Mein Konto
    All the Boys Love Mandy Lane
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    All the Boys Love Mandy Lane
    Von Carsten Baumgardt

    „All The Boys Love Mandy Lane”: Selten war ein Filmtitel präziser als der zu Jonathan Levines Slasher. Die titelgebende Mandy Lane ist der Dreh- und Angelpunkt des Films, mit dem alles steht und fällt. Aber da Hauptdarstellerin Amber Heard dieses Highschool-Super-Hottie derart unwiderstehlich auf die Leinwand bringt, geht das Konzept des Regisseurs voll auf. Was Rian Johnson zuletzt mit Brick im Bereich des Neo-Noir-Thrillers gelang, vollbringt Levine im Horror-Genre. „All The Boys Love Mandy Lane” ist hyperstylish, postmodern und gleichzeitig retro. Die Inszenierung setzt in der jüngeren Horrorgeschichte Maßstäbe, was über eine im Kern recht konventionelle Story hinweghilft.

    Mandy Lane (Amber Heard) ist die heißeste Braut ihrer Highschool im tiefsten Texas. Jeder will sie haben, doch keiner kommt an sie heran. Einzig zu dem Außenseiter Emmet (Michael Welch, „C.S.I.“) hält sie näheren Kontakt. Aber auch bei den Mädchen ist die zurückhaltende Augenweide beliebt – jeder will so sein wie sie: blond, unverschämt schön und gnadenlos sexy. Das geht sogar soweit, dass sich Verehrer Dylan (Adam Powell) beim Balztanz betrunken - und aus Versehen - in Gott-ähnlicher Pose beim Sprung vom Dach seines Hauses in den Swimming Pool zu Tode stürzt. Neun Monate später willigt das Objekt der allgemeinen Begierde ein, eine Clique auf einen Wochenendausflug in die texanische Provinz zu begleiten. Red (Aaron Himelstein, „Die himmlische Joan“), dessen elterliche Farm Ziel des Trips ist, Jake (Luke Grimes) und Bird (Edwin Hodge, „Invasion“) glauben, das große Los gezogen zu haben. Jeder versucht, bei Mandy zu landen. Die beiden Mädels Chloe (Whitney Able, „Cold Case“) und Marlin (Melissa Price) freuen sich, nur in ihrer Nähe zu sein. Vor Ort schaut der kernige Farmarbeiter Garth (Anson Mount, In den Schuhen meiner Schwester) nach dem Rechten und verwaltet die Ranch. Schnell fließt reichlich Alkohol, der Joint geht rum und zerstampfte ADS-Tabletten werden sich in die Nase gepfiffen. Welch Unheil in Gestalt eines psychopathischen Killers über die Partygesellschaft hereinziehen wird, ahnt zu diesem Zeitpunkt noch keiner...

    In Zeiten der knallharten Gewinnmaximierung der Major-Studios, die sich dafür feiern, dass ihre spiegelglatt gebohnerten, massentauglichen Sequels, Threequels und Franchise-Filme nahezu durch die Bank die größten Summen einspielen, ist es immer wieder eine Wohltat, wenn sich jemand in einer kleinen Nische des Systems gemütlich eingerichtet hat. Natürlich hat der deutsche Senator Filmverleih nichts gegen gute Besucherzahlen, aber bei ihrem Indie-Sub-Label Autobahn gönnen sie sich den Luxus, den künstlerischen Wert in den Mittelpunkt zu stellen. Dies sind zumeist kleine, kontrovers diskutierbare US-Produktionen, die auf ihre Weise immer wieder Aufsehen erregen. Nach Brick, Hard Candy und Shortbus wird auch „All The Boys Love Mandy Lane”, der in Deutschland auf dem FantasyFilmFest 2007 uraufgeführt wurde, von Autobahn vertrieben.

    Was ist nun so besonders an dieser Mandy Lane? Regisseur Levine, der hier nach seinen beiden Kurzfilmen „Shards“ (2004) und „Love Bytes“ (2005) sein Spielfilmdebüt gibt, verabreicht dem Genre eine hippe Frischzelleninfusion, indem er auf der einen Seite hypermodern inszeniert, andererseits den klassischen Slasher der 80er zitiert und den Film im Neuzeit-aufpolierten Retrolook der 70er gestaltet (was schon The Hills Have Eyes perfekt betrieb). Levine richtet seinen stilistischen Blick vorwärts, rückwärts, seitwärts und kreiert doch etwas eigenes, originäres. Bei diesen eleganten Zitatespielchen durch die halbe Horrofilmgeschichte, das mit Wes Cravens Scream eigentlich ausgereizt war, beginnt Levine seinen Reißer als klassischen Teeniefilm – immer hart am Klischee, das aber in letzter Konsequenz clever demontiert wird. Die erste Dreiviertelstunde dient einzig und allein der exakten Charakterzeichnung. Diese inszeniert Levine wie einen monströsen Werbespot unter großzügigem Einsatz von Zeitlupen und Weichzeichnern. Grobkörnige, farbübersättigte Bilder gehen eine wunderbare Harmonie mit einem umwerfenden Soundtrack ein und schwören den geneigten Teil des Publikums atmosphärisch auf das Kommende ein. Aus jeder Leinwandpore bricht die pure Ironie heraus, die wichtig ist, um auf das bluttriefende Finale vorzubereiten. Die lange Einführung gibt sich als feine (Teenie-)Charakterstudie, die zwar keine neuen Erkenntnisse außerhalb von Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll preis gibt, aber den Figuren doch mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit gegenüber tritt.

    Mit der Idylle ist es vorbei, als die ersten Köpfe rollen. Hier zeigt sich „All The Boys Love Mandy Lane“ sehr effektiv und hartnäckig. Der Film verschwendet keine Energie in die Genre-üblichen Taschenspielertricks: keine wehenden Vorhänge, knatschenden Türen oder Katzen, die von düsteren Fensterbänken hervorspringen. Wenn’s bei „Mandy Lane“ kracht, dann richtig. Kein Schlag geht ins Leere, sondern direkt in die Magengrube des Betrachters. Der Blutzoll im Endspiel um die Leben der Protagonisten ist angemessen hoch, die Tötungsarten einfallsreich und eklig, wenn auch kaum revolutionär. Schauspielerisch wird erstaunlich gute Genrekost mit einer Ausnahme geboten: Amber Heard (Alpha Dog, Kaltes Land) ist eine Offenbarung in Fleisch und Blut. Und das muss sie auch sein, sonst hätte der ganze Film nicht funktioniert, weil jede Szene darauf eingestellt und inszeniert ist. Wenn Heard weiterhin derart vorteilhaft zur Geltung gebracht wird, steht ihr eine Zukunft als Star ins Haus. Über die nötige Ausstrahlung verfügt sie jedenfalls.

    Fazit: „All The Boys Love Mandy Lane” ist eine phantastische atmosphärische Stilübung, die der Zuschauer jedoch sorgsam einsortieren muss. Regisseur Levine begeistert einfach mit einem wahnsinnigen Gespür für starke Bilder, die ihm letztlich ein wenig style over substance am Ende verzeihbar machen. Denn die schlagartige Schlusswendung wird das Publikum spalten. Was macht das für einen Sinn, ließe sich bemängeln? Mal ganz abgesehen davon, dass diese Frage in einem guten Horrorfilm nicht erlaubt ist, sind wir hier bei einem Slasher und nicht bei Gus Van Sants (superbem) Massaker-Porträt Elephant. Die obersten Klassenziele sind Coolness und Style. Und beides bietet auch dieser Schluss, in dem Levine den Wahnsinn von der Leine lässt, definitiv...

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top