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    Sting
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Sting

    Spaßig-fieser B-Horror mit handgemachter Riesenspinne

    Von Christoph Petersen

    Wer die volle Packung Spinnen-Panik will, der muss sich noch ein paar Monate länger gedulden, bis im November 2024 „Spiders - Ihr Biss ist der Tod“ (» zur 4-Sterne-FILMSTARTS-Kritik) in die deutschen Kinos kommt. In dem französischen Arachnophobie-Overkill wird ein kompletter Hochhauskomplex von sich rasend schnell vermehrenden Riesenspinnen übernommen. Aber Fans von krabbeligen B-Movies müssen nicht zwingend so lange warten: In „Sting“ von „Wyrmwood“-Regisseur Kiah Roache-Turner gibt es zwar nur eine einzige (Riesen-)Spinne, aber die stammt dafür aus dem All – und sorgt in einem New Yorker Appartementhaus weniger für blanke Angst als für einen angenehm-augenzwinkernden, dunkelschwarz-fiesen Humor.

    Ein nah an der Erde vorbeifliegender Asteroid verursacht in New York nicht nur einen plötzlichen Kälteeinbruch, er lässt auch ein intergalaktisches Spinnen-Ei in das Puppenhaus von Charlotte (Alyla Browne) krachen. Die 12-Jährige ist zunächst noch ganz begeistert von ihrem neuen Haustier und macht sich selbst dann noch keine Sorge, als das von ihr auf den Namen Sting getaufte und mit reichlich Kakerlaken gefütterte Krabbeltier innerhalb weniger Stunden seine Größe verdoppelt. Aber irgendwann ist Sting verschwunden – und die Todesfälle, zunächst unter Haustieren, aber dann auch unter den menschlichen Bewohner*innen des Appartementkomplexes, häufen sich…

    Studiocanal
    Charlotte (Alyla Browne) ist zunächst noch ganz begeistert von ihrem neuen achtbeinigen Freund.

    „Sting“ bietet wenig (bis gar nichts) Neues, macht dafür aber das Altbekannte ziemlich gut. Los geht das schon bei der titelgebenden Alien-Spinne, die schnell auf Hundegröße anwächst, sobald sie sich erst einmal quer durch das Aquarien-Buffet des mit Tierexperimenten beschäftigten Biologen-Nachbarn (Danny Kim) gefressen hat: Da man sich bei den meisten B-Movies dieser Budgetklasse vor allem vor miesen CGI-Animationen fürchten muss, hätten wohl schon solide handgemachte Effekte gereicht, um sich positiv von der Masse abzuheben. Aber damit gibt sich Roache-Turner nicht zufrieden – stattdessen hat der australische Regisseur die zigfach oscarprämierten Effekt-Gurus von Peter Jacksons Weta Workshop („Herr der Ringe“) für das Creature Design angeheuert.

    Das Ergebnis sieht schon verdammt überzeugend aus – und trotzdem tut Roache-Turner gut daran, uns die Spinne nicht zu oft zu zeigen. Stattdessen sehen wir sie etwa als sich am Faden hochziehender Schatten auf dem vom Mondlicht angeschienenen Gesicht von Charlotte. Sowieso hat „Sting“ eine ganze Reihe von geschickten, ganz schön fiesen Inszenierungskniffen zu bieten: So entpuppt sich der mysteriöse Faden, an dem die Kamera ominös entlangfährt, schließlich als das Strickgarn der Großmutter – und vom attackierten Papagei wird vielsagend zu einem Spiegelei mit reichlich Ketchup geschnitten.

    Studiocanal
    Selbst die herbeigerufenen Kammerjäger haben gegen das außerirdische Spinnenviech nicht den Hauch einer Chance!

    Gerade in der zweiten Hälfte, wenn Sting erst einmal ihre finale Größe erreicht hat, erinnert der Film fast schon eher an ein „Alien“ im eingeschneiten Appartementhaus statt an klassischen Spinnen-Horror. Wobei Roache-Turner ohnehin alle möglichen Genre-Klassiker zitiert: „Wenn es blutet, kann man es auch töten“, wird in bester „Der weiße Hai“-Manier festgestellt, während die achtbeinige Titelheldin so ausgiebig durch die Lüftungsschächte des Komplexes krabbelt, dass man ihr direkt den Spitznamen „der John McClane unter den Spinnenmonstern“ verpassen möchte. Und wenn sie zuschlägt, dann macht sie mit ihren Opfern nicht nur kurzen Prozess, es wird mitunter auch richtig blutig:

    Die teils saftigen Gore-Effekte wirken ebenfalls erfreulich handgemacht. Und wenn die Nachbarin nach einer Begegnung ihres Hinterkopfs mit der Badewannenkante hilflos-gelähmt daliegt, während sich die Spinne erst in ihren geöffneten Mund abseilt, um dann sichtbar ihren Rachen herab zu krabbeln, wird’s sogar richtig schön fies. Da verzeiht man auch, dass der ansonsten weitgehend überraschungsfreie Film (zu) viel Zeit auf die eher banale Patchwork-Familienbeziehung verwendet – zumal es am Ende wohl Geschmackssache ist, ob man die selbstbewusst-vorlaute Charlotte nun als coole oder doch eher nervige Kinderheldin wahrnimmt.

    Fazit: Kurzweiliger B-Movie-Horror, der wohl nur Hardcore-Arachnophobiker tatsächlich in Angst und Schrecken versetzen wird, aber dafür mit starken praktischen Effekten, reichlich fiesem Humor und kleinen inszenatorischen Kabinettstückchen punktet.

    Wir haben „Sting“ im Rahmen der Fantasy Filmfest Nights 2024 gesehen.

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