Es hört einfach nicht auf, britische Krimiserien zu regnen. Oder in dieser Jahreszeit: zu schneien. Happy Valley ist das neueste Genreprodukt der BBC und schlägt neben gewohnten Richtungen auch neue ein.
Es ermittelt die Kleinstadtpolizistin Catherine Cawood (Sarah Lancashire). In ihrem Bezirk geht es allerdings alles andere als beschaulich zu: Drogenmissbrauch und Gewalt sind traurige Realität. Dann wird auch noch ein gewisser Tommy Lee Royce aus dem Knast entlassen, der angeblich für den Tod von Catherines Tochter verantwortlich ist und noch so manches andere auf dem Kerbholz haben soll. Als ob das nicht schon genug wäre, gibt es kurz darauf einen mysteriösen Entführungsfall, der womöglich ebenfalls mit Royce zu tun hat. Catherines komplizierte private Lage macht das Ganze nicht unbedingt einfacher.
Kann man in diesem Genre noch Neues bieten? Vieles von dem, was die Inhaltsbeschreibung andeutet, hat man schon in unzähligen anderen Filmen, Serien und Romanen erlebt: deprimierte und kompromittierte Ermittler, die Schwierigkeiten haben, mit sich und der Welt fertig zu werden. Auf den ersten Blick noch so ein Produkt, beim Anschauen kann man allerdings überrascht werden. Zugegeben, es braucht womöglich eine bis zwei Folgen, bis man so richtig "drin" ist und alle Figuren und deren Verhältnis zueinander einigermaßen durchschaut hat. Aber dann wird es interessant.
Der Trailer und die erste Szene der ersten Folge präsentieren Catherine als taffe und abgebrühte Polizistin, die alles schon gesehen hat und die mit lockeren Sprüchen alle Situationen beherrscht. Das ist aber (noch) nicht die ganze Wahrheit. In gleich mehreren Szenen darf Sarah Lancashire ihrem Charakter eine überzeugende Verletzlichkeit hinzufügen und Seiten ausspielen, mit denen man nicht sofort gerechnet hätte. Damit ist ihre Figur definitiv nicht noch ein schon tausendmal gesehenes Handlungsvehikel, sondern eine interessante und hervorragend gespielte Variation vieler Aspekte. Sie ist weder die Jungfrau in Nöten noch eine überbetonte Neo-Feministin, die alles von den Herren der Schöpfung kopieren müsste. Denn gerade von denen lässt sie sich bei weitem nicht alles bieten. Serienschöpferin Sally Wainwright, die auch bei einigen Folgen Regie führte, hat hier eine vielfältige Polizistin geschaffen, die auch ohne weiteres mit einem Kurt Wallander mithalten könnte. Auch die Idee, sie als "einfache" Streifenpolizistin und weniger als etablierte Kommissarin auftreten zu lassen gefällt auf Anhieb.
Die Handlung hält genug Überraschungen bereit, um während der gesamten (leider nur) sechs Folgen nicht langweilig zu werden. Der anfangs noch relativ harmlose Entführungsfall wird zur einer hässlichen Angelegenheit, die bis zum Ende für Spannung sorgt. Hier wird nicht in jeder Folge ein Fall gelöst, sondern auf nie langweilige Art und Weise eine durchgehende Handlung erzählt. Man enthüllt Stück für Stück neue Eigenschaften und Geheimnisse diverser Charaktere, so dass durchaus immer wieder etwas neues entdeckt werden kann. Nach einer Szene, die man eigentlich für einen vorgezogenen Showdown hält, geht es sogar noch weiter und das eigentliche Ende bildet einen befriedigenden Abschluss. Der ist leider ziemlich schnell vorbei, vermutlich war in einer fünfzigminütigen Folge nicht genug Platz für weitere Ausführlichkeit.
Viele der Darsteller sind selbst Serienfans nicht unbedingt sofort ein Begriff. Einzig Siobhan Finneran könnte man aus Downton Abbey kennen, wo sie als intrigante Mrs. O'Brian zu sehen war. Hier spielt sie eine gänzlich andere Rolle und das äußerst überzeugend. Alle anderen machen den von BBC-Serien gewohnten richtig guten Job, inklusive des einen oder anderen skurrilen Typen. Damit bietet diese Krimiserie neben der dichten Handlung etliche frische Gesichter.
Bonusmaterial enhält die DVD-Ausgabe leider keins. Die sechs Folgen von je fünfzig Minuten Länge sind wie gewohnt in beiden Sprachen enthalten und im Vergleich zum Original um etwa acht Minuten gekürzt, da sie hierzulande für andere Sendeplätze gedacht waren. Wenigstens wurden keine handlungsrelevanten Details eingespart, man kann durchaus damit leben. Lediglich auf dem Cover haben sich zwei Fehlerchen eingeschlichen: Da ist erst von Catherine die Rede und wenig später heißt sie plötzlich "Sarah", Tommy Lee Royce bekommt kurzerhand den Nachnamen "Rogers" verpasst ...