Was gab es nicht schon für Peinlichkeiten bei der deutschen Titelgebung (und wird es weiter geben). Die deutschen Verleiher machen nicht selten eine unglückliche Figur. Regisseur Matthias Keilich und der Verleih Neue Visionen sorgen nun für eine äußerst wohltuende Abwechslung und bieten mit „Die Könige der Nutzholzgewinnung“ den mit Abstand originellsten Titel der Saison auf. Doch kann die skurrile Tragikomödie die geweckten Erwartungen auch erfüllen? Durchaus! Keilichs Kinodebüt ist ein liebevoller kleiner Film, dem nur noch ein bisschen mehr Biss gut getan hätte, der aber ansonsten ordentlich unterhält.
Vor zwölf Jahren ist der Waldarbeiter Krischan (Bjarne Mädel) über Nacht aus seinem Ostharzer Heimatdorf Wipfel verschwunden und in die (West-)Welt ausgezogen. Bei seiner Rückkehr hält sich die Begeisterung der Einheimischen auch stark in Grenzen. Seine Ex-Freundin Ellen (Christina Große) lässt ihn gar nicht erst in die Wohnung, eröffnet Krischan aber, dass der kleine Peter (Max Reschke) sein Sohn sei. Seine besten Kumpel Ronnie (Frank Auerbach) und Bert (Steven Merting) sind hin- und hergerissen, die Wiedersehensfreude ist geteilt, ließ Krischan die beiden doch mit einem Berg von Schulden aus einem fehlgeschlagenen Geschäft mit tiefgekühlten Broilern (der ostdeutsche Begriff für Brathähnchen) sitzen. Der Tagedieb Krischan behauptet, in Kanada als Holzfäller gearbeitet zu haben, doch je mehr er davon erzählt, desto weniger glauben ihm die Leute. Als Ronnie und Bert ihr Geld einfordern, wagt Krischan die Flucht nach vorn. Er will in Wipfel einen Holzfällerwettbewerb für Arbeitslose veranstalten, um die Kohle zusammen zu bringen. Nach anfänglicher Skepsis findet er Mitstreiter und das von Arbeitslosigkeit gebeutelte Dorf erwacht ganz langsam aus seiner Apathie...
Matthias Keilich, Absolvent der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin, hat bei dem ersten Werk nach seinem Abschlussfilm „Nicht Fisch nicht Fleisch“ nicht nur einen außergewöhnlichen Titel im Gepäck, sondern auch eine originelle Grundidee. Aber damit nicht genug, der Regisseur versucht auch ein Feld zu beackern, auf dem bisher vor allem die Briten unschlagbar waren: die skurrile Sozialkomödie. Während die Filmemacher von der Insel in Erfolgen wie „Ganz oder gar nicht“ oder Lang lebe Ned Devine eine charmante Lässigkeit hervorzaubern, tun sich deutsche Regisseur mit dem Aufbieten dieses federleichten Lebensgefühls trotz sozialer Härte traditionell schwer und bemühen sich auf diesem Gebiet in der Regel erst gar nicht. Detlev Buck tat dies 1993 mit dem superben „Wir können auch anders...“ (mit Joachim Król) eindrucksvoll, doch viel mehr Herausragendes drängt sich nicht auf. Filme wie zum Beispiel Billy Elliot glänzen mit einer exakten Milieuzeichnung und sind andererseits unglaublich warmherzig. Diesen unaufdringlichen Charme von Land und Leuten fing auf der deutschen Seite niemand besser ein, als Peter Lichtefeld in seinem meisterhaften Road-Movie Zugvögel ... Einmal nach Inari.
„Die Könige der Nutzholzgewinnung“ erreicht zwar nicht die Spitze des Genres, aber frischen Wind bringt der Film dennoch. Die Charaktere sind wirklich sehr lebensnah gezeichnet. Und Hauptdarsteller Bjarne Mädel (der Berthold „Ernie“ Heisterkamp aus „Stromberg“) schafft es tatsächlich, den großmäuligen Nichtsnutz Krischan sympathisch aussehen zu lassen - ein kleines Kunststück, das an die britischen Vorbilder erinnert. Seine Co-Stars Frank Auerbach („Nachbarinnen“) und Steven Merting (bekannt aus diversen TV-Krimis wie „Polizeiruf 110“, „Wolffs Revier“ oder „Ein Fall für zwei“) überzeugen ebenso, obwohl Merting sein Mamasöhnchenklischee hier und da überzieht. Auerbachs Darstellung zwischen Tragik und Komödie, zwischen Frust, Leid, Tristesse und einer leisen Hoffnung auf Besserung ist einen Tick stärker. Christina Große („Wilsberg“, „Tod im Park“, „Netto“) verdient sich auch noch eine lobende Erwähnung, weil sie ihre Figur erfrischend unprätenziös interpretiert.
„Die Könige der Nutzholzgewinnung“ thematisiert das soziale Elend im maroden Osten, aber es wird weder verharmlost, noch dramatisiert. Vielmehr nutzen die Autoren Keilich und Khyana el Bitar dies, um liebevolle Schrulligkeiten humorvoll unters Kinofolk zu bringen. Von einer Milieustudie ist der Film noch ein Stück weit entfernt, aber die Absicht und das Ziel ist erkennbar, gute Ansätze sind vorhanden. Dass die „Nutzholzgewinner“ im Endeffekt nicht auf ganzer Linie überzeugen können, hat zwei hauptsächliche Gründe. Dem Autorenduo gerät die Geschichte im Finale eine Spur zu süßlich (und vorhersehbar), was eine gewisse Konsequenz vermissen lässt. Zum anderen fehlt dem Film über nahezu die gesamte Dauer der letzte Biss, der Humor ist oft zu harmlos angelegt. Nett und unterhaltsam ist das, was „Die Könige der Nutzholzgewinnung“ über 90 Minuten präsentieren. Aber das ist doch auch schon etwas. Der beste Witz des Films bleibt übrigens unkommentiert. Was soll man schon von einem Kaff erwarten, das Elend (der Nachbarort von Wipfel) heißt...