Es ist eine Reise, die den Zuschauer durch gleich mehrere Genres führt. Die Staffel beginnt klar erkennbar als Krimi. Ermittlungsarbeiten, Krach mit den Vorgesetzten, inoffizielle Methoden und Polizisten mit Familienproblemen. So weit, so bekannt. Dann geht es schnurstracks tiefer in den Wald und damit in Richtung Mysterythriller. Die erste Folge erlaubt noch eine halbwegs rationelle Erklärung der Ereignisse, ihr Ende stellt dann aber wieder alles auf den Kopf. Nachdem sich das Puzzle langsam vervollständigt, könnte man noch am ehesten von Fantasy sprechen, aber eigentlich bewegt sich "Jordskott" spätestens ab der Hälfte schon jenseits aller Genregrenzen. Ein Plus für alle, die nach neuen Ideen und unverbrauchten Darstellern suchen. Hardcore-Fans des schwedischen Kinos könnte höchstens Göran Ragnarstam bekannt vorkommen, der schon in Josef Fares' "Kopps" als Polizist mit zweifelhaften Absichten unterwegs war.
Der eigentliche Hauptdarsteller ist nicht unbedingt Moa Gammel, die dank blonder Haare und intensivem Spiel zuweilen an Claire Danes' Carrie Matheson aus "Homeland" erinnert. Es ist der Wald von Silverhöjd, der unverkennbar im Mittelpunkt steht. Der und die übrige schwedische Natur werden in herrlichen Luftaufnahmen gewürdigt, aber auch die Zerstörung durch Abholzung und Sprengungen thematisiert. Und das ohne die Serie jemals allzu belehrend mit Ökoaktivismus in Verbindung zu bringen. Mit der Zeit kommt es dem Zuschauer nur natürlich vor, dass sich der Wald selbst gegen das wehrt, was ihm angetan wird. Zahlreiche Ausflüge in die Mythen der schwedischen Folklore sorgen für vereinzelte Schockmomente, die hervorragenden Drehbücher benötigen solchen Hokuspokus allerdings nur in wohldosierter Menge. In amerikanischen Serien würden angesichts dieser Vorfälle schon bald wichtigtuerische Anzugträger mit dubiosem Regierungsauftrag vorfahren, in Schweden macht man es sich zum Glück nicht ganz so leicht.
Charaktere und Story sind es, die den Zuschauer an den Bildschirm fesseln. Während man anfangs meint, die Loyalitäten und Eigenschaften der Figuren noch einigermaßen einschätzen zu können, erlebt man später sein blaues Wunder. Die überraschenden Wendungen und Cliffhanger am Ende der meisten Folgen können durchaus mit TV-Schwergewichten wie "Game of Thrones" mithalten. Nordisches Fernsehen wird gerne für den englischsprachigen Markt adaptiert (so geschehen unter anderem mit "Kommissarin Lund", "Wallander" und "Real Humans"), die verschiedenen typisch schwedischen Ecken und Kanten sind aber derart unnachahmbar in diese Staffel eingeflochten, dass derartige Versuche hoffentlich unterbleiben oder nach hinten losgehen. Man sollte dieser ausgezeichneten Serie lieber flugs eine zweite Staffel gönnen, denn trotz des gut aufgelösten Endes gibt es in den Wäldern noch viel zu entdecken.