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Michael S.
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4,0
Veröffentlicht am 9. April 2021
Der Schnauzbart dient als Indikator: In Staffel sechs ist alles ein wenig anders. Bevor eine beliebte Serie dem treuen Zuschauer etwa zu langweilig wird, muss mindestens einmal alles auf den Kopf gestellt werden. Und wenn es nur auf Probe ist. Ohne vorgreifen zu wollen: Es bleibt nicht ganz so schlimm wie es anfangs aussieht, aber der Weg dahin ist steinig und voller Gefahren für Morse und seine Kollegen.
Das Ende von Staffel 5 wies schon auf einen Generationenwechsel beim Führungspersonal hin, aber auch in Sachen Moral und Ermittlungsmethoden haben die neuen Chefs andere Ansichten als die korrekten Gentlemen Thursday und Bright. Ersterer hat sogar mehr oder weniger die Seiten gewechselt und gibt jetzt den Handlanger für seinen deutlich jüngeren Chef Box. Eine spannende Kehrtwende, zumal es die Beziehungen zu Familie und Kollegen auf den Prüfstand stellt und er am Ende nicht einmal mehr ganz selbstverständlich ins Vertrauen gezogen wird. Andere Kollegen wie Strange und Bright gehen ebenfalls ihre eigenen Wege, Trewlove ist aus den Drehbüchern verschwunden; nur Morse ist trotz Gesichtsbehaarung und neuer Dienststelle ganz der Alte geblieben: eigenbrötlerisch, in sich versunken und dennoch stur beim Ermitteln.
Umso besser, dass die vier neuen Fälle und die Machenschaften der ausgetauschten Führungskräfte das alte Team wieder mehr oder weniger vereinen. Mit Beatmusik, Rassismus und Betontürmen greifen die Episoden passende Aspekte der Zeitgeschichte auf, Nostalgie gibt es dieses Mal allerdings deutlich weniger als in den letzten fünf Staffeln. Lediglich Episode 2 "Apollo" macht sich klassische Filmtricks, die Atmosphäre eines alten Filmstudios und die Aufregung rund um die Mondladung zunutze. Mit dem Umzug in das kantige neue Dienstgebäude und dem langsamen Aussterben einer Generation von Gentleman-Polizisten werden Problemstellungen, Privates und Mordermittlungen insgesamt deutlich ernster und kühler.
Mit der finalen wendungsreichen Folge gönnt sich Showrunner Russell Lewis sogar beinahe einen waschechten Thriller, dessen Ausgang bis zum clever gelösten Ende unklar bleibt. Der Epilog ist von versöhnlicher Atmosphäre und einer Rückkehr zum Gewohnten geprägt, was man den Figuren durchaus gönnt. Und falls sich Morse von seinem unmöglichen Schnauzer verabschiedet, besteht Hoffnung auf ähnlich starke Fortsetzungen.