D-Verfahren wirkt tatsächlich „echter“. Der Konzertfilm „U2 3D“ ist nun der erste abendfüllende Kinofilm, der diese neue Technik nutzt.
Und es ist durchaus sinnvoll, einen Konzertfilm in 3D zu drehen, denn natürlich geht es bei diesen (Fan-)Filmen ja nicht um das Filmische – die standardmäßige Umsetzung muss im Gegenteil als recht unfilmisch bezeichnet werden –, sondern um den Versuch, die Live-Atmosphäre eines Konzertes zu konservieren, das Gefühl des „mittendrin seins“ zu transportieren. Und dass dafür ein 3D-Film besonders gut geeignet ist, liegt auf der Hand. Vor allem, wenn die Kamera so clever positioniert wird, wie in „U2 3D“ – beispielsweise mitten im Publikum. Der Zuschauer sitzt also im Kinosessel, vor ihm die Konzertgäste und dahinter die Band. Und auch die Nahaufnahmen der Bandmitglieder wissen dank der neuen Technik zu begeistern. Da wird es sogar zum kleinen Spektakel, wenn Larry Mullen ein Glas Orangensaft trinkt oder Bono den Rauch seiner Zigarette in den Kinosaal pustet. Dabei wird, sehr erfrischend, auf die üblichen 3D-Tricks verzichtet: Es gibt keine Gegenstände, die auf den Betrachter geschleudert werden oder ähnliches.
Die beiden Regisseure Catherine Owens und Mark Pellington (Arlington Road) haben circa 100 Stunden Material auf sieben verschiedenen Konzerten der „Vertigo“-Tour in Südamerika (2006) gefilmt; heraus gekommen sind 80 3D-taugliche Minuten. Dank seiner technisch revolutionären und innovativen Umsetzung muss „U2 3D“ als bahnbrechend für die Gattung des Konzertfilms bezeichnet werden – ganz unabhängig davon, ob man die Musik von U2 mag, sich mit den politischen und ökologischen Feldzügen Bonos identifizieren kann oder die Songauswahl für gelungen erachtet. In der bisherigen Geschichte des 3D-Films muss „U2 3D“ als spannend und innovativ eingeordnet werden. Als ein gelungenes Experiment, mit einer herausragenden Umsetzung, die nicht frei im Raum schwebt, sondern einem Konzertfilm durchaus angemessen ist.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die neue 3D-Technik den Kinomarkt verändern wird. Durchsetzen kann sie sich nur, wenn sie auch reflektiert wird; wenn sich eine eigene 3D-Bildsprache entwickelt. Das Problem auf dem Markt wird hierbei vor allem sein, dass 3D im Home-Entertainmet-Bereich noch nicht zufrieden stellend adaptiert werden kann. Die große Revolution des Kinos, von der hier und dort mal gesprochen wird – 2D ist so gut wie tot! – wird es wohl nicht geben. Aber vielleicht ja mehr in der Richtung „U2 3D“ und weniger kleine Jungs die einem Bälle ins Gesicht werfen.