„Was Sie schon immer über Zombies wissen wollten“, könnte die reißerische Tagline unter George A. Romeros Genre-Urknall und Start seiner klassischen Untoten-Trilogie lauten, der in „Dawn of the dead“ (1978) und „Day of the dead“ (1985) seine Ausformulierung fand. „Die Nacht der lebenden Toten“ markierte 1968 einen Wendepunkt für den Horrorfilm, brach mit den gängigen Standards – beispielsweise der britischen „Hammer“-Filme und deren Gothic-in-Technicolor-Schmiss – und zeigte als erstes Werk überhaupt das, was man heute mit dem Begriff „Splatter“ assoziiert, in Form von Großaufnahmen menschliche Gedärme verspeisender Zombies. Somit war auch der Voodoo-Hokuspokus vergangener Dekaden passé, die Zombies leiteten mit der Auferstehung aus ihren Gräbern höchstselbst die Erd-Apokalypse ein. Gedreht als spottbilliges Freizeitprojekt, entstand mit „Die Nacht der lebenden Toten“ eine expressionistische Fabel im latenten, aber omnipräsenten Kalter Krieg-Klima, ein beängstigend-klaustrophobisches Szenario einer Extremsituation, das Romero düsterer und pessimistischer wohl kaum hätte auf die Leinwand malen können.
Auf einem abgelegenen Friedhof wird das Geschwisterpaar Barbra (Judith O` Dea) und Johnny (Russell Steiner) von einem seltsam bleichen, torkelnden Mann angefallen. Während Johnny von dem Mann zu Boden geworfen wird und bewusstlos liegen bleibt, kommt Barbra mit dem Schrecken davon und gelangt zu einem scheinbar leerstehenden Farmhaus. Dort trifft sie auf den Afroamerikaner Ben (Duane Jones), dem sie vor lauter Panik zunächst nicht erzählen kann, was passiert ist; der selbst einen besonnenen und umsichtigen Eindruck macht und ihr signalisiert, bereits zu wissen, was ihr widerfahren ist. Ben, der die Türen bereits mit Holzlatten verrammelt hat, und Barbra, sind indes nicht die Einzigen, die sich im Haus verbarrikadieren… vor den – wie auch uns bald gewahr wird – Scharen fressgieriger Untoter da draußen. Auch das junge Pärchen Tom (Keith Wayne) und Judy (Judith Ridley) und das Ehepaar Harry und Helen Cooper (Karl Hardman, Marilyn Eastman) sowie deren verletzte Tochter Karen (Kyra Schon), die sich im Keller versteckt, sind anwesend. Es entbrennt eine hitzige Debatte über die Sicherheitsvorkehrungen und Vorgehensweisen bei der Abwehr der Zombies. Unterdessen sind diese längst im Begriff, sich Zutritt zu dem alles andere als sicheren Refugium zu verschaffen…
Das schutzlose Ausgeliefertsein in einem belagerten Fort - zehn Jahre zuvor noch hatte es Howard Hawks unter den ungleich konservativeren Vorzeichen des US-Western zum Stoff seiner Helden-Elegie „Rio Bravo“ gemacht. Romero nun schickte die Charaktere im übertragenen Sinne in den aussichtslosen Krieg mit sich selbst. Die (noch) Lebenden – aufgrund der äußeren Umstände zum Handeln, zum Treffen von Entscheidungen gezwungen - entblößen in der Ausnahmesituation ihr wahres Gesicht und stehen sich doch in ihrer Eitelkeit gegenseitig im Wege. Die Zombies entziehen sich der weitläufigen Definition von Monstern dadurch, dass sie nicht aus skrupelloser Berechnung über Menschen herfallen und deren Fleisch essen wollen, sondern aus einem fest verankerten Instinkt heraus, um zu „überleben“. Die unbeholfen wankenden Untoten, die man nur mit einem Schuss ins Gehirn auslöschen kann, sind lediglich dann gefährlich, wenn sie in Massen auftreten. Dabei haben sie bei Romero auch immer etwas Bemitleidenswertes, gerade wenn er sie als Projektionsfläche einer triebgesteuerten Konsumgesellschaft nutzt.
Dass die Romantik im Horrorfilm ausgedient hat, ist nicht erst seit Hitchcocks „Psycho“ offiziell. „Die Nacht der lebenden Toten“ legte den Nerv einer von Rassenunruhen und Angst vor einem nuklearen Gau gebrandmarkten (amerikanischen) Gesellschaft frei. Der dunkelhäutige Ben, der vor allem aufgrund seiner Fähigkeit, nicht den Kopf zu verlieren, den Fressmarsch der Zombies überlebt, fällt kurz darauf dem Kugelhagel der übereifrigen Bürgerwehr zum Opfer. Die Bilder der auf dem Scheiterhaufen verbrannten Leichen, zu denen auch Ben zählt, erinnern an Kriegsschnappschüsse und damit an Leid, das von Menschen ausgeht. Die Ursache der eigentlichen Gefahr in „Die Nacht der lebenden Toten“ bleibt ungeklärt. Wo die meisten modernen Epidemieschocker von „28 Days Later“ bis hin zum „The Crazies“-Remake abenteuerlichste Gründe für den Ausbruch einer Seuche auffahren, ist in Romeros Werk nur kurz von einer schwammigen Theorie die Rede, dass die Strahlung eines Gesteins von der Venus für die Katastrophe verantwortlich ist. Letztendlich ist dies jedoch nicht weiter von Bedeutung und spiegelt lediglich die Hilflosigkeit einer Nation im Angesicht des plötzlichen Verlusts der Kontrolle über die staatliche Ordnung.
Der langsame Verfall, den Romero in seinen grobkörnigen, schwach ausgeleuchteten Schwarz-Weiß-Bildern darstellt, überträgt sich auch auf solch verlässliche wie im kollektiven Bewusstsein beinahe selbstverständlich gewordene Institutionen wie Familie, wenn die bereits zum Zombie mutierte Tochter der Coopers den Arm eines Elternteils abnagt. Gilt „Dawn of the dead“ vielen als die Zombiefilm-Referenz, so gebührt der „Nacht der lebenden Toten“ doch die Ehre des Genre-Eckpfeilers, dessen Prämisse noch heute untrennbar mit dem Namen des Regisseurs, Kameramanns und Cutters in Personalunion, George A. Romero, verbunden ist.