Es hätte so einfach sein können. Junger Papst vs. alte Kardinäle, ein Revoluzzer im Vatikan, der ordentlich Staub aufwirbelt und eine veränderte Kirche zurücklässt. Franziskus goes Rock'n'Roll. Stattdessen verleiht Autorenfilmer Paolo Sorrentino seinem Serienereignis unbestreitbare Arthouse-Qualitäten und hält dieses Niveau beinahe mühelos zehn Folgen lang. Nur der Anfang der ersten Episode entspricht so ziemlich genau dem, was man sich anfangs vielleicht erhofft hat. Danach folgen ausführliche Betrachtungen der beteiligten Figuren, viele Dialoge, Glaubensdiskussionen und persönliche Dramen. Dass da nicht jeder Zuschauer freudig dabei bleibt liegt auf der Hand, wer aber auch nach der dritten Folge noch weiterschaut, der bekommt ein ungewöhnliches und hochwertiges Stück Fernsehen vorgesetzt, das man nicht alle Tage sieht.
Keine der Figuren verkommt zur grob gezeichneten Karikatur. Selbst den Gegenspielern des jungen Papstes verleiht Sorrentino noch zahlreiche Facetten, die deren Tun teilweise nachvollziehbar erscheinen lassen, auch wenn man anfangs glaubt, sie klar einsortieren zu können. Statt mit dem Holzhammer auf jeden potentiellen Skandal einzudreschen, erzählt die Serie behutsam Geschichten über ihre Charaktere, die niemals vorgeführt werden, sondern stets in komplexen Zusammenhängen als glaubwürdige Personen agieren. Selbst der auf den ersten Blick als Sympathieträger erscheinende junge Papst hat allerhand auf dem Kerbholz, ringt mit sich, mit Gott, mit der Kirche als Institution und muss sich auch mit den Schattenseiten seiner Mitgläubigen auseinandersetzen.
Dazwischen stellt Sorrentino immer wieder die Frage, worauf es beim Glauben wirklich ankommt und wieviel Einfluss man seiner Vergangenheit auf gegenwärtige Entscheidungen, die im Papstamt ja durchaus Millionen von Gläubigen betroffen können, gewähren darf. Der fiktive Pius XIII. verschreckt mit seinen Ansichten nicht nur die größtenteils erzkonservativen Kardinäle, sondern auch so manchen, der sich eine Art Reformation der katholischen Kirche erhofft. Dabei greift das Drehbuch durchaus Motive auf, die stark an Papst Franziskus erinnern, der von vielen schon zu Beginn seines Pontifikats als Veränderer und potentieller Heiliger gefeiert wurde.
Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Trotz seiner Jugend und manchen rebellischen Anwandlungen ist Papst Lenny in Teilen immer noch ein Produkt seiner Kirche und seines Egos. Gleichzeitig erweist er sich wiederholt als jemand, den das Unrecht der Welt erschüttert und der, trotz seiner eigenen Selbstinszenierung, endlich Gott wieder in den Mittelpunkt des Interesses stellen möchte. All diese komplexen Widersprüche verkörpert Jude Law in der Titelrolle so gut, dass der Pressetext mit dem Stichwort "Naturgewalt" keinesfalls übertreibt. Selbst im päpstlichen Jogginganzug veranschaulicht er die Würde seines Amtes so überzeugend wie viele seiner realen Vorgänger. Aber auch die Nebenrollen sind hochkarätig besetzt. Das betrifft nicht nur international bekannte Stars wie James Cromwell und Diane Keaton, auch viele der weniger bekannten italienischen Darsteller überzeugen mit vielfältigem Schauspiel.
Wer sich also einmal auf diese Koproduktion von unter anderem Sky und HBO einlässt, der wird mit vielen poetischen Momenten, wunderbarer Kameraführung, feinen Zwischentönen und viel Stoff zum Nachdenken belohnt. "The Young Pope" ist alles andere als noch eine weitere Mafia-im-Vatikan-Serie und genau das ist ihre größte Stärke.