„The Others“ (2001) Von Alejandro Amenábar Bei seinem Kinostart wurde „The Others“ vor allem mit M. Night Shyamalans „The Sixth Sense“ verglichen – allerdings haben die beiden Filme außer einem genialen Mindfuck-Schlusstwist gar nicht so viel gemeinsam. Denn was an Alejandro Amenábars Grusel-Thriller vor allem begeistert, ist die Leichtigkeit, mit der der damals erst 29 Jahre alte Regisseur hier die einzigartige Atmosphäre der Horrorgeschichten des viktorianischen Englands auf der Leinwand heraufbeschwört (und das, obwohl der Film im Jahr 1945 spielt): In einem abgelegenen, riesigen Anwesen kümmert sich eine überfürsorgliche Mutter (Nicole Kidman) um ihre Kinder, die das Haus nicht verlassen können, weil sie unter einer lebensgefährlichen Lichtempfindlichkeit leiden... Mit einem Einspielergebnis von fast 100 Millionen Dollar allein in den USA avancierte „The Others“ zudem zu einem echten Überraschungs-Kassenhit.
„The Devil’s Backbone“ (2001) Von Guillermo del Toro „Hellboy“-Regisseur Guillermo del Toro hat den von Pedro Almodóvar produzierten und in Madrid gedrehten „The Devil’s Backbone“ in einem Interview mal als den persönlichsten seiner Filme bezeichnet. Und das glaubt man ihm gerne, schließlich nimmt er hier mit dem Gegenüberstellen einer übersinnlichen Geistergeschichte und der nur allzu realen Gräuel des Spanischen Bürgerkriegs bereits das Konzept seines von der Kritik am lautesten gefeierten Films „Pans Labyrinth“ vorweg. Im Zentrum des Films steht ein Waisenhaus im Jahr 1939, das immer wieder von Francos Truppen attackiert wird und in dessen Hof eine nicht gezündete Bombe im Boden steckt. Dabei ist „The Devil’s Backbone“ in seiner Beschreibung des Heimlebens nicht nur überraschend zärtlich und in seiner Verquickung von Genrekino und Kriegsdrama unheimlich ambitioniert, sondern dazu auch noch verdammt gruselig: Immerhin haben es die Geisterszenen in einer Auswertung des US-Senders Bravo auf Platz 61 der erschreckendsten Filmszenen aller Zeiten geschafft.
„Uncertain Guest - Du bist nicht allein“ (2004) Von Guillem Morales Der Architekt Felix (Andoni Gracia) lässt eines Abends einen Fremden in sein großes Haus, weil dieser sein Telefon benutzen möchte. Aber als Felix nach ein paar Minuten wieder zurück in den Raum kommt, ist der Unbekannte ohne ein Wort auch schon wieder verschwunden… oder etwa doch nicht? Denn als Felix in den folgenden Tagen immer wieder merkwürdige Geräusche hört, glaubt er immer mehr, dass der Fremde das Haus vielleicht doch nie verlassen hat! „Uncertain Guest“ ist ein spannender, intelligent erzählter Paranoia-Thriller, der übrigens nicht nur von der Horrorgemeinde gefeiert wurde: Guillem Morales erhielt 2006 eine Nominierung für einen Goya (= spanischer Oscar) in der Kategorie „Bester neuer Regisseur“.
„[Rec]“ (2007) Von Paco Plaza und Jaume Balagueró Die Ausgangssituation erinnert an George A. Romeros Überklassiker „Die Nacht der lebenden Toten“, denn auch in „[Rec]“ ist eine zusammengewürfelte Truppe (eine TV-Crew und die Bewohnern eines Appartementkomplexes) zusammen mit menschenfressenden Zombies in einem Haus eingesperrt. Dazu verpasst das Regie-Duo Paco Plaza und Jaume Balagueró dem bekannten Szenario noch einen Found-Footage-Anstrich – und zwar zur Abwechslung mal auf eine Weise, die tatsächlich zur Spannung beiträgt, statt dem Publikum nur auf die Nerven zu gehen. Dabei hat „[Rec]“ übrigens nicht nur in seiner Heimat, sondern weltweit an den Kinokassen überzeugt – eine absolute Seltenheit für einen spanischen Genrefilm. Und natürlich hat ein derart erfolgreicher Euro-Schocker auch ein Hollywood-Remake spendiert bekommen (und zwar nur ein Jahr später), aber „Quarantäne“ mit „Dexter“-Star Jennifer Carpenter braucht ihr euch wirklich nicht anzuschauen.
