Der ersten Staffel sah man noch in einigen Folgen das unbedingte Bemühen an, sich von bereits existierenden Erfolgsformaten wie "Vikings" abzusetzen. Mittlerweile hat "The Last Kingdom" eine stilistische Abgrenzung auf jeden Fall nicht mehr nötig, die Eigenständigkeit wurde bewiesen. Als besonders schön erweist sich einmal mehr, dass nicht nur die im Buch beschriebene Ego-Perspektive Uhtreds gezeigt wird, sondern auch jene Ereignisse, auf die der Held keinen Einfluss hat.
Das ist besonders deshalb gut, weil Alexander Dreymon nach wie vor ein wenig von der Leidenschaft des Roman-Uhtred fehlt. Selbst wenn er gerechtfertigt gegen den ungerechten Sinneswandel und die Expansionspläne seines undurchsichtigen Königs Alfred rebelliert, dann wirkt sein Benehmen oft eher zickig als gerechtfertigt wütend. Es kann eben nicht jeder ein Travis Fimmel sein, der seinen Ragnar Lothbrok in "Vikings" gleichermaßen liebenswert und gefährlich spielt.
Immerhin bekommt Dreymon in der zweiten und dritten Folge schauspielerisch allerhand zu tun, als ihm ein Schicksal widerfährt, das in mehreren Details stark an "Ben Hur" erinnert. Dort und in vielen weiteren Folgen schlägt die Handlung immer wieder interessante Haken, die die Erzählung sogar noch ein wenig variantenreicher als in der ersten Staffel macht.
Jetzt heißt es nämlich nicht nur Dänen vs. Angelsachsen, die Invasoren sind mittlerweile ein Teil Englands geworden, mit dem man sich irgendwie arrangieren muss. Vereinzelt finden Darstellungen des komplizierten Zusammenlebens beider Völker Eingang in die Handlung, überschattet wird das Ganze von den Machtbestrebungen diverser Heerführer und Könige, sowie dem mal grundlosen und mal berechtigt scheinenden Hass der Menschen aufeinander.
Dazu gibt es allerhand unaufdringlich eingeflochtenen Mittelalter-Zeitgeist, etwa wenn ein Heer sich für unbesiegbar hält, weil es die Mumie eines Heiligen vor sich her trägt. Ein Heer, das eben nicht aus einheitlich eingekleideten Uniformträgern besteht, sondern wie ein übersichtlicher, bunt zusammengewürfelter Haufen aussieht. Angesichts der Lage durchaus realistisch. Oder die Tatsache, dass Priester zu dieser Zeit noch nicht verpflichtend im Zölibat lebten und ohne große Heimlichkeit heiraten konnten.
Apropos Priester: Vater Beocca (Ian Hart) ist einer der größten Sympathieträger dieser Staffel. Ohne dessen Vermitteln und seine scheinbar grenzenlose Nachsicht wäre der aufbrausende Uhtred schon oft verloren gewesen. Beocca, der junge Ragnar (Tobias Santelmann), die kämpferische Nonne Hild (Eva Birthistle) und zahlreiche andere Freunde stehen dem Helden zum Glück in seinem Kampf gegen Politik und Kriegstreiberei bei, was den acht einstündigen Folgen allerhand reizvolle Charaktere beschert.
Überhaupt ist die Chemie zwischen den Figuren oft stimmiger als bisher, noch dazu gibt es allerhand fürs Auge. Die Kamera ist deutlich zeigefreudiger geworden, die Sets größer, die digitalen Aufhübschungen meist auf solidem Kino-Niveau. Der rauhe Look der ersten Staffel entwickelt sich behutsam weiter, während der Erzählfluss so gut funktioniert wie nie zuvor. Damit ist "The Last Kingdom" eine der besten Mittelalter-Serien, die es zurzeit gibt und wird hoffentlich noch über die Gerüchten zufolge bevorstehende dritte Staffel hinaus verlängert. Genug Vorlagen gibt es jedenfalls, denn Bernard Cornwell hat erst vor kurzem den neunten Band der Saga vorgelegt.