Bei "The Outsider" wurde mir noch einmal die Stärke einer Serie im Vergleich zu einem normalen Kinofilm bewusst: Man hat einfach viel mehr Zeit Charaktere einzuführen und zu entwickeln. Man hat viel mehr Zeit deren seelische Abgründe aufzuzeigen. Man hat viel mehr Zeit einen bedrohlichen Handlungsbogen aufzubauen. Warum ist das bei dieser Serie wichtig? Weil im Zentrum der Handlung ein Wesen stand, das sich an Schmerz, Trauer und Kummer der Menschen ergötzt.
Dabei begann die 1. Staffel von "The Outsider", die auf der Romanvorlage von Stephen King basiert, noch wie ein normaler Krimi: Eine verstümmelte Kinderleiche wurde in einem Ort gefunden und ein knurriger Detective (stark: Ben Mendelsohn) nimmt die Ermittlungen auf. Schnell ist ein verdächtiger Mann gefunden und verhaftet, der jedoch die Tat abstreitet. Er sei zur Tatzeit gar nicht im Ort gewesen, was Videoaufzeichnungen von Überwachungskameras bestätigen. Und doch gibt es Zeugenaussagen und Indizien wie Fingerabdrücke, die das Gegenteil behaupten. Doch wie kann ein Mensch an zwei verschiedenen Orten gleichzeitig sein? Die Antwort auf diese Frage zermürbt den Detective so sehr, dass er widerwillig anfängt an das Übernatürliche zu glauben.
Ich war auf der Suche nach einer düsternen Krimi-Serie im Stil von "True Detective" oder Filmen wie der "Schneemann" und "Die purpurnen Flüsse", die man gut an grauen, nebligen Novembertagen gucken kann. Ich wurde von "The Outsider" nicht enttäuscht, wobei die zweite Hälfte der 1. Staffel dann schnell in das Übernatürliche abdriftete (muss man halt mögen, ist sicherlich nicht für jeden etwas). Klar, wenn man eher schnelle Action und bleihaltige Schusswechsel sehen möchte, ist man mit "The Outsider" schlecht beraten. Die Serie ist in ihrer Erzähltechnik sehr langsam und legt viel Wert auf Charakterentwicklung. Lange Einstellungen und mit Teleobjektiv gefilmte Landschaften (gerne auch mal von oben mit einer Drohne) dominierten das Geschehen.
Was ich jedoch besonders unheimlich fand: Das Wesen gibt es wirklich, jedenfalls in der Folklore verschiedenster Länder. In der Serie googeln die Charaktere das mystische Wesen und die gefundenen Fotos, die im Browser kurz zu sehen sind, erscheinen tatsächlich, wenn man die "El Cuco"-Legende googelt. Und als Film-Fan mit einer großen Blu-Ray-Filmsammlung erschrak ich gleich doppelt: Ich besitze mehrere Horror-Filme, in denen "El Cuco", der "Bye Bye Mann", der "Babadook", der "Boogeyman" und der "Baba Yaga" den Menschen das Fürchten lehrt. Bei dem Wesen in "The Outsider" handelt es sich also nicht um ein neu ausgedachtes Wesen, sondern um den "schwarzen Mann" persönlich, vor dem besonders kleine Kinder Angst haben sollten ("Wenn Du X nicht machst, holt Dich der schwarze Mann."). Ich bin gespannt auf Staffel 2, der Cliffhanger am Ende wirkte vielversprechend.