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    Saw IV - Sterben war gestern
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Saw IV - Sterben war gestern
    Von Christoph Petersen

    Der sägenschwingende Killer Jigsaw ist zwar nicht Death Proof, immerhin hat der krebskranke Psychopath am Ende von Saw 3 endgültig das Zeitliche gesegnet, doch dafür scheint das Saw-Franchise an sich zumindest „critic proof“ zu sein: Auch wenn die beiden ersten mittelprächtigen bis mäßigen Fortsetzungen überwiegend katastrophale Kritiken geerntet haben und die Reihe längst zum bloßen Selbstzweck verkommen ist, sich bei den Machern alles nur noch ums sichere Geldscheffeln dreht, rennen die Hardcore-Fans weiterhin unbeirrt in Scharen ins Kino. Noch bevor Darren Lynn Bousmans „Saw 4“ am Startwochenende knapp 32 Millionen Dollar am US-Box-Office eingespielt hat, wurden bereits Saw 5 und Saw 6 von offizieller Seite bestätigt. Und so ist es wahrlich kein Wunder, dass die Macher sich weiterhin sklavisch an ihre bewährte Mischung halten: Perverse Todesfallen, eine fragwürdige Selbstjustiz-Moral und (mit Ausnahme von Jigsaw) austauschbare Charaktere – fertig ist ein ebenso blutiges wie wirres Horrorgemenge, bei dem im neuerlichen Aufguss endgültig keine rechte Spannung mehr aufkommen will.

    „You think the game is over, just because I´m dead? It´s not over, the games have just begun!“ (John Kramer)

    Der Serienmörder Jigsaw aka John Kramer (Tobin Bell) und seine gelehrige Schülerin Amanda (Shawnee Smith) sind tot. Nachdem die Polizei die Leiche von Detective Kerry (Dina Meyer) entdeckt hat, schalten sich die Agenten Strahm (Scott Patterson) und Perez (Athena Karkanis) in den Fall mit ein. Offiziell, um Detective Hoffman (Costas Mandylor) beim Ordnen von Johns Hinterlassenschaften zu unterstützen. In Wahrheit jedoch verfolgen sie Spuren, die auf einen Maulwurf innerhalb des Polizeiapparats hindeuten, der mit dem Killer zusammengearbeitet haben soll. Auch nach seinem Ableben sind Jigsaws mörderische Spiele noch lange nicht vorbei. Als nächstes tappt SWAT Commander Rigg (Lyrig Bent) in eine der perversen Fallen. Ihm bleiben 90 Minuten, um zu verhindern, dass der überraschenderweise noch lebende Eric Mathews (Donnie Wahlberg) gehängt und der entführte Hoffman gegrillt werden. Doch auf dem Weg zum Ziel muss Rigg erst eine ganze Reihe von schwierigen, ihn zum Äußersten treibenden Tests durchlaufen. Offensichtlich versucht Jigsaw nun nach seinem Tod, Rigg im Verlauf der blutigen Odyssee zu seinem Nachfolger zu erziehen...

    CHERISH YOUR LIFE – Jigsaws Leitspruch

    Bisher galt Jigsaw nur als ein durchgeknallter Serienkiller. Und die spannendste Frage in Erwartung des vierten Teils war natürlich, wie die Macher mit dieser Figur nun nach ihrem Ableben weiter verfahren würden. Belassen sie es einfach bei seinem Tod oder erheben sie Jigsaw in den Stand des absoluten Bösen – immerhin haben die Antagonisten der anderen großen Horrorreihen, also Michael Myers (Halloween), Jason Voorhees („Freitag, der 13.“) und Freddy Krueger („Nightmare – Mörderische Träume“), auch erst nach ihrem Tod so richtig losgelegt. Die Antwort auf diese Frage ist, dass die Macher in „Saw 4“ zweigleisig fahren: In der ersten Szene des Films wird John obduziert, seine Kopfhaut abgezogen, die Schädeldecke mit einer elektrischen Säge abgetrennt, das Gehirn entnommen und gewogen, Bauch- und Brustbereich werden geöffnet, die Rippen durchtrennt und die einzelnen Organe herausgeschnitten. Ist der legendäre Jigsaw-Killer etwa doch nur ein stinknormaler Mensch?

    Doch dann findet der Gerichtsmediziner im Magen eines der berüchtigten Tonbänder – Jigsaw hat eine letzte Nachricht hinterlassen, das Böse lebt in seinen Eingeweiden weiter. Hierbei hätte man es besser belassen sollen, es wäre ein starker Abgang gewesen, doch die Entmystifizierung geht unbeirrt weiter. In einem Verhör, in dem Johns Ex-Frau Jill (Betsy Russell) in die Mangel genommen wird, werden die gesammelten Hintergründe von Jigsaws Motivation in allen Einzelheiten aufgerollt. Bei dieser gründlichen Vergangenheitsbewältigung treibt es der Film ganz einfach zu weit. Zum einen, weil die Rückblenden insgesamt viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen und die aktuelle Story so immer wieder unnötig zum Stillstand kommt. Zum anderen, weil die Aufdeckung aller Geheimnisse Jigsaw seiner diabolischen Aura beraubt – ein ähnliches Problem wie das, mit dem der Kannibalen-Charakter des Hannibal Lecter in Peter Webbers Hannibal Rising zu kämpfen hatte.

