Gibt es zukünftig weniger gute Filme?
Nach dem Disney-Fox-Deal schrillten in weiten Kreisen Hollywoods die Alarmglocken. Das Maushaus wird immer mehr zum Monopolisten und könnte zukünftig noch ausgewählter entscheiden, welche Filme produziert werden. Zudem legt das Studio bislang kaum Wert auf die Oscars, was sogar eine ganze Sparte der Filmproduktion von Fox in Bedrängnis bringen könnte.
Nur eine gute Handvoll mächtiger Medienkonzerne kontrollierten bislang in Hollywood das Gros der Kinoproduktionen. Zukünftig gibt es einen weniger davon. Das bedeutet weniger Konkurrenz und diese belebt bekanntlich das Geschäft. Die Gewerkschaft der Drehbuchautoren schlägt in den USA bereits Alarm. Wenn ein Autor eine gute Idee hat, gibt es nun ein Studio weniger, dem er es anbieten kann. Das senkt zum einen die Chance, dass er überhaupt einen Abnehmer findet. Es schmälert aber auch seine Verdienstmöglichkeiten. Wo es vorher vielleicht ein Wettbieten zwischen Fox und Disney gab, könnte jetzt Disney als alleiniger Interessent den Preis drücken.
Mit dem Deal von Disney und Fox gibt es zwar ein großes Studio weniger, aber dafür hat im Gegenzug die Konkurrenzsituation in den vergangenen Jahren zugenommen. Dank Streamingdiensten wie Netflix und Amazon sind Filmemacher plötzlich nicht mehr darauf angewiesen, bei einem der großen Studios den Fuß in die Tür zu bekommen. Stattdessen finanziert ihnen vielleicht Netflix die Umsetzung ihrer Idee.
Die US-Wettbewerbsaufsicht wird zudem ganz genau hinschauen, ob Disney seine Marktmacht missbraucht und versucht Preise zu drücken. Der Konzern wird unter Beobachtung stehen – wie effektiv das in den USA ist, bleibt allerdings abzuwarten.
Zudem könnte der Deal auch die Oscars beeinflussen. Fox hat mit Fox Searchlight eine ganze Produktionsabteilung, die bewusst anspruchsvollere Filme produziert und bei denen man auch die Goldjungen im Sinn hat. Zu den Kandidaten von Searchlight zählen in diesem Jahr etwa „Battle Of The Sexes“, Guillermo del Toros „The Shape Of Water“ und „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri”, Mutterkonzern Fox schickt zudem noch Steven Spielbergs „Die Verlegerin“ ins Rennen. Für viele Analysten sind das fast schon zu viele Filme, die sich gegenseitig Konkurrenz machen. Sie fürchten aber vor allem, dass es unter Disney diese gar nicht mehr geben könnte, weil der Mäusekonzern eben einfach viel weniger Wert auf das Oscarprestige legt als zuvor Fox allein.
Bei dem Maushaus spielen die Oscars nämlich nur eine sekundäre Rolle. Den Goldjungen für den besten Animationsfilm nimmt man immer gerne entgegen, aber salopp gesagt geht der berühmteste Filmpreis der Welt dem Konzern ansonsten am Arsch vorbei. Mit einem Werk wie „Bridge Of Spies“ hat man zwar auch mal einen klassischen Awardfilm im Portfolio, aber es spricht Bände, dass noch nie (!) ein Disney-Werk mit dem Oscar in der Hauptkategorie „Bester Film“ ausgezeichnet wurde.
Das glauben wir
Die negativen Seiten dieses Deals kann man nicht von der Hand weisen. Kein Studio wird zum Beispiel zwei erfolgsversprechende eigene Filme gegeneinander an einem Wochenende positionieren. Wo sich Disney und Fox bislang an den Kinokassen Konkurrenz machten, wird man nun also genau hinschauen, wie man sich selbst aus dem Weg gehen kann. Mit Spannung war so erwartet worden, ob es im Dezember 2020 zu einem Gigantenduell an den Kinokassen kommt.
Fox terminierte die Veröffentlichung von „Avatar 2“ (in Deutschland am 17.12.2020) auf die Zeit vor Weihnachten. 2020 wird aber auch ein weiterer „Star Wars“-Film herauskommen und deren Termine lagen zuletzt auch im Dezember (Ausnahme ist „Solo: A Star Wars Story“, der am 24. Mai 2018 erscheinen wird). Werden die Giganten an den Kinokassen gegeneinander antreten? Nun definitiv nicht mehr. Disney wird nur noch einen der Filme im Dezember starten lassen.
Und natürlich kann dies im Ergebnis auch zu weniger Filmen im Jahr führen. Als Beispiel kann man sich hier die Comic-Adaptionen anschauen. Disney bringt momentan drei MCU-Filme pro Jahr heraus, auch aus dem X-Men-Universum erscheinen 2018 ebenfalls drei Filme in einem Jahr. Da wird man sich bei Disney schon so seine Gedanken machen, ob man wirklich sechs eigene Comic-Adaptionen über das Jahr verteilen will (es gibt ja auch noch die Werke von Warner/DC und Sony) und könnte dies reduzieren. Dies betrifft auch die Animationsfilme (siehe dazu die nächste Seite).
Wie es mit Fox Searchlight weitergeht, darf ebenfalls mit Spannung abgewartet werden. Wir gehören hier aber nicht zu den Schwarzmalern. Ja, die Oscars spielen für Disney kaum eine Rolle und man schaut lieber auf die Einspielzahlen an den Kinokassen als auf die Anzahl der Filmpreise. Aber: In der Vergangenheit hatte der Konzern mit Miramax bereits eine Tochterfirma, wo die Verantwortlichen Filmpreise als sehr wichtig einstuften. Es war für Disney kein Problem, da Miramax am Ende trotzdem genug Geld einbrachte.
Die Oscar-Propaganda der Brüder Harvey und Bob Weinstein gilt in Hollywood immer noch als legendär. Der großkotzige, heute wegen der zahlreichen Vorwürfe von sexuellen Übergriffen auf der Abschussliste stehende Harvey brüstete sich gerne öffentlich damit, dass er Oscars quasi gekauft habe, weil er so teure Kampagnen für „Shakespeare In Love“ fuhr oder Gala-Dinner auf Gala-Dinner ausrichtete, bei dem „Das Leben ist schön“-Star und -Regisseur Roberto Benigni fast jeden einzelnen Oscarwähler persönlich unterhielt (und sie am Ende ihn wählten). Disney hatte damit kein Problem und ließ Weinstein dieses Geld ausgeben.
Auch wenn die Oscars bei Disney selbst weiter keine Priorität haben dürften, wird man also nichts dagegen haben, wenn eine Sparte der Firma hier anders denkt – solange dort genug Geld erwirtschaftet wird. Allerdings wird man sich womöglich auf weniger Titel konzentrieren (so macht es auch Miramax in der Blütezeit der Filmschmiede).
Unsere finale Antwort ist daher: Ja, die Gefahr besteht...