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Michael S.
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Serienkritik
4,5
Veröffentlicht am 31. Juli 2022
Eigentlich fehlt dieser Serie nur eines: Poesie. Dalglieshs dichterisches Schaffen und seine Vorliebe für Literatur kommen zwar gelegentlich zur Sprache, haben aber auf die Handlung fast keinen Einfluss. Nachdenkliche Melancholiker gab es schon öfter als Ermittler, aber Bertie Carvel gewinnt der Figur immerhin soviel Tiefe ab, dass man glaubt, dass das literarische Vorbild zahlreiche komplexe Seiten hat. An seiner Seite gibt Jeremy Irvine einen herrlich schnöseligen Gegenpart, der so gar nicht zu dem in sich gekehrten Ermittler passen will.
Ihm fällt dann trotz mancher Beiträge zum Ermittlungserfolg dann häufig die Rolle des Unsympathen zu, etwa wenn er die gemeinsame Kollegin Miskin (Carlyss Peer) wegen ihres Geschlechts und ihrer Hautfarbe mit beiläufig-diskriminierenden Sprüchen abserviert, obwohl sie ausschließlich wegen ihrer guten Leistungen ins Team geholt wurde. Schade, dass so vielen gut entwickelten Figuren so ein eindimensionaler Blödian gegenüber steht. Immerhin sind alle drei Fälle dieser Staffel ausreichend komplex, sodass man bis zum Ende jeder der Doppelfolgen gern dabei bleibt und im Hinblick auf die Schuldfrage fast immer falsch liegt.
Vom Krimi-Durchschnitt hebt sich "Adam Dalgliesh" dank der sorgfältig inszenierten Episoden ab, die in jeder Hinsicht qualitativ hochwertiges Schauspiel, ansehliche Bilder (spätestens Folge drei perfektioniert die kinoreife Optik) und die gewohnten Stärken des klassischen Brit-Crimes bieten. Die überzeugend dargestellte Epoche der 1970er Jahre bietet zudem reichlich Spannungsfelder im Hinblick auf den eher "klassischen" Ermittler Dalgliesh, der sich mit gesellschaftlichem Wandel und der etwas lockereren Einstellung mancher jüngerer Kollegen herumschlagen muss, während die alte Garde schon lange nur noch auf die Pensionierung hofft.
Die Fans von "Der junge Inspektor Morse" dürften hier noch eher ihre Freude haben als die von "Grantchester" und Co., denn Dalglieshs Liebesleben liegt aus tragischen Gründen brach. Aber das ist auch mal eine nette Abwechslung gegenüber den ständigen romantischen Liebeleien anderer Ermittler, deren Scheitern man schon lange ahnt.
Adam Dalgliesh ruhige Art der Ermittlung tut gut. 3 Interessante Fälle in Doppelfolgen aufgeteilt und mit großer Sorgfalt inszeniert. Das ist angenehmes Unterhaltungsfernsehen auf hohem Niveau. Und für Fans alter Englischer Autos wird auch noch richtig viel geboten. Klare Empfehlung!