    In Saw beschränkte sich der Überlebenskampf von Adam und Dr. Lawrence Gordon noch auf ein schäbiges Badezimmer. In Saw 2 war es dann ein Haus, in Saw 3 gar eine ganze Fabrik, in denen Jigsaw seine perversen Fallenparcours errichtete. Doch mit der zunehmenden Ausweitung der Kampfzone wurde die Spannung jedes Mal geringer. Und in „Saw 4“ wird Rigg nun durch die ganze Stadt gehetzt. Allerdings sieht man dabei immer nur, wie er irgendwo ankommt, mit einer Falle fertig werden muss, und sich schließlich zum nächsten Ort aufmacht. So erweist sich Riggs Odyssee als recht hastig und unzusammenhängend. Atmosphäre will so gut wie gar keine aufkommen. Auf der anderen Seite wird der übliche Saw-Plot noch um ein Whodunit?-Element erweitert: Wer ist der geheimnisvolle Maulwurf, der angeblich mit Jigsaw gemeinsame Sache machen soll? Die Auflösung kommt schließlich ein wenig beliebig und ohne nachvollziehbare Begründung daher. Doch so wie man den Hang der Reihe zum Vergangenen kennt, kann man wohl damit rechnen, dass dieser eher schwachbrüstige Schlusstwist in Saw 5, Saw 6, usw. noch weiter unterfüttert werden wird.

    Johns Entwicklung zum Serienkiller, ein Whodunit?-Rätsel und schließlich Riggs Kampf gegen die Zeit, Jigsaws Fallen und sich selbst – eine ganze Menge Stoff für knappe 95 Minuten Laufzeit. Und wirklich wirkt „Saw 4“ auf Grund dieses Nebeneinanders der Handlungsstränge schlussendlich ziemlich ausgefranst, was dem Aufkommen von Spannung selbstredend wenig zuträglich ist. Doch nicht nur die vielen roten Fäden, auch die zu zahlreichen Charaktere rauben der Handlung Tempo und Fokus. Im Schatten von Tobin Bell (Die Firma, Schneller als der Tod) als Killer, Costas Mandylor („Picket Fences – Tatort Gartenzaun“) als Chefermittler Detective Hoffman und Lyrig Bent (Skinwalkers) als Opfer bleiben vor allem die beiden von Scott Patterson („Gilmore Girls“) und Athena Karkanis dargestellten FBI-Agenten vollkommen blass. Auch hätte man sich beim Wiedersehen mit alten Bekannten etwas zurückhalten können: Dina Meyer (Starship Troopers) als Ur-Ermittlerin Kerry, Donnie Wahlberg als Draufgänger-Polizist Eric Mathews aus Saw 2 und schließlich Shawnee Smith (Die Insel) als Jigsaw-Schülerin Amanda Young – sie alle erhalten hier ihren meist nur sehr kurzen Auftritt. Dabei wird man das Gefühl nicht los, dass es den Machern in erster Linie wohl darum ging, die Schauspielernamen in die Besetzungsliste der imdb eintragen zu können, um so die wilden Spekulationen in den Fanforen weiter anzufachen.

    Auch wenn sich der tiefere Sinn vieler Charaktere nicht sofort erschließen will, wird ihre Funktion doch an ihrem blutigen Ende stets mehr als deutlich – sie werden in den Gore-Szenen als Futter für Jigsaws Todesapparate verheizt. Dabei ist man, ungewöhnlich für ein Horror-Sequel, in Sachen Radikalität diesmal im Vergleich zum Vorgänger einen Schritt zurück gegangen. Sicherlich ist das langsame Abziehen der Kopfhaut vom Schädel einer Blondine immer noch extrem genug, doch an die körperlichen Schmerzen, die das Ringe-aus-der-Haut-Reißen in der Eröffnungssequenz von Saw 3 verursacht hat, oder den Ekel, den die vergammelten Schweinekadaver erregt haben, reicht keine der Fallen in „Saw 4“ heran. Auch sind die Gore-Sequenzen deutlich rasanter geschnitten und schneller zuende. Es wirkt fast so, als ob Regisseur Bousman viel lieber in Ruhe seine Thrillergeschichte erzählen würde und die harten Einschübe nur noch als notwendiges Übel mitschleift, weil sie nun einmal den Wiedererkennungswert des Saw-Franchises ausmachen.

    Fazit: Genau wie sein Vorgänger dümpelt auch „Saw 4“ qualitativ im unteren Horror-Mittelfeld herum. Es werden zwar zahlreiche dunkle Flecken in Jigsaws Historie beleuchtet und ein paar perverse Fallen gibt es auch wieder zu „bewundern“, doch Spannung will bei dem zerfaserten, sich um zu viele Charaktere und Handlungsstränge drehenden Treiben nie so recht aufkommen.

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