Es gibt Regisseure, die fallen dem Publikum ein Leben lang nicht auf, weil ihre Filme und Inszenierungen so beliebig und austauschbar sind, dass es sowieso nicht interessiert, welcher Auftragsfilmemacher gerade die Zügel in der Hand hält. David Slade, der in der Werbebranche zuvor zum Star aufgestiegen war, brannte sich jedoch gleich mit seinem Kinodebüt Hard Candy nachhaltig ins Gedächtnis der Zuschauer ein. Die einen lieben sein provokantes Kammerspiel, die anderen verteufeln es. Doch davon ungerührt zu bleiben – ob nun positiv oder negativ – ist einfach unmöglich. Deshalb verwundert es etwas, mit welchem Zweitling Slade nun an den Start geht. Der Vampir-Horror-Thriller „30 Days Of Night“ glänzt zwar durch ein ausgezeichnetes Setting, verliert sich aber schlussendlich im Mittelmaß, da die Garde der Kehlenbeißer nicht überzeugen kann.
In Barrow, Alaska, gehen die Uhren ein wenig anders. In der nördlichsten Siedlung der USA ereignet sich alljährlich ein spektakuläres Naturschauspiel, das die Bewohner jedoch eher in Depressionen stürzt, als sie zu erfreuen. Für 30 Tage lässt sich die Sonne nicht blicken und das tief verschneite Kaff dämmert im spärlichen Kunstlicht vor sich hin. Stella Oleson (Melissa George), deren Ehe mit Eben (Josh Hartnett) in einer tiefen Krise steckt, will Barrow mit dem letzten Flugzeug verlassen. Pikant: Stella ist die Assistentin des Sheriffs und der ist zufällig auch noch ihr Mann Eben. Doch es kommt anders: Ein Autounfall verhindert ihre Abreise, der Flieger ist weg und sie hängt für 30 Tage fest – denn in dieser Zeit ist der Ort von der Außenwelt abgeschnitten. Das Unheil kündigt sich langsam an. Zunächst muss Sheriff Oleson einen Tierschänder stellen, der eine Rotte Schlittenhunde massakriert hat. Doch schon bald geht es auch den Menschen äußerst unsanft an den Kragen. Die Prophezeiung („The cold is not the weather, it’s death approaching“) des Fremden (Ben Foster), der dem Dorf das Aussterben voraussagt, scheint einzutreten. Eine Gruppe Untoter um den Chefvampir Marlow (Danny Huston) hat reichlich Blutdurst und sucht diesen innerhalb der 30 Tage Dunkelheit brutal zu stillen...
2002 erlangte der dreibändige Comic-Roman „30 Days Of Night“ von Steve Niles und Ben Templesmith Kultstatus in einschlägigen Fankreisen. Vom Verleih auf dem Filmplakat vollmundig als „Von Sam Raimi - Macher von The Grudge und Spider-Man“ angepriesen, bleibt erst einmal der Richtigkeit halber festzuhalten, dass der Film wie erwähnt von David Slade ist und nicht von Raimi, der lediglich als Produzent auftritt (wie übrigens auch bei „The Grudge“ von Takashi Shimizu). Die Wahl Slades ist eine gute, dass der Film nicht über den Durchschnitt hinauskommt, hat vielmehr damit zutun, dass sich die Vampirgeschichte, die als Graphic Novel noch so hervorragend funktionierte, auf der großen Leinwand arg ins Stottern gerät.
„30 Days Of Night“ begeistert zunächst einmal durch die sehr stimmungsvolle Einführung des Schauplatzes. Die Idee, das reale Barrow, Alaska, wo zwischen dem 18. November und dem 24. Januar kein Sonnenstrahl aufzieht, in den Mittelpunkt eines Kinofilms zu stellen, ist hervorragend. Es herrscht eine Atmosphäre, die an John Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt (1982) erinnert, aber mit dem modernen Werbelook eines David Slade überzogen ist. Die Einsamkeit und Isolation ist spürbar, wie es den Menschen zusetzt und diese mürbe macht. Gefällt noch die Einführung des Fremden („Mr. and Mrs. Sheriff, so sweet, so helpless of what is coming“), entwickelt die Figur mit der Zeit ein gewisses Nervpotenzial, weil Ben Foster (grandios in Todeszug nach Yuma, kraftvoll in Alpha Dog) kein Maß findet und seinen Unheilsboten zu sehr überzieht.
Immer wenn die grotesk geschminkte Vampirtruppe um Danny Huston (Der ewige Gärtner, The Number 23) dominiert, fließt zwar das Blut in Strömen, und wird damit Gorehounds erfreuen, doch Furcht und Schrecken können die sabberigen Sauger nicht verbreiten. Vielmehr erinnert das Schauspiel an degenerierte Pantomime, die den Fußgängerzonen dieser Welt entflohen sind und stattdessen Barrow, Alaska, heimsuchen. Dabei ist den Effektkünstlern der WETA-Schmiede (der Film entstand komplett in Neuseeland) kein Vorwurf zu machen. Die Vampire sind schon angemessen eklig. Es ist mehr das Gebaren (inklusive eigener Esperanto-Sprache), das albern wirkt, als das Aussehen. Charmant wirkt hingegen, dass die Bewohner der Kleinstadt offenbar sehr vertraut mit den Regeln des Vampirfilms sind und diese schnell patent anwenden.
„30 Days Of Night“ ist immer dann am stärksten, wenn die stets kleiner werdende Gruppe von Bewohnern in die Enge getrieben wird und um ihr Überleben kämpft. Dabei fährt der Film zwar per Autopilot auf eisernen Genregleisen, doch Slade kann dem Stoff in diesen Phasen Spannung und Atmosphäre entlocken. Dass er etwas drauf hat, untermauern auch einige phantastische Aufnahmen aus der Vogelperspektive, die das Schlachtfeld in wunderbaren Kontrasten von weißem Schnee und rotem Blut überschaubar machen.
Schauspielerisch bietet das Werk annehmbare Leistungen. Es gestaltet sich etwas mühsam, mit dem grummeligen Josh-Hartnett-Charakter (The Black Dahlia, Sin City, Pearl Harbor) warm zu werden, doch Melissa George (The Amityville Horror Mulholland Drive, „Alias“) stellt umgehend den Kontakt zum Publikum her, damit dieses mitleiden kann. Ging Slade in „Hard Candy“ inhaltlich radikal vor, fährt er in „30 Days Of Night“ ebenfalls einen klaren Konfrontationskurs gegen die Zensurbehörden. Ob die Köpfung eines Kindes den Weg von Pressevorstellung über die FSK in den regulären Kinobetrieb übersteht, darf bezweifelt werden. Zuletzt kastrierte die FSK Eli Roths Hostel 2 so sehr, dass von dem (üblen) Machwerk nun gar nichts mehr übrig blieb.
Fazit: „30 Days Of Night“ ist ein recht solider Horror-Thriller mit guten atmosphärischen Werten, der jedoch sein großes Potenzial nicht auszuschöpfen weiß und die Faszination der Vorlage nur zum Teil transportieren kann.