Bereits 2007 begann der Dreh, 2008 schien er eigentlich fertiggestellt, 2009 sollte er sogar bei den Oscars eine große Rolle spielen, doch 2010 gab es einen großen Gerichtsprozess und erst 2011 dann ein paar wenige Kinovorführungen. Während der Corona-Pandemie noch mal komplett überarbeitet, gibt es nun 2022 endlich den landesweiten Kinostart – und direkt wieder Ärger. Doch wovon reden wir eigentlich? Wir sprechen über den Film „Beautiful Blue Eyes“ alias „Iron Cross“, über dessen Bewerbung auf Facebook nun ein riesiger Streit entbrannt ist, hinter dem aber noch so viel mehr steckt.
Am besten, wir fangen mal mit dem aktuellen, schon ziemlich absurden Streit an. Es lohnt sich aber, den Rest zu lesen, denn die ganze Geschichte ist wie gesagt leider noch viel absurder.
Das ist "Beautiful Blue Eyes"
In „Beautiful Blue Eyes“ ist die 2008 verstorbene Kinolegende Roy Scheider („Der weiße Hai“) in seiner letzten Rolle zu sehen. Er spielt den Holocaust-Überlebenden Joseph. Der New Yorker Cop im Ruhestand reist nach Deutschland, um sich mit seinem Sohn Ronnie (Scott Cohen) auszusöhnen.
Dort angekommen, ist er schnell überzeugt, dass Ronnies alter Nachbar Shrager (Helmut Berger) in Wirklichkeit der Nazi-SS-Kommandant Vogler ist, welcher Josephs komplette Familie während es Zweiten Weltkriegs getötet hat. Gemeinsam mit seinem Sohn will er nun Rache nehmen...
Finale Entscheidung: Facebook verbietet Werbung ...
Seit vergangener Woche läuft „Beautiful Blue Eyes“ in den USA in 431 Kinos. Regisseur Joshua Newton wollte gemeinsam mit Filmverleih MovieFarm und der Kinokette Regal dafür trommeln, dass man Roy Scheiders finale Performance nun auf der großen Leinwand sehen kann – und wie es heute so üblich ist, schaltete er dabei auch Werbung auf Facebook. Doch die Anzeigen verschwanden direkt wieder. Facebook verbat die Werbung.
Wie Newton dem Rolling Stone verriet, legte er Einspruch ein – ohne Erfolg. Wie Facebook ihm mitteilte, sei ihm Werbung auf der Plattform nun komplett verboten. Diese Entscheidung sei final.
... denn der Filmtitel verstößt gegen die Werberichtlinien
Facebook verweist wohl auf die eigenen Werberichtlinien, nach denen Inhalte sich nicht auf bestimmte persönliche Attribute, darunter die Rasse, beziehen dürfen. Im Filmtitel „Beautiful Blue Eyes“ sieht man wohl solch einen unzulässigen Verweis, denn natürlich spielt dieser auf die nationalsozialistische Rassenlehre mit dem blonden, blauäugigen Menschen als Idealbild an.
Gleichzeitig ist es natürlich absurd, weil blaue Augen ja nicht auf eine Rasse beschränkt sind. Regisseur Newton, selbst Sohn zweier Holocaust-Überlebender, verwundert es zudem ziemlich, dass eine Richtlinie, die offensichtlich ja Minderheiten vor Hass schützen soll, nun so ausgelegt wird – und es auch kein Fehler eines Computer-Algorithmus ist, sondern von einem Menschen überprüft wurde.
„Das ist die Handlung eines Haters, der dem Film schaden will, um den Holocaust zu trivialisieren – und traurigerweise gibt es davon viele in unserer Gesellschaft“, so Newton gegenüber dem Rolling Stone. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass Facebook-Boss Mark Zuckerberg, selbst in einem jüdischen Elternhaus aufgewachsen, beabsichtigt habe, dass so etwas passiert.
Nach Absage: Neuer "Joker"-Film soll bald doch wieder gezeigt werdenDas Werbeverbot gehe übrigens so weit, dass Alexander Newton, der Sohn des Regisseurs und Interpret des gleichnamigen Titelsongs, seine komplette Facebook-Seite nicht mehr bewerben dürfe. Man überlege nun, rechtliche Schritte einzuleiten. Schließlich sei Werbung auf Facebook heutzutage ein notwendiges Marketingtool und man überzeugt, dass nun deutlich weniger Menschen für den Film ins Kino gegangen sind und noch gehen werden.
Die Geschichte ist schon so ziemlich absurd, doch sie steht in einer langen Kette von Ereignissen, die auch dazu führen, dass der Film erst jetzt veröffentlicht wird.
