Nein, dies ist nicht der beste Film nach einem Drehbuch der Coen-Brüder, das liegt aber einfach daran, dass die beiden Filmemacher schon derart viele Hochkaräter abgeliefert haben, dass die gar nicht so leicht zu übertreffen sind. Aber "Suburbicon" ist definitiv der beste Film von George Clooney seit seinem phänomenalen Polit-Krimi "The Ides of March". In einer rabiaten Mischung aus "Mad Men"-Ästhetik und "Desperate Housewives"-Arglist lässt Clooney den Zuschauer einen Blick hinter die Fassaden klein- und feinbürgerlicher US-Kleinstadtexistenzen der Nachkriegsära werfen. Suburbicon ist eine Vorstadt wie aus dem Ei gepellt, exakt vermessen, aseptisch und klinisch rein wie die heile Welt der "Frauen von Stepford". Und genau wie in der Horror-Satire mit Nicole Kidman trügt auch hier der Schein. Als bösartige Finsterlinge das Haus seiner Eltern (Matt Damon und Julianne Moore) überfallen und die Mutter des kleinen Nicky, aus dessen Sicht die Ungereimtheiten geschildert werden, die sich in seiner Nachbarschaft zutragen, dabei ums Leben kommt, zwingt das den Jungen, einen ersten Blick in den Abgrund aus Doppelmoral und Verbrechen zu werfen, der sich rund um Nicky auftut. Dass er selbst seinem stets korrekten und überstrengen Vater nicht trauen kann, zeigt sich, als Nicky einen der Täter zufällig identifiziert, sein Vormund sich jedoch blind stellt. Was hat der vornehme Herr Papa zu verbergen? Und warum weicht Nickys Tante seit dem tragischen Vorfall nicht mehr von seiner Seite? Einzig der schwarze Nachbarsjunge aus der neu zugezogenen Familie, die ihren ganz eigenen Kampf auszufechten hat, scheint das Vertrauen zu verdienen, das der Junge zumindest am Anfang noch seinen Mitmenschen unvoreingenommen zu schenken bereit ist.
Der Film braucht eine Weile, um Fahrt aufzunehmen. Dann aber kommt der Zuschauer aus dem Staunen über die nach und nach sich offenbarenden Abgründe nicht mehr heraus und ist zusehends gefesselt. Wer sich mit Stoffen der Coen-Brüder auskennt, wird Parallelen zu "The Man Who Wasn't There" und "Burn after Reading" erkennen, auch wenn die Handlung von "Suburbicon" weniger turbulent und verschachtelt ist. Clooney legt augenscheinlich mehr Wert darauf, die von ihm präzise entworfene Vorstadtwelt möglichst detailgenau zu porträtieren, um sie sodann in ihrer Künstlichkeit und Verlogenheit möglichst umfassend entlarven zu können. Durch den sinnfälligen Kontrast zu den "guten" Schwarzen wirkt dieser Ansatz fast ein bisschen zu plakativ. Nicht jeder wird Clooneys Feinarbeit, die zu Lasten der Kompexität und der Spannung geht, zu schätzen wissen. Die Freunde des schwarzen und abgründigen Humors der Coen-Brüder kommen jedoch auch bei diesem Film durchaus auf ihre Kosten.
Das größte Manko des Films ist vielleicht, dass er den durchaus interessanten Nebenhandlungsstrang um die erste schwarze Familie, die es in das scheinheilige Paradies von Suburbicon verschlagen hat und die sich sogleich rassistischen Mobbingmaßnahmen ausgesetzt sieht, zum bloßen Hintergrund für die Haupthandlung verkümmern lässt. Eine konsequentere Ausarbeitung des Erzählstrangs hätte noch mehr originelle Verzahnungen mit der Haupthandlung ermöglicht und der Regisseur hätte dadurch noch das eine oder andere Überraschungsmoment aus dem Hut zaubern können. So trübt am Ende der Eindruck, dass aus der mörderischen Nacht, in der die Handlung kulminiert, noch mehr herauszuholen gewesen wäre, den positiven Gesamteindruck.