Die neue Netflix-Serie The Witcher von Lauren Schmidt Hissrich soll also in die Fußstapfen von Game of Thrones treten. Mit hohem Budget und einem bekannten Hauptdarsteller in einer rauen und düsteren Fantasy-Welt, welche durch Bücher und Spiele schon viele Herzen der Fans erobert hat, wird der Versuch gestartet, einen legitimen „Game of Thrones“-Nachfolger zu erschaffen. Ob dies auch gelungen ist und The Witcher an die in weiten Teilen herausragende Qualität von Game of Thrones heranreicht, erfahrt ihr in der nachfolgenden Kritik.
Die Welt von The Witcher ist düster, brutal und durch die verfeindeten Königreiche Nilfgaard und Cintra gekennzeichnet. In dieser Welt tummeln sich verschiedenste Rassen von Menschen, Elfen, Zwergen und Monstern. Alle Fraktionen sind durch spezifische Eigenheiten und durch unterschiedliche Interessenlagen ausgearbeitet. Politische Konflikte im größeren Maßstab aber auch die Probleme der einfachen Leute im kleineren Maßstab, sind in der Welt von The Witcher allgegenwärtig. Die Welt von The Witcher ist authentisch; sie ist bedrohlich, sie kann aber auch schön und anmutend sein, sie ist komplex, sie „atmet“ und dürfte für viele Fantasy-Fans ein Highlight sein. In diesem Punkt bewegt man sich definitiv auf Augenhöhe mit Game of Thrones. In dieser Welt lebt Geralt von Riva, ein Hexer, welcher durch Mutationen besondere Fähigkeiten beherrscht und gegen Bezahlung Monster tötet. Geralt ist eine Person, welche nicht in die Macht- und Interessenkonflikte hineingezogen werden möchte und sich einzig auf das Töten von Monstern konzentriert. Wenig überraschend funktioniert dies weniger erfolgreich und Geralt wird im Laufe der Geschichte immer mehr in die großen und kleinen Konflikte hineingezogen. Neben dem Hauptcharakter Geralt werden mit der Magierin Yennever von Vengerberg und Prinzessin Cirilla weitere Hauptcharaktere in The Witcher hinzugefügt. Yennever von Vengerberg ist eine Magierin, welche als Kind für 4 Kronen verkauft wurde. In Laufe der Geschichte strebt sie nach immer mehr Macht und trifft folgenreiche Entscheidungen. Cirilla hingegen ist eine Prinzessin, die nach einem Angriff auf ihr Königreich fliehen muss und sich auf die Suche nach einer Person begibt, dessen Schicksale untrennbar miteinander verbunden sind. Obwohl die individuellen Geschichten rund um Geralt, Yennever und Cirilla so unterschiedlich sind, so sind sie doch miteinander verflochten. Wichtig in diesem Zusammenhang sind die drei verschiedenen Zeitebenen zu erwähnen. Die Geschichte rund um Yennever beginnt z.B. zu einem Zeitpunkt, wo Cirilla noch gar nicht geboren wurde. Alle drei Zeitebenen werden zudem im ständigen Wechsel erzählt, was die Aufmerksamkeit des Zuschauers äußerst beansprucht. Gerade zu Beginn werden Neulinge mit der komplexen Fantasy-Welt, den vielen eingeführten Charakteren und den noch zusätzlichen Zeitebenen auf die Probe gestellt. Hat man sich in dieser Welt allerdings zurechtgefunden, dann entfaltet sie und die Charaktere eine starke Sogwirkung, welcher man als Zuschauer nur schwer entkommen kann. Gerade der Abschluss sorgt für viele „Aha-Erlebnisse“ und beantwortet viele offene Fragen und Verständnislücken. Auch die Action kommt in The Witcher nicht zu kurz. Unglaublich gut geschnittene Kampf-Choreographien und größere Schlachtszenen werten die Serie ungemein auf. Hierbei hält die Kamera voll drauf und zeigt die gesamte Brutalität und Härte eines Kampfes, was die Serie auf jeden Fall zu einer Erwachsenen-Serie macht.