„Das Waisenhaus“ (2007) Von J.A. Bayona J.A. Bayona hat mit seinem Horrorfilm „Das Waisenhaus“ und dem Tsunami-Drama „The Impossible“ einen solch starken Eindruck in Hollywood hinterlassen, dass er jetzt sogar den Job als Regisseur des Brad-Pitt-Zombie-Blockbusters „World War Z 2“ bekommen hat. „Das Waisenhaus“ vereint ähnlich wie „The Devil’s Backbone“ eine anspruchsvolle, berührende Story mit perfekt sitzenden Schockeffekten: Als Laura (Belén Rueda) als Leiterin in das Waisenhaus zurückkehr, in dem sie einst selbst bis zu ihrer Adoption lebte, kann sie nicht ahnen, welche Schrecken hier in der Zwischenzeit vorgefallen sind. Selbst als ihr Sohn Simon (Roger Princep) sich mit unsichtbaren Kindern anfreundet, schiebt sie das zunächst auf seine ausgereifte Fantasie. Aber dann verschwindet Simon plötzlich und die Geister der Kinder sind Lauras einzige Chance, ihren Sohn wiederzufinden…
„[Rec] 2“ (2009) Von Jaume Balagueró und Paco Plaza Mit „[Rec] 2“ gelang Paco Plaza und Jaume Balagueró zwei Jahre nach „[Rec]“ eine spannende Fortführung und stimmige Erweiterung ihres Reality-TV-Found-Footage-Horror-Konzepts: Nur wenige Minuten nach dem ersten Teil einsetzend, gesellen sich zu den bereits bekannten visuellen Stilmitteln wie blinkende Batterieanzeigen und plötzlichen Bildausfällen im Sequel auch noch die oft unscharfen Helmkameraaufnahmen eines SWAT-Teams hinzu. Außerdem wechselt das Regie-Duo geschickt ein Stück weit das Genre: Statt als klassischer Zombie-Film entpuppt sich „[Rec] 2“ als Okkult-Horror im Fahrwasser von „Der Exorzist“, wenn zunehmend die Hintergrundgeschichte der Niña Medeiros beleuchtet wird. Was hat dieses Mädchen aufgrund der Machenschaften der Kirche alles erleiden müssen und was hat es mit ihrer Besessenheit wirklich auf sich? Dieser neuen Schwerpunkt eröffnete zudem alle Möglichkeiten für ein Prequel („[Rec] 3 Génesis“ von 2012) sowie eine weitere Fortsetzung („[Rec]4: Apocalypse“ von 2014). Ein solch umfangreiches Franchise ist im europäischen Horrorkino ein absolutes Novum.
„Julia’s Eyes“ (2010) Von Guillem Morales Die Zwillingsschwestern Julia und Sara (beide grandios gespielt von Belén Rueda) leiden an einer unheilbaren Krankheit, die sie langsam aber unaufhaltsam erblinden lässt. Als Sara eines Tages erhängt aufgefunden wird, glaubt nur Julia nicht an einen Selbstmord. Deshalb beginnt sie trotz ihrer voranschreitenden Erkrankung eigene Nachforschungen, wobei sie immer tiefer in einen Strudel aus Verrat, Geheimnissen und Lügen gerät... „Julia’s Eyes“ bietet Suspense im besten hitchcock’schen Sinne, denn als Zuschauer sehen wir immer ein wenig mehr als die erblindende Protagonistin – ein geniales Konzept, aus dem Regisseur Guillem Morales (dessen Spielfilmdebüt „Uncertain Guest“ es ja ebenfalls in diese Liste geschafft hat) vor allem auch visuell eine Menge herausholt.
