Eigentlich sollte „Enola Holmes“ von Warner in die Kinos kommen. Die Romanverfilmung mit „Stranger Things“-Star Millie Bobby Brown als kleine Schwester von Sherlock und Mycroft Holmes (gespielt von Henry Cavill und Sam Claflin) wurde nach Corona-bedingter Absage des Kinostarts aber an Netflix weitergereicht – und der Streamingdienst hat sich damit auch ein klein wenig Ärger eingehandelt.
Denn wie nun u. a. der Hollywood Reporter berichtet, verklagen die Erben von „Sherlock Holmes“-Autor Sir Arthur Conan Doyle Netflix, Produktionsfirma Legendary Pictures sowie Autorin Nancy Springer und Verlag Penguin Random House, die für die „Enola Holmes“-Bücher verantwortlich sind.
Dass diese zwischen 2006 und 2010 erschienen, wirft die Frage auf, warum die Klage erst jetzt kommt und ob die Doyle-Erben trotz des Erfolgs der Bücher wirklich erst durch den Netflix-Film auf „Enola Holmes“ aufmerksam wurden, aber vor allem klingt die Klage erst mal ein wenig absurd.
Sherlock zeigt Emotionen
Denn die öffentlich vorliegende Klageschrift vom 23. Juni 2020 führt als Grund ausdrücklich ins Feld, dass die „Enola Holmes“-Bücher und die Verfilmung eine Urheberrechtsverletzung seien, weil Sherlock Holmes „Gefühle zeigt“ und „Frauen respektiert“.
Jetzt nicht falsch verstehen: Die Doyle-Erben kritisieren nicht (!!!), dass Sherlock Frauen respektiert und Gefühle zeigt, denn das tut er nach ausdrücklicher Feststellung der Anwälte der Erben auch in den Büchern.
Doch der strittige Punkt ist: In welchen Büchern ist Sherlock zu Emotionen fähig und respektiert Frauen?
Sherlock Holmes: Nur teilweise Public Domain
Um das zu verstehen, muss man wissen, dass die Figur „Sherlock Holmes“ und das Gros ihrer Geschichten mittlerweile Public Domain, also frei von Urheberrechten, sind. Jeder darf die Geschichten und ihre Figuren nutzen. Die Verantwortlichen hinter so unterschiedlichen Adaptionen wie „Sherlock“ mit Benedict Cumberbatch, „Elementary“ mit Jonny Lee Miller oder der „Sherlock Holmes“-Filme mit Robert Downey Jr. sollen trotzdem jeweils Lizenzen erworben haben.
Aber: Genau zehn Geschichten von „Sherlock Holmes“ sind nicht frei von Rechten. Dabei handelt es sich um die zehn letzten Geschichten, die Sir Arthur Conan Doyle zwischen 1923 und 1927 schrieb.
Gab Doyle Holmes erst später ein Herz?
Die Erben argumentieren nun, dass Doyle nach dem Verlust seines Sohnes und seines Bruders im Ersten Weltkrieg entschied, seine berühmte Figur zu überarbeiten. So heißt es, der Autor habe die „überraschende Entscheidung getroffen“, den weltweit als „Gehirn ohne Herz“ bekannten Detektiv in „eine Figur mit einem Herz zu entwickeln“.
Holmes sei danach „wärmer“ geworden, er sei erst dann „fähig gewesen, eine Freundschaft zu entwickeln, Emotionen zu zeigen.“ Und erst dann habe er begonnen, „Frauen zu respektieren“. Zudem habe er auch erst in diesen Geschichten seinen Begleiter Watson nicht mehr als Gebrauchsstück, sondern als Kompagnon gesehen.
Weil Holmes in „Enola Holmes“ sich aber um seine kleine Schwester, eine Frau, sorge, sei das eine Urheberrechtsverletzung, denn einen zu solchen Emotionen, gerade gegenüber eine Frau, fähigen Holmes gebe es erst in den letzten zehn Büchern. Diese Holmes-Version sei also urheberrechtlich geschützt.
Netflix-Start wohl nicht in Gefahr
Auch wenn die Erben neben Schadenersatz auch verlangen, dass Netflix und Co. verboten wird, die Figur Sherlock Holmes mit Emotionen zu nutzen (und damit quasi ein Verbot des Films gefordert wird), ist der Netflix-Start wohl kaum in Gefahr. Dass Selbstbewusstsein des Streamingdienstes in dieser Angelegenheit zeigt sich schon daran, dass man (als Reaktion?) so kurz nach Einreichung der Klageschrift mal eben die ersten Bilder zum Film veröffentlicht – und (auch eher für den Streamingdienst ungewöhnlich früh) den Filmstart ankündigte:
„Enola Holmes“ soll laut Netflix im September 2020 erscheinen.
Zum einen könnten die Anwälte von Netlix die Klage womöglich entkräften, wenn sie nur eine Stelle in den früheren Büchern finden, in denen Sherlock fähig zu Emotionen gegenüber anderen Menschen ist. Der Regelfall ist zudem, dass so eine Klage gegen Zahlung einer kleinen Summe aus der Welt geschaffen wird. Schon bei dem Film „Mr. Holmes“ mit Ian McKellen wurde vor einigen Jahren eine ähnliche Klage eingereicht, die dann stillschweigend außergerichtlich beigelegt wurde. Auch damals kam der Film dann ganz normal heraus.
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