Rakeysh Omprakash Mehra nutzt für sein Politdrama „Rang De Basanti – Die Farbe Safran“ all die typischen Stilmittel des heutigen Bollywood-Kinos: Die hippen jugendlichen Charaktere sehen allesamt aus wie Models und tragen die coolsten Klamotten, werden mit schnellen Schnitten und trendiger Musik möglichst modern und begehrenswert in Szene gesetzt. Aber „Rang De Basanti“ erzählt keine Bollywood-typische Liebes- oder Familiengeschichte, sein bis zum Schluss politisch extrem konsequentes Jugendporträt lässt sich vielmehr am ehesten noch mit Mani Ratnams mutigem Terrorismusdrama „Dil Se..“ (1998) mit Megastar Shahrrukh Khan in der Hauptrolle vergleichen. So ist „Rang De Basanti“ zugleich spannende Thriller, ergreifendes Drama und die intensive, wachrüttelnde Rückmeldung der lange für unpolitisch und antriebslos gehaltenen MTV-Generation.
Die junge Londoner Dokumentarfilmerin Sue (Alice Patten) arbeitet schon seit zwei Jahren an einem Film über eine wenig bekannte Gruppe von Unabhängigkeitskämpfern im Indien der 20er und 30er Jahre. Dock kurz vor Drehbeginn bekommen ihre Produzenten kalte Füße, meinen auf einmal, dass sich nur mit Ghandi Kasse machen lasse. Also macht Sue sich ohne ihr Team alleine auf den Weg nach Delhi, wo sie nur von der indischen Studentin Sonia (Soha Ali Khan) bei ihrem Vorhaben unterstützt wird. Die ersten Castings verlaufen katastrophal, die indische Jugend scheint nicht mehr den geringsten Bezug zu den Freiheitskämpfen ihrer Vorfahren zu haben. Doch dann lernt Sue Sonias Freunde kennen: Auch der Draufgänger DJ (Aamir Khan) und seine Kumpels leben einfach in den Tag hinein, haben keine großen persönlichen oder politischen Ambitionen – und dennoch erkennt Sue in ihnen die Helden von damals wieder.
Die ersten Proben schlagen ebenso fehl wie die Castings, DJ und seine Freunde machen nur ihre Späße, nehmen Sues Projekt einfach nicht ernst. Doch mit der Zeit identifizieren sich die Schauspieler immer mehr mit ihren Rollen, bekommen einen Einblick, was es bedeutete, in der damaligen Zeit zu leben. Als nach Abschluss der Dreharbeiten Sonias Verlobter Ajay (Madhavan) bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommt, weil sich die Regierung durch den Kauf von minderwertigen Ersatzteilen aus Russland bereicherte, erwacht das politische Bewusstsein der Jugendlichen völlig. Zunächst demonstrieren sie friedlich. Als sie aber auf Anweisung des korrupten Verteidigungsministers zusammengeschlagen werden und Ajays Mutter (Waheed Rehman) dabei so schwer verletzt wird, dass sie ins Koma fällt, greifen die College-Studenten zu ebenso drastischen Maßnahmen wie ihre Vorfahren während den Freiheitskriegen…
Der Film geht äußerst geschickt dabei vor, die Geschichten der damaligen Rebellen und der heutigen Jugendlichen ineinander zu verweben. Bei den ersten Dreharbeiten sind die Ebenen noch komplett voneinander getrennt, erst sieht man DJ und seine Freunde, dann Ausschnitte aus Sues Dokumentarfilm – kein Wunder, sind die Rollen ihren unpolitischen Schauspielern doch noch so fremd, dass diese einfach nur ihre auswendig gelernten Texte aufsagen. Später aber, wenn die College-Schüler langsam anfangen, ihre Vorfahren zu verstehen, werden die Schnitte zwischen dem heutigen Indien und den safrangelben Filmausschnitten immer schneller. Wenn DJ nach Ajays Tod selbst zum Rebellen wird, verlaufen die Ebenen zunächst sogar parallel, bis sie zum Schluss komplett ineinander verschmelzen. Sowieso hat Regisseur Mehra eine äußerst intelligente Dramaturgie gewählt. Indem er den Zeitraum, indem die Jugendlichen desinteressiert und illusionslos ihrem gemütlichen Leben fristen, weit über die Hälfte des Films ausdehnt, zeigt er, wie schnell selbst jeder Normalo in die Situation kommen kann, für seine Überzeugungen gegen das System kämpfen zu müssen.
Die Mittel, die Mehras Figuren in seinem Film verwenden, sind dann aber in ihrer blutigen Konsequenz mehr als fragwürdig – zumindest die Frage, ob das noch Rebellen oder doch schon Terroristen sind, ist absolut angebracht. Das ist aber durchaus so gewollt. Natürlich will Mehra nicht, dass sich fortan die indische Jugend zusammenrottet, um Jagd auf korrupte Politiker zu machen. Aber durch die extremen Bilder und Taten wird der Zuschauer zumindest dazu angeregt, über das kaputte indische System und seine eigene Verantwortung diesem gegenüber nachzudenken. In erster Linie ist diese Qualität des Films natürlich für den einheimischen Kinogänger von Bedeutung, aber auch der deutsche Zuschauer sollte diese politische Fabel durchaus ernst nehmen – denn auch wenn wir im internationalen Vergleich, was Korruption angeht, noch recht gut liegen, ist sie in bestimmten Bereichen – man nehme nur das Gesundheitssystem – auf keinen Fall zu unterschätzen.
Zu Beginn ist es für den Zuschauer überraschend schwierig in den Film hinein zu finden – dabei ist es doch sonst gerade bei Bollywood-Streifen üblich, dass man sofort in sie hineingesogen wird. Das liegt aber daran, dass sich zunächst alle Charaktere bis auf Sue und Sonia wie rücksichtslose, egoistische Idioten benehmen – mit denen man sich nur schwer identifizieren kann. Das ist aber natürlich ein notwendiges Übel, geht es Mehra doch gerade um die Entwicklung dieser Figuren. Und sobald sie ihre Verantwortung gegenüber anderen erkannt haben, entwickelt der Film dann auch rasendschnell eine ungeheure emotionale Kraft – so dass beim kraftvollen Schluss ruhig die eine oder andere Träne kullern sollte. „Rang De Basanti“ vereint unterhaltsames Bollywood-Kino mit einer wichtigen Aussage und großer emotionaler Schlagkraft – so kann man ihn guten Gewissens als einen der stärksten indischen Filme der letzten Jahre bezeichnen.