Mein Konto
    Elegy oder die Kunst zu lieben
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Elegy oder die Kunst zu lieben
    Von Björn Helbig

    Ein alternder Professor verliebt sich in eine seiner Studentinnen. Das klingt wie die Verfilmung eines Philip-Roth-Romans – und das ist es auch. Doch diesmal hat mit Isabel Coixet (Das geheime Leben der Worte) eine Frau auf dem Regiestuhl Platz genommen. Wer allerdings gehofft hat, dass die spanische Filmregisseurin und Drehbuchautorin unbekannte Zwischentöne aus dem Machostoff herauskitzelt, muss enttäuscht werden. Coixets „Elegy“ gelingt es nicht, sich in bemerkenswerter Weise von der Vorlage abzusetzen.

    Literaturprofessor David Kepesh (Ben Kingsley) ist in die Jahre gekommen, doch gegen eine Affäre mit einer seiner jungen Studentinnen hatte er noch nie etwas einzuwenden. Um an eine heiße Liebesnacht zu kommen, hat es sich für den charmanten Akademiker am effektivsten erwiesen, seine Stundenten und Studentinnen nach dem Examen zu sich nach Hause einzuladen. Am Ende bleibt immer eine da, die der charismatische Akademiker durch seine Bücherregale und schließlich in sein Schlafzimmer führt. Doch diesmal ist alles anders. Von der Schönheit seines jüngsten Fanges, der jungen Exil-Kubanerin Consuela Castillo (Penélope Cruz), über alle Maßen fasziniert und von den Ängsten des Alters gequält, entwickelt er eine ihm bisher unbekannte Besessenheit für Consuela. Oder ist es sogar Liebe?

    Philip Milton Roth wurde 1933 in Newark, New Jersey, geboren. Er gilt als einer der wichtigsten US-amerikanischen Schriftsteller der Gegenwart. „Elegy“ basiert auf seinem Kurzroman „Das sterbende Tier“ aus dem Jahre 2001. Der Roman ist nach „Die Brust“ (1972) und „Der Professor der Begierde“ (1977) bereits der dritte über den fiktiven Professor Kepesh. „Elegy“ ist die fünfte Verfilmung eines Romans von Philip Roth, doch mit Isabel Coixet übernimmt zum ersten Mal eine Frau die Regie. Die Spanierin ist 1962 in Barcelona geboren. Der Durchbruch gelang der jungen Regisseurin und Autorin 2003 mit „Mein Leben ohne mich“ sowie mit dem Nachfolger Das geheime Leben der Worte, der bei den Goyas 2006 in den Kategorien „Bester Film“, „Beste Regie“, „Bester Produzent“ und „Bestes Original-Drehbuch“ gewinnen konnte. Dass nun gerade Coixet, die sich bisher durch ihren sensiblen Umgang mit ihren Heldinnen hervorgetan hatte, sich der Geschichte eines Philip Roth widmet, ist natürlich interessant. Wie würde sie mit dem „männlichen“ Stoff umgehen?

    Die hohen Erwartungen an den Film erfüllen sich leider nur bedingt. „Elegy“ lässt den Zuschauer etwas ratlos zurück. Auf der einen Seite agiert der Virtuose Ben Kingsley (Sexy Beast, Gandhi) souverän und schafft ohne große Anstrengungen mit Kepesh – auch wenn die Figur des alternden Professors, der sich in eine Schülerin verliebt, schon oft gesehen vorkommen mag – einen neuen, unverwechselbaren Charakter. Penélope Cruz (Volver, Vanilla Sky) ist gewohnt reizend und verleiht ihrer Figru darüber hinaus interessante melancholische Züge. Und auch die Nebenrollen sind vorzüglich besetzt: Patricia Clarkson (The Station Agent) als Kepeshs’ Affäre Carolyn, Peter Sarsgaard (Garden State) als Kepeshs’ Sohn und Dennis Hopper ([Giganten]]) als George, dem besten Freund Professors. Auf der anderen Seite will die „Liebesgeschichte“ – wenn man es denn so nennen will – zwischen den beiden nicht so recht zünden. Auch die deutsche Kritik war sich über den Film nicht so recht einig. Ist der Film „exzellent gefilmt und brillant gespielt“ (Joachim Kurz auf kinozeit.de)? Oder handelt es sich eher um eine „rührende Parabel auf die Liebe, Schönheit und deren Vergänglichkeit“ (Andreas Borcholte im Spiegel) oder doch um eine von diesen „unappetitlichen, sabbernden Altmännerfantasien“ (Mark Stöhr in Die Zeit)? Oder ist „Elegy“ vielleicht doch einfach „unfiebrig gut“ (Jan Schulze Olaja im Tagesspiegel)?

    Kaum leugnen lässt sich, dass die Beziehung von Consuela und Kepesh wie der ganze Film nur sehr wenig Fieber hat. Denn: Der Film behauptet Kepeshs Besessenheit, aber er zeigt sie nicht. Genauso wenig wird klar, was Consuela mit dem immer schrulliger werdenden Professor verbindet. Mehr als die Aussage, dass er sie schön finde, bekommt sie von dem Mann nicht. Da wird unterstellt, dass zwei Menschen einen Film lang magnetisch von einander angezogen werden, doch dies wird nie wirklich spürbar. Und das ist natürlich ein Problem: ein Liebesfilm ohne Feuer, ohne Leidenschaft. So werden es viele Zuschauer schwer haben, von dieser filmischen Abhandlung der Romanvorlage emotional berührt zu werden. Aber auch auf intellektueller Ebene fordert Coixets Film nicht wirklich heraus. Wird dem Roman noch zugestanden, dass er sich ausgehend von der Affäre zwischen Kepesh und Consuela mit sehr viel mehr – den Hinterlassenschaften der sexuellen Revolution und dem vereinsamenden Menschen in der modernen Gesellschaft beispielsweise – auseinandersetzt, spürt man von der Bearbeitung solcher Themen im Film wenig bis nichts.

    Fazit: So gut wie bei Roth funktioniert bei Coixet der Komplex aus den Emotionen der Figuren und der gesellschaftlichen Dimension der Geschichte nicht. Ihr Film schafft es trotz vieler unbestreitbarer Qualitäten weder, den Zuschauer emotional in die Geschichte einzubinden und ihn intellektuell herauszufordern. „Elegy“ ist ein toll gespielter und fotografierter Film ohne Feuer.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top