Es ist die wohl aufsehenerregendste Meldung vom diesjährigen Toronto International Film Festival (TIFF): Nur kurz nach seiner dortigen Premiere wurden weitere Vorführungen des queeren Coming-of-Age-Films „The People’s Joker“ kurzfristig abgesagt. Die genauen Hintergründe blieben zunächst unklar. Ausschlaggebend war aber mit ziemlicher Sicherheit der Inhalt des Werks oder vielmehr die darin genutzten, allzu bekannten Figuren.
Im Mittelpunkt von „The People’s Joker“ steht nämlich der titelgebende ikonische Batman-Bösewicht, der hier schon von klein auf mit seiner geschlechtlichen Identität hadert und später in Gotham City, wo öffentliche Komik größtenteils verboten ist, eine Comedy-Karriere starten will. Der als Parodie angelegte Film, in dem Regisseurin, Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin Vera Drew viele persönliche Erfahrungen verarbeitet hat, steckt dabei auch abseits des Joker-Auftritts voller Anspielungen auf das DC-Universum. Von der Comicschmiede bzw. dessen Mutterkonzern Warner Bros. Discovery autorisiert wurde das Projekt jedoch nicht. Und dennoch könnte es bald wieder das Licht der Öffentlichkeit erblicken...
Wohl noch keine Unterlassung gefordert
Bislang wurde spekuliert, dass „The People’s Joker“ vom weiteren Festival-Verlauf zurückgezogen wurde, da DC-Rechteinhaber Warner womöglich mit einer Unterlassungsaufforderung an Vera Drew und ihr Team herangetreten ist. Dem ist aber offenbar (noch) nicht so, wie aus einem neuen Statement von Drew hervorgeht, das sie auch via Twitter geteilt hat:
Demnach hätte es von einem „Medien-Konglomerat, das nicht namentlich genannt werden soll“ (wen Drew hier meint, ist aber wohl ein mehr als offenes Geheimnis) noch vor der ersten Vorführung lediglich einen „bösen Brief“ an sie gegeben, in dem sie aufgefordert worden sei, den Film nicht zu zeigen. Drew und die TIFF-Veranstalter*innen hätten sich daraufhin entschieden, die Premiere trotzdem durchzuziehen, die drei außerdem noch geplanten Vorstellungen jedoch abzusagen, um weiteren Gegenwind zu vermeiden.
Dieser Schritt ging also von Drew selbst aus, Vorführungen des Films wurden somit nicht – wie zunächst vermutet – von Dritten untersagt. „Es war enttäuschend [...], aber ich habe diese Wahl getroffen, um die Zukunft des Films und unsere neuen Freunde des TIFF zu schützen, die zu den größten Unterstützern von ‚The People’s Joker‘ gehören“, begründet Drew die Entscheidung.
Kann Warner überhaupt was machen?
Dennoch zeigt sich die Filmemacherin sehr zuversichtlich, dass „The People’s Joker“ schon sehr bald bei mehreren anderen Festivals auf der ganzen Welt laufen wird. Aktuell suche man nach einem Verleiher, der an ihre Sache glaubt, sie schützen will und dabei unterstützt, den Film einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Dieser Optimismus rührt daher, dass sich Vera Drew bei ihrem Projekt auf die unter anderem in den USA anwendbare Fair-Use-Doktrin beruft, die besagt, dass urheberrechtlich geschütztes Material in einem gewissen Rahmen zum Zwecke der Kritik, der Stellungnahme, der Berichterstattung, der Bildung oder der Wissenschaft genutzt werden darf. Das schließt unter anderem auch Parodien mit ein.
Und tatsächlich hätte sich Drew laut eigener Aussage ausgiebig rechtlich beraten lassen, um sicherzustellen, dass „The People’s Joker“ auch wirklich die Fair-Use-Voraussetzungen erfüllt. Ob Letzteres der Fall ist, könnte nun noch einmal genauestens überprüft werden. Schließlich ist weiterhin offen, ob Warner womöglich doch noch rechtliche Schritte gegen das Projekt einleiten wird und vielleicht versucht, weitere Aufführungen zu verhindern. Eine offizielle Reaktion des Studioriesen auf den Film und die Kontroverse darum gibt es bislang noch nicht.
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