„Sleep Tight“ (2011) Von Jaume Balagueró César (Luis Tosar) arbeitet als Concierge in einem Apartmentkomplex in Barcelona. Und obwohl die Bewohner ihn immer nur flüchtig wahrnehmen, kennt er wiederrum fast jedes noch so intime Detail aus ihrem Alltag. Besonders interessiert er sich für die fröhliche Clara (Marta Etura), denn ihr ständiges Lächeln verursacht bei César ein schier unerträgliches Unbehagen, das ihn von Tag zu Tag nur noch weiter in den Wahnsinn treibt. Ihm ist klar: Ehe er ihr das Grinsen nicht aus dem Gesicht gewischt hat, wird er keinen friedlichen Tag mehr verbringen… Nachdem er in „[Rec]“ noch die Zombies auf sein Publikum hetzte, setzt Regisseur Jaume Balagueró hier auf einen guten alten Kino-Psychopathen. Das Ergebnis ist ein bitterböser Horror-Thriller, in dem geschickt mit den Erwartungen des Publikums jongliert wird. Zudem spielt Spaniens Genre-Ikone Luis Tosar („Miami Vice“) auch hier einmal mehr grandios auf.
„Mama“ (2013) Von Andrés Muschietti Der Kurzfilm „Mama“ von 2008 hat in Hollywood offenbar mächtig Eindruck geschunden. Immerhin hat Regisseur Andrés Muschietti für die Langfilm-Version des Stoffes nicht nur Jessica Chastain als Hauptdarstellerin, sondern auch „Pans Labyrinth“-Mastermind Guillermo del Toro als Produzenten gewinnen können. Herausgekommen ist eine spanisch-kanadische Co-Produktion, die nicht nur an den Kinokassen, sondern auch die Kritiker überzeugen konnte: Als Manager Jeffrey (Nikolaj Coster-Waldau) nach dem Mord an seiner Frau seine beiden jungen Töchter in eine abgelegene Waldhütte bringt, um dort auch ihrem Leben ein Ende zu setzen, greift ein Geist ein und tötet ihn. Als die Mädchen Jahre später völlig verwahrlost in der versteckten Hütte entdeckt werden, ist die Erleichterung zunächst groß. Die verstörten Kinder finden allerdings nur schwer zurück in die zivilisierte Welt und machen nur langsam Fortschritte. Mit ihnen ist nämlich auch Mama (Javier Botet) aus dem Wald zurückgekehrt – also eben jener Geist, der die Mädchen einst gerettet hat…
„Shrew’s Nest“ (2014) Von Juan Fernando Andrés und Esteban Roel Gerade erst auf dem diesjährigen Fantasy Filmfest mit dem vom Publikum vergebenen Fresh Blood Award ausgezeichnet, zählt der (fast) nur in der Wohnung zweier Schwestern im Madrid der 1950er Jahre spielende „Shrew’s Nest“ zu den bestinszenierten Spielfilmdebüts des vergangenen Jahrzehnts: Weil die Schneiderin Montse (genial manipulativ: Macarena Gómez) unter Agrophobie leidet und deshalb die Wohnung nicht verlassen kann, muss sie sich ganz auf ihre kleine Schwester (Nadia de Santiago) verlassen, die sie schon seit ihrer Jugend allein aufzieht. Aber dann stürzt der Nachbar Carlos (Hugo Silva) im Treppenhaus die Stufen runter und bleibt bewusstlos vor der Tür der Schwestern liegen. Montse zieht ihn wie eine Spitzmaus (= Shrew) in ihr Nest - und wer weiß, vielleicht will er ja von da auch gar nicht mehr weg...