+++ Meinung +++
Die Tage werden kürzer, gemeinsame Unternehmungen finden häufiger dicht an dicht in geschlossenen Räumen statt und das Immunsystem sagt vermehrt: „Nee, du, noch mehr Abwehrkräfte kann ich gerade nicht mobilisieren.“ Falls ihr euch vor diesem Hintergrund einen gehörigen Schrecken verpassen lassen wollt, der euch in den kommenden Wochen regelmäßig im Hinterkopf herum spukt, gibt es ein TV-Pflichtprogramm für euch.
Denn heute, am 8. Oktober 2022, zeigt Sat.1 ab 23.15 Uhr den prominent besetzten Thriller „Contagion“, mit dem „Ocean's Eleven“-Regisseur Steven Soderbergh schon 2011 auf erschreckende Weise vorgeführt hat, wie eine Pandemie funktioniert. Nach diesem Film werden euch wochenlang Menschen, die sich an der Nase kratzen, nervös machen – leider aus gutem Grund. Und falls ihr eine Alternative zur TV-Ausstrahlung sucht: Bei Amazon Prime Video ist „Contagion“ derzeit ohne Zusatzkosten im Abo enthalten.
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"Contagion": Soderbergh hat uns gewarnt!
Geschäftsfrau Beth Emhoff (Gwyneth Paltrow) kommt schwer erkrankt von einer Reise nach Hause – und stirbt kurz darauf. Es dauert nicht lange, bis sich vergleichbare Fälle massiv häufen. Für Dr. Ellis Cheever (Laurence Fishburne), Dr. Erin Mears (Kate Winslet) und Dr. Ally Hextall (Jennifer Ehle) vom Center for Disease Control and Prevention steht fest: Das verantwortliche Virus muss schnellstmöglichst untersucht werden, um ein Heilmittel zu entwickeln. Dr. Leonora Orantes (Marion Cotillard) von der Weltgesundheitsbehörde begibt sich auf die Suche nach den Ursprüngen der Krankheit, während der trauernde Mitch Emhoff (Matt Damon) nervös versucht, seine Tochter (Anna Jacoby-Heron) vor einer Infektion zu schützen. Derweil verdient sich der Blogger Alan Krumwiede (Jude Law) mit seinen Panik schürenden Zuspitzungen und Fehlmeldungen dumm und dämlich...
Ich muss es mir selbstkritisch eingestehen: Zwar hat mich der von Soderbergh mit schneidender Slowburn-Spannung inszenierte Thriller nach einem Drehbuch von Scott Z. Burns („Das Bourne Ultimatum“) bereits 2011 gefesselt. Allerdings gab es Passagen, die mich vor elf Jahren aus dem von mir sonst so erschreckend-plausibel eingeschätzten Film rausgerissen haben. Ganz vorne dabei: Jude Laws Figur des verlogenen, unsauber arbeitenden „Journalisten“ Alan Krumwiede.
Zwar hielt ich es für glaubwürdig, dass es im Falle einer globalen Gesundheitskrise Leute geben wird, die versuchen, mit unsauberer Recherche, bewussten Fehlinformationen und der extra Dosis Panikmache Profit aus der Lage zu schlagen. Aber ich hielt es für vollkommen unmöglich, dass jemand wie Krumwiede angesichts eines großen, breiten Aufgebots an sorgfältiger, leicht zugänglicher Information ernsthaft nennenswerten Einfluss entwickeln könnte.
Streaming-Tipp: "The Road"Die Pointe dieser Zeilen können sich wohl alle denken, die nicht gerade erst unter ihrem Stein hervorgekrochen kommen, unter dem sie die vergangenen Jahre verbracht haben: Mit „Contagion“ haben Burns und Soderbergh nicht nur (auf drastischere Weise) vorskizziert, wie eine Epidemie oder Pandemie abläuft. Sie haben auch vorhergesagt, wie Querdenker und Profitgeier vor einem sie anfeuernden Publikum eine eh schon schlimme Situation nur noch schlimmer machen – ohne dass es irgendein effektives Gegengift gegen sie gäbe.
Aber auch in vielen anderen Passagen des mit einer geradezu giftigen Bildästhetik versehenen und sich daher durch und durch kränklich anfühlenden Films haben Burns und Soderbergh den richtigen Nerv getroffen. Ich weiß beispielsweise noch, wie ich während Kate Winslets Mahn-Monolog darüber, wie häufig man sich mit der Hand ins Gesicht packt, mit ertapptem Gefühl im Kino saß. Und wie ich Anfang 2020 mit Gänsehaut im Nacken an diesen Moment zurückgedacht habe. Und jedes Mal, wenn wieder ein Mensch erkrankt, der es „doch besser wissen müsste“, wie ich einige „Contagion“-Szenen 2011 gedanklich noch kommentierte.
Wegen solcher verqueren Quasi-Déjà-vus kann ich einen Rewatch von „Contagion“ nur wärmstens empfehlen, solltet ihr ihn zuletzt vor 2020 gesehen haben. Und allen, die den Film noch gar nicht kennen, kann ich ihn ebenso wärmstens ans Herz legen – die Themen sind nicht mehr so schmerzend-aktuell wie sie 2020 waren. Aber sie sind noch immer schmerzender und aktueller als während der Kino-Erstveröffentlichung. Und auch wenn man sich derzeit gemeinhin gerne wieder in gesundheitlicher Sicherheit wiegt: Genau jetzt zu Beginn der Schnupfensaison kann ein warnender „Contagion“-Realitätscheck nicht schaden.
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