Zur Beruhigung: Wer die ersten beiden Staffeln schon mochte, der wird auch mit der dritten seinen Spaß haben. Die vierundzwanzig Folgen sind abwechslungsreich, die Fälle noch verwickelter als zuletzt in der zweiten Season. Zudem kommt mit Kitty als Sherlocks neuer Mitbewohnerin frische Dynamik in das etbalierte Konzept. Der befürchtete Zickenkrieg zwischen ihr und Joan bleibt glücklicherweise aus. Ansätze dafür gibt es zwar genug, aber beide Frauen haben mehr als ausreichend Persönlichkeit und individuelle Stärken, um sich wesentlich mehr als banale Zankduelle zu liefern. Dabei wird, wie in den vergangenen Staffeln auch, immer wieder mit einer möglicherweise intensiveren Zuneigung Sherlocks zu den beiden Damen kokettiert, es kommt aber nie zu irgendwelchen romantischen Peinlichkeiten, die dem Holmes aus Conan Doyles Originalkanon allzu sehr widersprechen würden. Überhaupt finden sich immer wieder Querverweise und Referenzen in Richtung des Originals, aber auch reichlich aktuelle Themen wie Chaffeur-Apps, das Bienensterben oder zerstrittene Hackerbewegungen. "Elementary" ist und bleibt natürlich mehr als sein britisches Pendant eine Vorabendserie und kein TV-Event in Spielfilmlänge.
Macht aber nichts. Das bekannte Format der typisch amerikanischen Cop-Show erhält durch den zum Glück immer noch kernigen britischen Detektiv einen lohnenden Drive. Holmes ist sogar für seine Verhältnisse noch ein wenig menschlicher als bisher, muss sich dafür aber auch mehr als einmal seinen eigenen Abgründen stellen, wobei er manche ungeahnte düstere Seite offenbart. Alles das wird von Johnny Lee Miller, der sich nach wie vor vor keinem anderen Sherlock-Darsteller verstecken muss, hervorragend gespielt. Neben den gewohnt soliden bis guten Leistungen der Stammdarsteller verdient besonders Ophelia Lovibonds Rolle Lob. Anstatt Kitty auf die hübsche naive Möchtegern-Detektivin zu reduzieren, für die man sie anfangs hält, gesteht ihr Serienschöpfer Robert Doherty eine voll entwickelte Rolle mit allen Höhen und Tiefen zu, die Lovibond glaubwürdig zu verkörpern weiß. Leider ist ihr Auftritt schon nach der ersten Hälfte dieser Staffel vorbei und es wird kein einziges Wort mehr über sie verloren. Bleibt zu hoffen, dass sie vielleicht in der Zukunft irgendwann wieder auftaucht. Immerhin war sie ein interessanterer und sympatischerer Gaststar als beispielsweise Rhys Ifans in der Rolle von Sherlocks Bruder Mycroft Holmes oder der von Sean Pertwee gespielte Inspector Lestrade. Apropos Gäste - Fans von "Dr. House" werden womöglich ein bekanntes Gesicht erkennen: Michael Weston, in der Arztserie der Privatdetektiv Lucas, spielt hier in zwei Folgen eine nicht unwichtige Gestalt aus Sherlocks Vergangenheit.
Wer nach wie vor der Ansicht ist, es dürfe keinen zweiten modernen Holmes geben und schon gar nicht in den USA, für den ist die Serie weiterhin nicht geeignet. Für aufgeschlossene Holmes-Fans, die fieberhaft auf neue Fälle warten, ist "Elementary" aber nach wie vor eine gute Wahl. Stilvolle Unterhaltung ohne große Schockeffekte, aber mit raffiniert erzählten Geschichten und durchweg sympathischen Darstellern.