Und wieder ist es die BBC, die sich anschickt, einen großen Klassiker zu entstauben und einem zeitgenössischen Publikum nahezubringen. Das Genre der TV-Serie entpuppt sich als perfekt geeignet, um die vielen Erzählstränge der umfangreichen Vorlage (ca. 1.500 Seiten in der deutschen Ausgabe) ausführlich zu behandeln und genug Cliffhanger einzubauen, um das Interesse des Zuschauers wachzuhalten. Entgegen mancher Vorurteile ist diese Verfilmung ebenso wie der Roman, abgesehen von einer einzelnen Folge, kein reines Liebesdrama oder eine Art Jane-Austen-Novelle mit russischem Touch. Neben all den gelangweilten Ehepartnern, leidenschaftlichen Affären und idealistischen Treueschwüren macht Regisseur Tom Harper keine Kompromisse bei der Darstellung der napoleonischen Kriege, die trotz schicker Uniformen blutige Gemetzel bleiben.
Hauptsächlich ist es aber den durch die Bank sympathischen Darstellern zu verdanken, dass nie Langeweile aufkommt. Allen voran Lily James, deren Natascha Rostówa man die Entwicklung von der naiven Jugendlichen bis zur von Lebenserfahrung geprägten Erwachsenen gerne abnimmt, folgt man mit Freuden. Ein wie so oft leidenschaftlich aufspielender Paul Dano verpasst seinem Graf Besúchow so viele Seiten, dass man von ihm gerne noch mehr sehen würde. An James Nortons Leidensmiene hat man sich hingegen schon recht bald sattgesehen, doch dafür gibt ihm sein grummeliger Vater (genial gespielt von Jim Broadbent) ordentlich Kontra. Als einzige Fehlbesetzung dürfte Mathieu Kassovitz in der Rolle des Napoleon Bonaparte gelten. Sicher hat er als einer der fähigsten französischen Schauspieler und Regisseure den richtigen Akzent für die Originalfassung und die Maskenabteilung hat ihm zudem eine echte napoleonische Nase verpasst. In Statur und Gesicht ähnelt er dem berühmten Korsaren jedoch kein bisschen, was den Gesamteindruck aufgrund seiner eher seltenen Präsenz nur unwesentlich trübt.
Natürlich umweht auch diese Verfilmung ein Hauch von schwermütiger Bedeutsamkeit, doch der emotionale Spannungsbogen bleibt immer dicht an den Charakteren und man modernisiert Schauspiel, Dialoge, Musik und Ästhetik soweit, dass sich auch das Fernsehpublikum des zwanzigsten Jahrhunderts ohne Überwindung in die Zeit Napoleons zurückversetzen lassen kann. "Krieg & Frieden" mag kein zurechtgestyltes Abenteuer wie "Die Musketiere" vom gleichen Sender sein, doch das hat Tolstois Stoff auch nicht nötig. Wie es sich für eine anständige Serie gehört etablieren Vorlage und Adaption diverse Figurenkonstellationen, nur um sie am Ende gänzlich anders zu kombinieren und unter anderem darin liegt auch der Reiz der Erzählung. Die russischen und litauischen Drehorte bringen zudem genug Flair ein, um nicht austauschbar zu wirken und sogar die orthodoxe Kultur findet ihren Weg in die Handlung. Mancher schräge Charakter fühlt sich zwar mehr britisch als russisch an, aber wenigstens wird dieses Stilmittel mehr zur Auflockerung als zur Überzeichnung eingesetzt.
Obwohl es sich bei den Hauptfiguren fast durchweg um Adlige und andere gut betuchte Persönlichkeiten handelt müssen sie im Verlauf der Handlung genug durchmachen, um anschließend geläutert die Versöhnung erfahren zu dürfen, die man ihnen gerne gönnt. Selten wurde diese Thematik im Gewand eines großen Kostümfilms derartig unaufdringlich und doch authentisch transportiert. Das bewegende Ende entlässt den Zuschauer mit dem Gefühl etwas Großes, aber auch unverkrampft Schönes gesehen zu haben. Eine Ausnahme in der Serienlandschaft unserer Zeit.