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    Wegen zu schlechter Kritiken? Netflix kürzt einen seiner größten Filme des Jahres noch vor dem Start um 22 (!) Minuten
    Christoph Petersen
    Christoph Petersen
    -Chefredakteur
    Hat im letzten Jahr mehr als 900 Filme gesehen - und jede Minute davon genossen, selbst wenn der Film gerade nicht so gut war.

    Mit „Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten“ liefert der vierfache (!) Oscargewinner Alejandro González Iñárritu seinen bislang persönlichsten Film – statt drei Stunden ist der jetzt allerdings „nur“ noch zweieinhalb Stunden lang.

    Alejandro González Iñárritu hat für seine vorherigen beiden Filme „The Revenant - Der Rückkehrer“ und „Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“ jeweils den Oscar für die Beste Regie gewonnen. Dazu kommen weitere Klassiker wie „Amores Perros“, „21 Gramm“ und „Babel“. Kein Wunder also, dass jedes neue Werk des vor allem mit immer neuen Filmtechniken brillierenden Regie-Masterminds von Kinofans aus aller Welt heiß erwartet wird.

    Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten“ ist da keine Ausnahme – zumal Iñárritu hier insofern in die Fußstapfen seines mexikanischen Landmanns Alfonso Cuarón tritt, als dass er wie Cuarón mit „Roma“ nun ebenfalls einen hochgradig persönlichen, aber deshalb nicht minder epischen Film für Netflix gedreht hat. Aber dann folgte die Weltpremiere im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig – und statt der üblichen Jubelarien hagelte es plötzlich auch sehr viele verhaltene bis schlechte Kritiken.

    Beim Kritiken-Sammelportal RottenTomatoes steht „Bardo“ aktuell bei enttäuschenden 53 Prozent positiver Bewertungen (bei immerhin 32 bisher gezählten Besprechungen). Das ist meilenweit weg von seinen wegen ihrer Technik-Fokussierung ebenfalls nicht ganz unumstrittenen Vorgängern „The Revenant“ (78 Prozent positiv) und „Birdman“ (91 Prozent positiv). Mal ganz zu schweigen von Cuaróns „Roma“, der sogar bei 96 Prozent positiver Kritiken steht.

    Noch vor dem Netflix-Release von „Bardo“ am 18. November 2022 wurde der bei der Premiere in Venedig noch 174 Minuten lange Film (deshalb?) nun noch einmal um 22 Minuten auf eine neue Länge von 152 Minuten gekürzt.

    Wieso die nachträgliche Kürzung?

    Ein Film wird nach seiner Weltpremiere, die einen Haufen Kritiken hervorgebracht hat, die im Schnitt viel negativer ausgefallen sind als erwartet und zudem oft die epische Länge kritisieren, noch einmal um 22 Minuten gekürzt. Das klingt nach einer klaren Sache: Die Kürzung ist offensichtlich eine direkte Reaktion auf die erschienenen Besprechungen ...

    ... aber so klar ist das bei genauerer Betrachtung gar nicht: Alejandro González Iñárritu hat nämlich auch bei früheren Filmen wie „21 Gramm“ oder „Babel“ nach der Festivalpremiere noch mal Hand angelegt und Dinge verändert/gekürzt. Außerdem erklärt er immer wieder, dass für ihn die Arbeit an einem Film eigentlich nie wirklich abgeschlossen sei und sich immer noch Dinge fänden, die er am liebsten noch verändern würde – und dazu bietet sich die Zeit zwischen den ersten Festivalvorführungen und dem eigentlichen Release natürlich perfekt an. Zumal „Bardo“ erst so kurz vor dem Festival fertig wurde, dass er ihn nicht wie sonst üblich zunächst Freund*innen und Familienmitgliedern vorführen konnte, sondern ihn tatsächlich in Venedig zum ersten Mal richtig gemeinsam mit einem Publikum erleben durfte.

    Auf der anderen Seite hat Iñárritu die Kritiken aber auch auf jeden Fall wahrgenommen, schließlich hat er sich in Interviews zu diesen schon wiederholt geäußert – und man kann sich schwer vorstellen, dass sowas an einem Filmemacher komplett abperlt, zumal Iñárritu in „Bardo“ ja auch seine eigenen Unsicherheiten thematisiert. Am wahrscheinlichsten ist also eine Mischung: Iñárritu hätte vermutlich auch so noch mal Hand angelegt – aber die Kritiken haben es ihm mit Sicherheit nicht schwerer gemacht, die eine oder andere Szene zu kürzen oder gar zu streichen.

    Wie wir die Sache sehen

    Aus der FILMSTARTS-Redaktion haben zwei Redakteure den Film bereits bei der Weltpremiere vor Ort in Venedig sehen können – und auch uns hat das 3-Stunden-Epos gespalten: Während ich, FILMSTARTS-Chefredakteur Christoph Petersen, von der in meiner Wahrnehmung prätentiösen Machart ehrlich gesagt ganz schön genervt war (1,5 Sterne von mir), zeigte sich Björn Becher ziemlich begeistert, weshalb er in der offiziellen FILMSTARTS-Kritik auch starke 4 Sterne für den Film gegeben hat:

    Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten

    Aber trotz unserer sehr verschiedenen Ansichten über den Film als Ganzes, waren selbst wir uns einig, dass er sich gerade im letzten Drittel ganz schön zieht. Die nun geschnittenen 22 Minuten könnten da also wirklich noch mal echt was rausreißen...

    Geht der Netflix-Hit "Dahmer" zu weit? Angehöriger eines Opfers kritisiert die Serie hart – und regt zum Nachdenken an!
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