Nun zu den Schauspielern. Als erstes ist hier natürlich Geralt von Riva, gespielt von Henry Cavill zu erwähnen. Cavill spielt seinen Geralt mit einer starken körperlichen Präsenz. In der Kombination mit seiner Schrulligkeit und seinem dezent einsetzenden Humor ist der Hexer einfach perfekt getroffen. Eine starke Dynamik entfacht sich besonders mit dem Barden Rittersporn, gespielt von Joey Batey. Dieser bringt Geralt unfreiwillig in immer mehr Probleme, letztendlich sind sie aber befreundet und achten einander. Wenn Rittersporn anfängt seine augenzwinkernden Lieder zu singen, hat man die Zuschauer sowieso sofort im Sack. Die stärkste Charakterentwicklung nimmt Yennefer. Ihr gesamter Beginn von einer behinderten Frau, welche für 4 Kronen verkauft wurde, bis hin zu einer der mächtigsten Magierin wird glaubhaft, wenn auch durch mehrere Zeitsprünge erzählt. Das Leiden in ihrer Figur aber auch ihr ungezügelter Drang, ihre Ziele mit aller Macht zu erreichen, werden dem Zuschauer eindrucksvoll vermittelt. Weniger Charakterentwicklung nimmt hingegen Cirilla, gespielt von Freya Allan. Auch sie spielt ihre Prinzessin ohne Makel, kommt während dieser ersten Staffel aber kaum zum Zug, da ihr besondere Momente oder Entwicklungen fehlen. Es deutet sich aber an, dass sie noch eine große zukünftige Rolle spielen wird und es der Schauspielerin definitiv zuzutrauen ist, dieses auch gut auszufüllen. Neben diesen Hauptcharakteren gibt es aber noch unzählige weitere wichtige Charaktere, welche in der Fülle gar nicht beschrieben werden können. Es lässt sich auf jeden Fall festhalten, dass die schauspielerische Leistung insgesamt wirklich sehr gut ist und mit Geralt und Yennefer sogar absolute Highlights vertreten sind.
Kommen wir nun zu den Problemen der ersten Staffel und hier ist es erfreulich, dass The Witcher gar keine größeren Probleme aufweist. Vielleicht wäre es besser durch mehr Erklärungen, Texteinblendungen usw. die Welt, die Figuren und den Zeitebenen gerade für Neulinge besser zu vermitteln. Gerade der Beginn ist für Neulinge nicht ganz einfach. Der Konflikt zwischen den Königreichen Nilfgaard und Cintra wird eher oberflächlich behandelt. Bisher zeichnet sich die erste Staffel durch weniger schwarz-weiß und mehr durch moralische Grautöne aus. Im großen Konflikt zwischen den Königreichen wird aber stärker auf ein gut-böse-Schema gesetzt. Vielleicht wird dieses in den folgenden Staffeln noch aufgelöst und soll daher nur als eine vorläufige Anmerkung Erwähnung finden.
Als Fazit kann ein hervorragender Start in eine Saga gezogen werden, welcher verdammt nah an die Qualität von Game of Thrones heranreicht. Die Welt ist komplex und fantastisch gestaltet. Die Figuren fügen sich sehr organisch in dieser Welt ein und die Hauptdarsteller sind eine Wucht. Die Action ist gut choreographiert und brutal. Die anfangs verschiedenen und verwirrenden Zeitebenen werden nach und nach verstanden und ergeben am Ende ein sinnvolles Ganze. Am Ende bleibt einfach eine große Lust auf die nächste Staffel. Netflix hat sein Game of Thrones gefunden und es bleibt zu hoffen, dass Showrunnerin Lauren Schmidt Hissrich die Qualität halten bzw. sogar noch steigern kann. Insgesamt bekommt The Witcher Staffel 1 eine 9/10. Hier steckt das Potenzial zu einer der größten Fantasy-Serien aufzusteigen.