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    Red State
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Red State
    Von Robert Cherkowski

    Auch wenn sein jüngster Wurf „Cop Out" eine Enttäuschung war und er in öffentlichen Auftritten immer wieder über die Stränge schlägt – Kevin Smith hat seit seinem originellen Debüt „Clerks" und seinem grandiosen Comedy-Drama „Chasing Amy" bei Publikum wie auch Kritikern einen Stein im Brett. An den Charme seiner frühen Filme kann der Filmemacher aber scheinbar nicht mehr anknüpfen. Keiner seiner Drehbuchentwürfe – man denke nur an „Superman Lives" oder „Six Million Dollar Man" – fand den Weg auf die Leinwand und sämtliche Versuche, die Spontaneität seiner Low-Budget-Produktionen in finanzstarke Projekte hinüberzuretten, misslangen gründlich. Im Rahmen seiner selbstorganisierten Frage-und-Antwort-Runde „An Evening with Kevin Smith" wetterte der desillusionierte Smith anschließend immer wieder gegen die Traumfabrik und häufig verfehlte er dabei den guten Ton. Gebracht hat es alles nichts - frustriert kündigte Smith im vergangenen Jahr seinen Rückzug aus dem Film-Business an. Zwei heiße Eisen hat der Amerikaner aber derzeit noch im Feuer: Bevor Smith im kommenden Jahr seine Karriere mit dem Sport-Drama „Hit Somebody" endgültig beenden möchte, steht mit „Red State" eine Abrechnung mit der religiösen Rechten in den USA auf dem Programm. Unter den sogenannten „Red States" versteht man US-Bundesstaaten, die sich seit jeher fest in republikanischer Hand befinden. Beschäftigte sich Smith bisher eher mit den Herausforderungen des Alltags – etwa den Befindlichkeiten junger Nerds und den Comic-Afficionados in den Suburbs – inszeniert der Regisseur hier nun politischen Horror der härteren Gangart. Kann das gutgehen?

    In einem der Red States aufzuwachsen, kann eine frustrierende Erfahrung sein, wie Jared (Kyle Gallner), Travis (Michael Angarano) und Billy Ray (Nicholas Braun) am eigenen Leib erfahren mussten. Alles was Spaß macht, ist verboten oder wurde in demokratischer Schirmherrschaft stehende „Blue States" verbannt. Auch das weibliche Geschlecht zeigt keinerlei Interesse an den drei Provinzjugendlichen. Eine Kontaktanzeige, die schnellen und schmutzigen Sex verspricht, kommt da gerade recht. Allerdings kommt es dann ganz anders, als die Drei sich das vorgestellt hatten: Die Willige stellt sich als reifere Dame (Oscarpreisträgerin Melissa Leo) heraus, die mit einer christlich-fundamentalistischen Sekte unter der Führung des manischen Predigers Abin Cooper (Michael Parks) im Pakt steht. Für die sogenannte „Cooper-Family" sind die Heranwachsenden nicht mehr als Musterbeispiele für die Verderbtheit der ganzen Nation – an ihnen soll deshalb ein Exempel statuiert werden. Auf dem abgeriegelten Privatgelände, auf dem die Sekte eine eigene Kirche errichtet hat, wird ihnen kurzerhand der Schauprozess gemacht...

    Nach einer kurzer Einführung, die in ihrer Geschwätzigkeit an unsägliche „Jay und Silent Bob"-Klamotten erinnert, dreht Smith gleich gehörig an der Spannungsschraube. Spätestens als der von Michael Parks („Death Proof") verkörperte Pastor Cooper auf der Bildfläche erscheint, wandelt sich „Red State" zu einem expliziten „Torture Porn"-Streifen, der religiösen Fundamentalismus und politische Paranoia offensiv anprangert. Während Jared in einem Käfig eingepfercht dahinvegetiert und sich die Predigten des selbsternannten Geistlichen anhören muss, wetzen die Sektenjünger bereits die Messer. Die Eiferer belassen es dann auch nicht lange bei missionarischer Rhetorik. Neben einem Hilfsscheriff, der schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort auftaucht, ködern sie gezielt einen Homosexuellen und töten ihn auf bestialische Weise. Angelehnt hat Smith seine radikale Gruppierung an die real existierende Westboro Baptist Church, deren blinder Hass sich gegen jedweden Fortschritt richtet.

    Smith prangert in „Red State" aber mitnichten konservative Werte als solche an. So weißt er darauf hin, dass diese extreme Form des religiösen Fundamentalismus auch von der rechten Fraktion des Landes aufs Schärfte verurteilt wird – selbst die sogenannten „White Supremacists" distanzieren sich von derartigen Splittergruppen. Nicht umsonst wählt Smith immer wieder die Stilmittel des Horrorfilms, um seine Thesen zu untermauern. Dabei bleibt der Film jedoch erstaunlich redselig und wartet mit elaborierten Dialogen und smarten Onelinern auf. „Red State" ist vielmehr Groteske als Schocker und durchbricht dabei immer wieder Geschmacksgrenzen – was dann hin und wieder auch mal etwas selbstgefällig wirkt. In seiner Kompromisslosigkeit erinnert „Red State" an den Troma-Klassiker „Bloodsucking Freaks" und lässt auch immer wieder Reminiszenzen an Rob Zombies bitterböse Verbeugung vor dem Siebzigerjahre Terrorkino „The Devil's Rejects" erkennen.

    Dabei begnügt sich Smith im weiteren Verlauf keineswegs mit der Variation von Folter-Versatzstücken, denn seine Geschichte schlägt noch ein weiteres Mal einen neuen Ton an. Als schließlich Agent Keenan (famos: John Goodman) und seine Mannen vom ATF („Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives") anrücken und das Gelände umstellen, wird aus „Red State" ein bleihaltiger Belagerungsthriller, der ein rabenschwarzes Bild von der Bürokratie hinter Einsätzen à la „Waco" und Konsorten entwirft. Nachdem der Einsatz schon frühzeitig aus dem Ruder läuft, wird Keenan beauftragt, das Versteck der Fundamentalisten kurzerhand dem Erdboden gleich zu machen. Mit der darauf folgenden Schießerei zeigt sich Smith dann auch hier und da überfordert – die Montage der Bilder wirkt jedenfalls etwas unausgegoren. Dennoch gelingt es ihm weiterhin, Genrestandards zu unterlaufen und damit für die eine oder andere faustdicke Überraschung zu sorgen.

    Fazit: Kevin Smiths Ausflug in den skurrilen Horror hat sich wahrlich gelohnt. Nach der Ankündigung seines Ausstiegs aus dem Filmgeschäft scheint der Filmemacher von allen Zwängen befreit: In „Red State" kommt jedenfalls niemand ungeschoren davon - ob religiöser Fundamentalist oder treuer Gesetzeshüter.

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