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    Mimzy - Meine Freundin aus der Zukunft
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Mimzy - Meine Freundin aus der Zukunft
    Von Andreas Staben

    Einer der einflussreichsten Produktionschefs Hollywoods wechselt für „Mimzy – Meine Freundin aus der Zukunft“ die Seiten und führt selbst Regie. Diese nicht alltägliche Konstellation prägt das Fantasy-Märchen unübersehbar. Als Bob Shaye 1967 New Line Cinema gründete, war der Erfolgsweg der Firma in der sich stetig wandelnden Filmindustrie nicht abzusehen. Den stets drohenden Konkurs konnten Shaye und seine Mitstreiter Mitte der 80er Jahre nur mit Hilfe von Freddy Krueger abwenden. Wes Cravens Serienkiller hielt in Nightmare - Mörderische Träume erstmals Einzug in unsere Albträume und entwickelte sich unverhofft zu einem Zuschauermagneten - dem Überraschungshit folgte eine langlebige Filmserie. Seit 1996 operiert New Line nun als selbständige Einheit unter dem Dach des Megakonzerns Time Warner. Nachdem Shaye mit seiner Entscheidung, dem klinkenputzenden Peter Jackson den Lebenstraum zu erfüllen und das monumentale „Herr der Ringe“-Epos zu produzieren, finanziell ins Schwarze getroffen hat, kehrt er 17 Jahre nach der wenig beachteten Coming-Of-Age-Komödie „Nachhilfe in Sachen Liebe“ für „Mimzy“ auf den Regiestuhl zurück. Und verwirklicht ein Musterbeispiel des allzu perfekt konfektionierten Unterhaltungsfilms für die ganze Familie.

    Die Schule ist eine Plage und das ganze Leben eine Last: Der zehnjährige Noah (Chris O'Neil) verkriecht sich am liebsten hinter Computerspielen. Das ändert sich erst, als er mit seiner aufgeweckten kleinen Schwester Emma (Rhiannon Leigh Wryn) am Strand eine geheimnisvolle Box entdeckt. Ihr Inhalt, den die Geschwister für Spielzeug halten, ist magisch und verleiht den Kindern erstaunliche Fähigkeiten. Ein reichlich zerzaustes Stoffkaninchen namens Mimzy offenbart sich der kleinen Emma gar als Abgesandter aus der Zukunft mit der Mission, die Menschheit vor dem Untergang zu retten. Gene aus der Gegenwart sollen unseren Nachfahren Rückbesinnung und Neubeginn ermöglichen. Die Geschwister versetzen ihre Eltern und andere Erwachsene mit ihrem rätselhaften Verhalten in Aufregung und Sorge. Als der Junge beim Experimentieren einen Stromausfall in der ganzen Stadt verursacht, werden auch die Sicherheitsbehörden auf die Familie aufmerksam. Der Inhalt der Kiste wird in einem Regierungslabor untersucht und die Kinder müssen erneut ungeahnte Talente zeigen, um Mimzy zu helfen, seinen Auftrag zu erfüllen.

    Als der Produzent Michael Phillips vor über zehn Jahren mit der Idee an New Line herantrat, die 1943 unter dem Pseudonym Lewis Padgett vom schriftstellernden Ehepaar Henry Kuttner und C.L. Moore veröffentlichte Kurzgeschichte „Mimsy Were The Borogoves“ zu verfilmen, sah er das Projekt in der Tradition der beiden Spielberg-Klassiker Unheimliche Begegnung der dritten Art (an dem Phillips als Co-Produzent beteiligt war) und E.T. - Der Außerirdische. Die dort so überzeugend eingenommene Perspektive kindlichen Staunens angesichts des Unbekannten und Übersinnlichen nimmt „Mimzy“ recht erfolgreich auf. Das Porträt der Kinder und ihrer eigenen Wirklichkeit ist einer der gelungensten Aspekte des Films. Shaye und seine Autoren nehmen die jungen Protagonisten ernst und die beiden Darsteller zeigen sehr einnehmende Präsenz. Vor allem Rhiannon Leigh Wryn, die schon in Hulk zu sehen war, gelingt es mit großer Natürlichkeit, auch die schwierigen Szenen mit Mimzy emotional zu erden. Und Chris O'Neil trägt gehörig dazu bei, dass Noahs wachsendes Selbstbewusstsein als schlüssige Entwicklung und nicht (nur) als moralische Lektion erscheint. Wenn der Junge dank des ausführlichen Trainings an der Spielekonsole erfolgreich einen echten Truck steuert, dann ist der kindliche Spaß ansteckend und der Film erreicht einen seiner Höhepunkte an Stimmung und Spannung.

    Während sich bei Spielberg emotionale Wirkung und gedankliche Klarheit zu überwältigenden Kinoerlebnissen verbinden, leidet Shayes Film deutlich darunter, dass zu viele gegensätzliche Ideen und Elemente nebeneinander gestellt werden. Die Allegorie über die Menschheit nach dem Verlust der Unschuld – zentral in der im Krieg entstandenen Vorlage – wird im Film zur halbherzig aktualisierten Randnotiz. Nicht nur darin ist „Mimzy“ anzumerken, dass etwa ein Dutzend Drehbuchfassungen erstellt wurde, unter anderem von Bruce Joel Rubin (Ghost - Nachricht von Sam) und James V. Hart (Contact).

    Von den besorgten und verständnislosen Eltern, die nur durch das Einfühlungsvermögen der Schauspieler (Joely Richardson, Timothy Hutton) ein wenig mehr sind als reine Gegenentwürfe zur aufgeschlossenen Kinderwelt, über die hysterische Babysitterin bis hin zur Lehrersfrau auf obskurem Buddhismus-Trip und zur Garten-Eden-Ästhetik von Prolog und Epilog – Shaye besitzt keine Sensibilität für den spirituellen Gehalt der Konflikte und Themen. Vielmehr funktioniert sein Film wie ein esoterischer Gemischtwarenladen, in dem der Traum vom Lottogewinn als die klarste Glücksverheißung erscheint und wenige visuell beeindruckende Momente mit bemühter Cleverness (wie etwa beim „Exorzisten“-Zitat oder bei den überflüssigen, nichtssagenden Anspielungen auf die Politik nach dem 11. September) konkurrieren müssen.

    Shaye geht den Weg des geringsten Widerstands, verzichtet auch dort nicht auf Gags (es sei nur das Stichwort Intel genannt), wo sie der Emotionalität seiner Erzählung zuwiderlaufen. Das macht „Mimzy“ abwechslungsreich und oft unterhaltsam, aber wo es jedem recht gemacht werden soll, droht die Beliebigkeit. Wer in diesem Genre die persönliche Vision einer singulären Künstlerpersönlichkeit sehen will, schaut lieber die erwähnten Spielberg-Filme.

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