Was wäre, wenn…? So beginnen viele spannende Fragen. Eine davon lautet: Was wäre, wenn die amerikanische Millionen-Metropole Los Angeles von Terroristen mit schmutzigen Bomben angegriffen würde? Eine mögliche Antwort darauf gibt Chris Gorak in seinem Regiedebüt „Right At Your Door“. Der Katastrophen-Thriller gefällt durch eine dichte Atmosphäre und ein innovatives Konzept, das aus dem Nachteil des schmalen Budgets durch eine radikale Minimierung des Schauplatzes das Maximum an Effektivität erreicht. Kleine Schwächen in der Charakterzeichnung müssen jedoch in Kauf genommen werden.
Ein Tag wie kein anderer in Los Angeles. Dabei hatte er zunächst ganz gewöhnlich begonnen. In einem Vorort verabschiedet der Künstler Brad (Rory Cochrane, Das Tribunal, A Scanner Darkly) seine Frau Lexi (Mary McCormack, Zimmer 1408, K-Pax), die sich auf den Weg ins Büro nach Downtown zur Arbeit macht. Dann der Schock: Brad hat das Radio laufen, eine Eilmeldung versetzt ihn in akute Panik. In mehreren Stadtteilen sind Bomben hochgegangen, die Regierung ordnet an, dass alle Bürger in ihren Wohnungen bleiben müssen. Doch Brad hält es zuhause nicht aus. Über Downtown L.A. hängen große, schwarze Rauchwolken. Er setzt sich in sein Auto und will Lexi retten, kommt jedoch nicht weit. Die Polizei errichtet Straßensperren und riegelt die angegriffenen Gebiete weiträumig ab. Erste Gerüchte über eine toxische Verseuchung der Stadt machen die Runde. Brad zieht die Notbremse und verbarrikadiert sich in seinem Haus, wie es die Behörden befehlen. Nachbar Alvaro (Tony Perez, Blow) findet noch Zuflucht bei Brad. Nach einer bangen Zeit des Wartens taucht Lexi plötzlich an der heimischen Haustür auf. Doch Brad darf sie nicht hereinlassen. Lexi ist konterminiert. Währenddessen sammeln bewaffnete Militärs in ABC-Schutzanzügen die Überlebenden der Attacken ein und bringen sie in Quarantänezonen…
Ideenarmut. Solche wird von Haus aus und speziell in der Gegenwart des Hollywood-geprägten Mainstreamkinos beklagt. Im Independentbereich hingegen geht es gar nicht ohne besonderen Einfallsreichtum, wenn junge Filmemacher ihre Visionen an Produzenten und Verleiher bringen wollen. Das weiß auch Chris Gorak. Der Quereinsteiger ist Regiedebütant, hat aber bereits die lange Ochsentour hinter sich. Nach seinem Architekturstudium fand er keinen Job und absolvierte ein Praktikum am Set der Stephen-King-Verfilmung „Der Rasenmäher-Mann“ (1992). Gorak diente sich in zahlreichen Produktionen weiter nach oben und stieg zum Art Director (Fight Club, Fear And Loathing In Las Vegas) und Production Designer (Anatomie einer Entführung], Blade: Trinity, Dogtown Boys) auf. Vor dem Schritt zum Schreiben und Regie führen scheute Gorak sich bisher, doch er überwand sich – mit Erfolg. Der Grundgedanke des Filmemachers ist beinahe in jeder Szene allgegenwärtig. Wie mache ich mit wenig Geld einen realistischen Film über die urbane Apokalypse? Und das mit einem Bruchteil des üblichen 100-Millionen-Dollar-plus-x-Budgets der großen Blockbuster.
Und das geht so: Da kein Geld für großspurige Explosionen oder Spezialeffekte da war, reduziert Gorak „Right At Your Door“ radikal und macht daraus im Kern ein kammerspielartiges Zweipersonenstück. Die wenigen weiteren Figuren spielen nur am Rande eine Rolle. Durch einen dramaturgischen Kniff, Brads Fernseher ist defekt, kommt Gorak nicht einmal in die Bredouille, CNN-Bilder von der verheerenden Katastrophe zeigen zu müssen. Die plakative Hysterie einer Massenpanik spart der Regisseur konsequent aus. Durch die Reduktion der Ereignisse auf einen strengen Fokus verdichtet er geschickt die Atmosphäre der Desorientierung. Lediglich das Radio gibt Ton und Takt an. Brad, Lexi und Nachbar Alvaro beziehen alle Informationen über die Radioreportagen. Das Inferno Downtown, das nach den Detonationen von schmutzigen Bomben in hochgiftige Wolken gehüllt ist, ist nur in weiter Ferne zu erkennen. Und dennoch ist dieser Schachzug hochgradig effektiv, weil Brad und der Zuschauer im selben Boot sitzen, keiner mehr weiß als der andere. Doch diese spannende Ausgangsidee trägt nur die erste Hälfte des Films. Deswegen rückt anschließend die persönliche Tragödie zwischen Brad und Lexi ins Zentrum. Er darf sie nicht ins Haus lassen, um sich selbst vor Ansteckung zu schützen, und sie muss darum kämpfen, überhaupt erst einmal am Leben zu bleiben.
Genährt wird dieses menschliche Spannungsfeld von der steten Ungewissheit, was die Militärs im Schilde führen. Brad hat mit ansehen müssen, wie verstrahlte Personen einfach auf offener Straße erschossen wurden. Gorak reizt das traumatische Post-9/11-Klima in den USA voll aus und übersteigert es mit dystopischen Spitzen, die kritisch das (fiktive) Verhalten der US-Regierung aufs Korn nehmen. Als das Szenario jedoch klar abgesteckt ist, zeigt der Film Schwächen, wenn Brad und Lexi ihren persönlichen Überlebenskampf ausfechten müssen. Dann rückt die drohende Apokalypse in den Hintergrund, was etwas an Substanz kostet, da die Auseinandersetzung der Protagonisten für den Zuschauer nicht den erreichten Aufmerksamkeitspegel halten kann und sich kleine Längen einschleichen. Da Gorak aber am Schluss noch einen richtigen Punch im Gepäck hat, ist dieses Schwächeln zu verzeihen und macht aus dem beherzt-intimen Reißer einen sehenswerten Film, der seine vom Senator-Sublabel „Autobahn“ durchaus mal angedachte Kinoauswertung in Deutschland verdient hätte.
Fazit: Chris Gorak gibt mit seinem Debüt gleich eine beachtenswerte Visitenkarte ab. Ähnlich wie Oliver Stone in World Trade Center konzentriert „Right At Your Door“ die Folgen einer riesigen Katastrophe auf einen überschaubaren Wirkungskreis. Dabei zieht der Regisseur seine Linie konsequent durch, bleibt seiner Perspektive treu und lässt die Hintergründe der Anschläge erfreulicherweise völlig im Dunkeln.