Ich habe Marc Elsbergs Roman damals bei seinem Erscheinen 2012 gelesen -und er ist ein in seinen Details wirklich beeindruckender Science-Fiction-Roman in der wortwörtlichen Bedeutung dieses Begriffes: Elsberg beschreibt detailliert wissenschaftlich begründet, wie fragil unser System ist und benutzt dazu einen Roman als Stilmittel, um dieses Wissen um die daraus resultierenden gesellschaftlichen Risiken zu transportieren.
Da zwischenzeitlich alles mit allem vernetzt ist, kann ein Zusammenbruch des Stromnetzes letztlich zu einem kompletten Zusammenbruch der Zivilisation führen: Das ist der Kern von Elsbergs Roman. Und er ist genau deshalb so eindrücklich, weil er all diese Kettenreaktion, die am Ende in die Katastrophe führen, wie in einer altgriechischen Tragödie erzählt: Ein Ereignis führt zum anderen, die Krise zieht so unaufhaltsam immer weitere Kreise und die Protagonisten aus Politik und Gesellschaft können nichts dagegen tun.
Und genau diese dystopische Zwangsläufigkeit geht der Fernsehserie leider ab. Sie konzentriert sich vielmehr auf ihre handelnden Figuren. Das ist zwar immer noch unterhaltend, verschenkt aber das Potential des Romans, mal etwas anderes als nur einen weiteren üblichen Action-Film auf den Bildschirm zu bringen.
Dazu passen leider auch die Abweichungen der Verfilmung von der Romanvorlage: Die Figur der Referatsleiterin Frauke Michelsen gibt es im Buch ebensowenig wie die längliche Odyssee ihrer beiden kleinen Töchter -hier hat der Regisseur wohl gedacht, in "political correctness Übereifer" mal eine starke Frauenfigur hinzufügen zu müssen und "irgendwas mit Kindern geht immer" auch noch. Natürlich sind die Strommastensprenger dann plötzlich auch "Reichsbürger" und dass unser halber Held Manzano vor 20 Jahren ein Mitglied einer G20-Demonstrantengruppe war, die durch böse Polizisten und Politiker misshandelt und gefoltert wurden, wird auch enervierend überbetont und episch ausgewalzt. Und es gäbe noch ein Dutzend solcher Stellen mehr -wer das Buch kennt, dem fallen sie sofort auf.
Kurzum: Mindestens zwei Sterne Abzug für die schon hochnotpeinliche political correctness, die durch diese Verfilmung wabert.
Auch die schauspielerischen Leistungen überzeugen selten. Nicht, dass sie schlecht wären; aber sie sind eben auch nicht wirklich gut. Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu bleibt ziemlich blass: Mit seinem ewig gleichen Gesichtsausdruck wirkt es, als ob er sich am Set eher gelangweilt hätte. Heiner Lauterbach hat umgekehrt zu wenig Text, um seiner Rolle als knurriger Polizeikommissar Tiefe zu geben, glänzt aber wenigstens ab und zu mit ein bisschen lakonischem Humor. Wirklich überzeugend ist nur Marie Leuenberger: Als Krisenstabsleiterin wider Willen, die sowohl mit den zögerlich taktierenden Politikern als auch der Last ihrer Verantwortung und der Sorge um ihre kleinen Töchter zu kämpfen hat, hat sie diesbezüglich natürlich auch eine dankbare Rolle, in der man glänzen kann. Aber die nutzt sie -man kauft ihr ihre emotionalen Höhen und Tiefen auch in jedem Moment ab.
Was den Film trägt, ist die düstere Atmosphäre: Das nächtliche Berlin ohne jedwede Beleuchtung, brennende Straßenzüge und ein AKW, das in Zeitlupe außer Kontrolle gerät.
Leider sind die Komparsen für ihre Statistenrolle als protestierende Hungerzüge vor den Ministerien oder als demonstrierende Straßenkämpfer wohl unterbezahlt worden, denn so lasche und unglaubwürdige Protestszenen hat man selten gesehen.
Und so lässt einen diese TV-Serie auch unbefriedigt zurück. Wer das Buch nicht kennt, für den ist es immerhin noch eine leidlich unterhaltende Abendunterhaltung: Ein bisschen gruselig, aber durchaus spannend, weil man Manzano gerne bei seiner Suche nach einem Ausweg zusieht und sich fragt, wie das alles wohl ausgehen wird. Wer aber das Buch kennt, für den ist dieser Verfilmung eine Enttäuschung, weil er in keinem Moment diese Zwangsläufigkeit der Kriseneskalation abbildet, in der von Tag zu Tag die Zivilisation immer mehr zusammenbricht und immer mehr Millionen Menschen sterben.