In Europa gibt es jede Menge historisch gewachsene Nachbarschaftsrivalitäten, die sich auch in einer fruchtbaren Kultur des Übereinander-Lustig-Machens niederschlagen. Ob es sich um Deutsche und Österreicher, Franzosen und Belgier oder Schweden und Dänen handelt, unabhängig von etwaigen politischen Konflikten werden sprachliche und kulturelle Besonderheiten der Anderen zum Gegenstand von Witzen und Komödien. Kaum ein Verhältnis zweier Nationen scheint aber so reichhaltig, komplex und durch alte Vorurteile geprägt zu sein wie das zwischen England und Frankreich. „Asterix bei den Briten“ ist nicht umsonst ein besonders gelungener Klassiker der Comic-Reihe und auch Louis de Funès hat als „Balduin, der Ferienschreck“ schon seine Abenteuer im exotischen England erlebt. Nun versucht Antoine de Caunes mit seiner Komödie „Wir verstehen uns wunderbar“ weitgehend erfolglos aus den Klischees neue amüsante Funken zu schlagen, frei nach dem Motto seines Protagonisten: „Männer kommen vom Mars, Frauen von der Venus und die Engländer aus England.“ Leider eliminiert die deutsche Fassung eines der wesentlichen komischen Elemente des Films, denn fatalerweise wird der Titel „Wir verstehen uns wunderbar“ wörtlich genommen. Es wird deutsch gesprochen, egal ob es sich im Original um englischen oder französischen Dialog handelt. Über Missverständnisse, Akzente und absichtliche Wechsel der Sprache wird munter hinwegsynchronisiert. Auf diese Weise geht einer ohnehin misslungenen Komödie jede subtile Note vollends verloren.
Sie waren in den Siebzigern das Traumpaar des französischen Kinos: Regisseur Louis Ruinard (Jean Rochefort) und seine Muse, die aus England stammende Schauspielerin Alice d'Abanville (Charlotte Rampling). Die private und berufliche Liaison endet abrupt, als Alice 1975 unvermittelt Paris verlässt und in ihre Heimat zurückkehrt. 30 Jahre später kommt Louis, der inzwischen nur noch seichte Komödien dreht, nach London, um dort sein neuestes Werk zu filmen. Anlässlich einer Preisverleihung soll der Regisseur eine Auszeichnung für sein Lebenswerk erhalten. Als Laudatorin ist die mittlerweile mit einem Lord (Ian Richardson) verheiratete und zum großen Star des britischen Theaters avancierte Alice vorgesehen. Die Wiederbegegnung verläuft turbulent. Kleine Boshaftigkeiten und spitze Bemerkungen können nicht verbergen, dass immer noch starke Gefühle im Spiel sind. Zudem fühlt sich Louis auf überraschende Weise mit Alices erwachsenem Sohn Paul (James Thiérée) verbunden...
Antoine de Caunes ist in Frankreich ein sehr bekannter TV-Moderator, Komödiant und Schauspieler. Der Erfolg seiner schrillen Comedy-Shows erlaubt es ihm, sich auch in anderen Sparten und Genres zu versuchen. So hat er zwei Kriminalromane geschrieben und legt mit „Wir verstehen uns wunderbar“ bereits seinen dritten Film als Regisseur vor – sein Erstling, der Vampirfilm „Love Bites“ ist auch in Deutschland auf DVD erschienen. Nach eigenem Bekunden hegt de Caunes eine besondere Affinität zu England und zum britischen Humor. Leider lässt sich in seinem Film aber etwa von der feinsinnigen, mit Bonmots gespickten Gesellschaftskomödie im Stil von Oscar Wilde oder George Bernard Shaw nichts wiederfinden. Ihm fehlt zudem die stilvolle Eleganz, die Ernst Lubitsch ähnlichen Stoffen in seinen Hollywood-Filmen wie „Ärger im Paradies“ und „Serenade zu Dritt“ angedeihen ließ.
Wo der Altmeister Pointen durch Auslassung setzte und delikate Zusammenhänge rein visuell zum Ausdruck brachte, verlässt sich de Caunes einzig auf das Charisma seiner Schauspieler, was sich besonders im Fall des armerudernden und grimassierenden Rochefort („Ein Elefant irrt sich gewaltig“, „Der Mann der Friseuse“, Mr. Bean macht Ferien) als krasse Fehlkalkulation erweist. Die Besetzung der zwischen England und Frankreich pendelnden Alice mit der in beiden Ländern und in beiden Sprachen gleichermaßen beheimateten Charlotte Rampling („Der Nachtportier“, „Stardust Memories“, Swimming Pool, In den Süden) ist dagegen zwar offensichtlich, aber trotzdem nahezu ideal. Ihr unterkühltes Auftreten schafft einen angenehmen Kontrast zum clownesken Rochefort. Das schwache Drehbuch lässt der Diva aber kaum eine Chance, die mit ihr assoziierte Klasse zu entfalten. Der Exkurs zum Thema Sex und Nacktheit im Alter gerät dank der routinierten Darsteller so zwar nicht zur Peinlichkeit, de Caunes verfehlt die angestrebte Selbstverständlichkeit und Unverkrampftheit nichtsdestoweniger um Lichtjahre.
Fehlendes Gespür für Feinheiten kann durch gelegentlichen derberen Humor, dem de Caunes auch in seinen Fernsehsendungen immer wieder frönt, nicht kompensiert werden. Die Szenen mit dem furzenden oder Potenzpillen verschluckenden Mops Winston wirken unabhängig von ihrer Nicht-Komik vielmehr schlicht deplatziert. Der ganze Haushalt des Lords, der seinem albernen Namen Evelyn Gaylord entsprechend offensichtlich eine homosexuelle Beziehung zu seinem Butler pflegt, ist mit ernüchternder Einfallslosigkeit dargestellt. Die Rolle ist ein unwürdiges Vermächtnis für den im Februar 2007 verstorbenen Charakterdarsteller Ian Richardson (Brazil, Dark City, Geliebte Jane), auch wenn dieser sich mit Anstand aus der Affäre zu ziehen weiß.
Die nationale britische Tugend des Understatements kommt bei de Caunes, der jede individuelle inszenatorische Aneignung des Stoffes vermissen lässt, genauso wenig zur Anwendung wie die konsequente anarchische Grenzüberschreitung wie sie die Monty Python-Truppe („Das Leben des Brian“, „Die Ritter der Kokosnuss“) zelebriert hat und wie sie von Sacha Baron Cohen (Ali G. Indahouse, Borat) auf die Spitze getrieben wird. Cohen hatte in seiner Nebenrolle als existentialistischer französischer Rennfahrer in Ricky Bobby mehr Lacher über vermeintliche nationale Eigenheiten und kulturelle Klischees zu bieten als de Caunes kompletter Film. „Wir verstehen uns wunderbar“ ist ein Komödienversuch ohne Esprit, Stil und Witz.