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    The Banquet
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Banquet
    Von Andreas Staben

    Nach dem Welterfolg und den zehn Oscarnominierungen für Ang Lees Epos Tiger und Dragon, setzt die chinesische Filmindustrie gern auf prestigeträchtige Großproduktionen, die Elemente der einheimischen Wuxia-Tradition mit westlichen Erzählmustern verknüpfen. Allein drei der letzten Filme des international bekanntesten Regisseurs aus dem Reich der Mitte, Zhang Yimou (Hero, House Of Flying Daggers, Der Fluch der goldenen Blume), können diesem spezifischen Sub-Genre zugerechnet werden. Beim FantasyFilmFest wird nun die neueste Variante dieser Historienspektakel erstmals in Deutschland gezeigt. „The Banquet“ von Feng Xiaogang hat allerlei zu bieten. Ausgeklügelte Martial-Arts-Action, opulentes Design und perfekte Effekte sorgen für eine verführerische Oberfläche auf höchstem produktionstechnischen Niveau. Hinter der glänzenden Fassade offenbart sich allerdings ein bedauerlicher Mangel an thematischer Substanz und psychologischer Komplexität.

    Der Plot um Liebes- und Machtintrigen am Hof der Tang-Dynastie des 10. Jahrhunderts ist lose an Shakespeares „Hamlet“ orientiert: Der Kronprinz Wu Luan (Daniel Wu), ein künstlerisches Gemüt, hat sich aus Enttäuschung in eine abgelegene Schule für Maskenschauspieler zurückgezogen, nachdem sein Vater, der Kaiser, die junge Wan (Zhang Ziyi) heiratete, die mit Wu Luan seit gemeinsamen Kindertagen romantisch verbunden war. Der Herrscher wird durch seinen Bruder Li (Ge You) umgebracht, der sich selbst zum Kaiser macht und die Witwe Wan zur Frau nimmt. Ein Mordanschlag Lis auf den legitimen Thronfolger schlägt fehl. Danach kehrt Wu Luan an den Hof zurück und in einem stilisierten Maskenspiel stellt er seinen Onkel als Mörder des Vaters bloß. Es folgen weitere Ränke, bei denen der Großmarschall und sein Sohn, Vertraute des ermordeten Kaisers an einem Komplott zur Ermordung Lis teilnehmen. Es ist aber die Tochter des Beamten, Qing Nu (Zhou Xun), die als einzige reine Gefühle hegt und abseits der Machtkämpfe Wu Luan treu ergeben ist. Am Ende liegen in der riesigen Palasthalle, in der Li zum Bankett geladen hat, zahlreiche Leichen.

    Regisseur Feng Xiaogang ist international bisher kaum bekannt, hat aber in China bereits erfolgreich einige Gegenwartsstoffe - hauptsächlich Komödien - verfilmt. „The Banquet“ ist sein erster Ausflug ins Fach des Historien-Dramas. Er hat dafür erfahrene Mitarbeiter aus dem Tiger und Dragon-Team an die Seite gestellt bekommen. Produktionsdesigner und Kostümbildner Tim Yip durfte mit dem Kaiserpalast das mit 180 mal 60 Metern größte Einzeldekor der chinesischen Filmgeschichte entwerfen und Action-Choreograph Yuen Woo-Ping lässt die Akteure wieder einmal dekorativ und rhythmisch durch die Lüfte fliegen. Gerade diese Szenen machen aber auch deutlich, dass Form und Inhalt hier weitgehend unverbunden bleiben. Wo beispielsweise Zhang Yimous Hero durch eindringliche Bildsprache und Farbdramaturgie erst seine ganze Vielschichtigkeit erlangt, bleibt „The Banquet“ eine Folge von oft willkürlich scheinenden Tableaus, die in genüsslichen Kamerafahrten in ihrer Pracht ausgekostet werden. Jede Einstellung ist sorgfältig durchgestylt, doch im Zentrum ist Leere. Feng ergeht sich in wörtlich zu verstehender Schwarz-Weiß-Malerei, er ist an emotionaler Komplexität nicht interessiert. Seine ornamentalen Bildarrangements, bei denen das Cinemascope-Format häufig in der ganzen Breite ausgenutzt wird, bleiben zumeist reine Geometrie und offenbaren kaum einmal ein Gefühl.

    Die Welt ist eine Bühne, sagte schon Shakespeare. Bei ihm war sie aber noch von Menschen bevölkert, bei Feng ist das Maskenspiel Selbstzweck und nur vereinzelt können seine Schauspieler dem visuell beeindruckenden Spektakel Seele einhauchen. Zhang Ziyi (2046) wird ähnlich wie in Die Geisha hauptsächlich als dekorativer Kleiderständer verwendet, zudem ist sie etwas jung für die hier im Zentrum stehende Rolle der verbitterten, zugleich berechnenden und verletzlichen Wan, die angeblich ursprünglich von Gong Li (Miami Vice) gespielt werden sollte. Daniel Wu (New Police Story als Wu Luan muss sich meist hinter einer Maske verbergen, trifft aber mit seiner passiven und zögerlichen Art als verkappter Hamlet durchaus den Kern der Rolle. Die einzige Figur, die eine psychologisch etwas ausgefeiltere Motivation erhält, ist die unglücklich liebende Qing Nu. Bei der Darbietung des todtraurigen Lieds für Wu Luan vor dem versammelten Hofstaat schafft es Zhou Xun (Balzac und die kleine chinesische Schneiderin), extreme Künstlichkeit zu reinem Gefühl gerinnen zu lassen. Überhaupt ist es die Musik des renommierten Tan Dun (Tiger und Dragon, Hero), die noch am ehesten emotionalen Ausdruck transportieren hilft, auch wenn seine schwelgenden Streicherklänge deutlich weniger originell sind als viele seiner östliche und westliche Traditionslinien in einmaliger Weise zusammenführenden Werke für den Konzertsaal.

    Auch die mythologische Unterfütterung der Erzählung, die neben Hero auch Chen Kaiges Wu Ji - Die Reiter der Winde so faszinierend und manchmal fremd erscheinen lässt, hat in „The Banquet“ nur andeutungsweise Platz. Auch die Ausübung der Kampfkünste, die selbst in jedem Krieg der Sterne-Film einen gedanklichen Überbau erhält, ist hier eine mehr oder weniger willkürlich verteilte Fähigkeit. Feng treibt lieber ein endloses Verwirrspiel um Schein und Sein. Reizvolle und sinnfällige Ideen wie das tödliche Pulver, das jemandem wie ein böses Wort ins Ohr geblasen wird, sind selten. Offenbar haben die Filmemacher all zu sehr auf ein internationales Publikum geschielt, in China war die Mischung an der Kinokasse jedenfalls nicht besonders erfolgreich.

    Wer einen Film wie ein abstraktes Strategiespiel betrachten mag, der wird „The Banquet“ womöglich vortrefflich finden. Die übrigen Zuschauer müssen sich allein mit den durchaus nicht unerheblichen sinnlichen Reizen begnügen.

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