Mit dem Tod von Roy Scheider fingen die Probleme an
Dabei fing es sehr traurig an. Denn kurz nach Abschluss der Hauptdreharbeiten verstarb Hauptdarsteller Roy Scheider. Dies brachte Regisseur Joshua Newton in eine Zwickmühle, weil aufgrund eines Kameraproblems mehrere Szenen beschädigt wurden, darunter ein Schlüsselmoment des Thrillers. Eigentlich hätten diese bei Nachdrehs noch mal gefilmt werden sollen. Dies war nun nicht mehr möglich. In einer aufwändigen Post-Produktion wurde so mit CGI-Technik ausgeholfen, was den Regisseur aber nicht ganz zufriedenstellte. Einige beschädigte Szenen wurden entfernt. Es war deswegen nicht mehr die Fassung, die Newton eigentlich vorschwebte.
Trotzdem sollte der Film – damals noch unter dem Titel „Iron Cross“ – erscheinen. Und er wurde hoch gehandelt. Das Branchenmagazin Variety nahm ihn 2019 in eine Liste der 50 vielversprechendsten Titel für die Oscars auf – was der Auftakt zu einer weiteren absurden Geschichte rund um den Film war.
Gerichtsprozess wegen negativer Kritik
Denn im Anschluss an die Veröffentlichung des Artikels kontaktierte die Sales-Abteilung von Variety die Produktionsfirma des Rache-Thrillers, um auf die Möglichkeit von Oscar-Werbeanzeigen im Branchenmagazin hinzuweisen. Diese werden gerne gebucht, schließlich lesen viele Oscar-Wähler*innen Variety und werden so auf Filme aufmerksam, die sie vielleicht noch schauen sollten. Für 400.000 Dollar buchte man damals Anzeigen, die im November 2009 erschienen. Im Dezember 2009 lief der Film dann eine Woche in einem Kino in Los Angeles und einem in New York, um auch die Oscar-Qualifikationen zu erfüllen.
Variety begleitete diesen Kinostart dann auch mit einer Kritik – doch die war alles andere als positiv. Der Film wurde ziemlich zerpflückt. Was eigentlich gut aufzeigt, wie unabhängig Sales- und Redaktionsteam voneinander sind, sah die Produktionsfirma als Vertragsverletzung an. Schließlich habe man 400.000 Dollar dafür gezahlt, den Film als Oscar-Kandidaten zu promoten. Da hilft eine negative Kritik nicht. So zog man vor Gericht, verlor aber im Mai 2010. Denn natürlich stellte das Gericht fest, dass der Kauf von positiven Anzeigen in einem Magazin diesem nicht verbiete, trotzdem auch einen negativen Artikel zu veröffentlichen.
Erst mal kein Kinostart nach Variety-Verriss
In Folge der negativen Kritik zog man den eigentlichen Kinostart des Films komplett zurück. Erst im Herbst 2010, also fast ein Jahr später, gab es wieder eine Vorführung auf einem Festival. Rabbi Marvin Hier, der Gründer des bekannten Simon Wiesenthal Center, feierte „Iron Cross“ anschließend und bezeichnete ihn als „wichtigsten Film seit ‚Schindlers Liste‘“.
Mit solchen Worten im Rücken sollte es im Frühjahr 2011 endlich den großen Kinostart geben. Wie man es oft in den USA bei Arthouse- und Indie-Produktionen macht, gab es aber erst nur einen kleinen Start in wenigen Städten, um bei entsprechendem Erfolg dann die Leinwandanzahl zu erhöhen. Doch der Rache-Thriller floppte, zu landesweiten Vorführungen kam es nie.
In der Corona-Pandemie entsteht ein "brandneuer Film"
Damit schien die Geschichte von „Iron Cross“ beendet. Doch warum gibt es nun die Facebook-Werbe-Aufregung und den neuen Titel „Beautiful Blue Eyes“? Regisseur Joshua Newton erklärte, dass er während der Corona-Pandemie erkannt habe, dass es nun endlich die Technologie gibt, um seinen Film so fertigzustellen, wie er es damals nach dem Tod von Scheider nicht mehr konnte. Die Zeit während der Pandemie nutzte er, um endlich die beschädigten Szenen zu restaurieren und den Thriller zudem komplett neu zu schneiden. Das Ergebnis schaue nun aus „wie ein brandneuer Film“.
Ob der dann irgendwann auch nach Deutschland kommt, ist noch nicht bekannt. In den USA dürfte Newton nun darauf hoffen, dass die Diskussion über das Werbeverbot einige Leute auf „Beautiful Blue Eyes“ aufmerksam macht – und vielleicht am Ende sogar mehr Leute ins Kino zieht als eine 08/15-Werbung auf Facebook.