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    Meisterhafter TV-Tipp: Quentin Tarantinos bester Film läuft heute ohne Werbung und uncut im Fernsehen
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Dieser Film machte Christoph Waltz zum Weltstar und holte Quentin Tarantino aus seiner Phase ständiger Exploitation-Hommagen heraus: „Inglourious Basterds“. Für unseren Autoren Sidney stellt der Kriegsfilm Tarantinos Karriere-Highlight dar.

    +++ Meinung +++

    Quentin Tarantino ist ein faszinierendes Paradoxon: Der Gewaltfilmer mit Schwäche für ausschweifende Dialoge hat eine markante Handschrift. Trotzdem ist seine Filmografie erstaunlich abwechslungsreich. Kein Wunder also, dass es längst nicht mehr „den einen Konsens-Spitzenfilm“ in Tarantinos Schaffen gibt, sondern sich die Meinungen, was seine beste Arbeit ist, immer weiter zerstreuen.

    Geht es nach mir, thront ein Tarantino-Film klar über allen anderen: Inglourious Basterds“, der heute Abend ab 23.35 Uhr bei ZDFneo zu sehen ist – uncut und selbstredend ohne Werbeunterbrechung. Wer zudem auf die Synchro verzichten möchte, was sich bei diesem Film wahrlich anbietet, kann derweil auf die DVD oder Blu-ray zurückgreifen.

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    Die Trailer haben es proklamiert, aber es ist mehr als ein Werbespruch: Ihr habt den Krieg nicht gesehen, bevor ihr ihn aus den Augen Tarantinos erlebt habt. Der Oscar-Preisträger skizziert den Zweiten Weltkrieg in fünf Kapiteln, in denen sich drei Geschichten kreuzen. Es geht um den eloquenten SS-Standartenführer Hans Landa (Christoph Waltz), die nach Vergeltung sinnende Jüdin Shoshanna (Mélanie Laurent) sowie die unrühmliche Soldatentruppe rund um Lieutenant Aldo Raine (Brad Pitt)…

    So vielfältig die Meinungen über Tarantino sind: Es dürfte Konsens sein, dass er ein Ausnahmetalent ist. Daher gibt es bei FILMSTARTS nicht eine einzige Tarantino-Regiearbeit, die weniger als vier von fünf Sternen erhalten hat. Dass „Inglourious Basterds“ jedoch im redaktionsinternen Ranking in der unteren Hälfte rangiert, übersteigt mein Vorstellungsvermögen. In meinen Augen besteht kein Zweifel, dass Tarantino nie stärker war als in seinem Riff auf Kriegsfilme.

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    Allein schon die Dialoge! Dass ein Wortakrobat wie er nicht nur mit seiner eigenen Sprache jongliert, sondern eine Kür der Mehrsprachigkeit absolviert, ist ein cineastisches Geschenk. Zumal Eloquenz und Sprachtalent in „Inglourious Basterds“ tief in Handlung und Thematik des Films verankert sind. Denn Tarantino nähert sich dem Zweiten Weltkrieg entgegen seiner Gangsterfilm-Wurzeln und Gewaltkino-Passion über Hinterzimmer-Politik, doppelbödige Verhörsituationen, Undercover-Missionen und Vortäuschung.

    Das Vermögen, sich andere Identitäten, fremde Sprachen und Sprachstile anzueignen (verbaler und non-verbaler Natur), entscheidet über Leben und Tod. Eine dramatische Fallhöhe, der Tarantino mit fesselnden, scharfsinnigen sowie gewitzten Dialogen und Monologen gerecht wird. Eine Fallhöhe, die Tarantino visuell verstärkt: Gemeinsam mit Kameralegende Robert Richardson („Aviator“) nimmt der Regisseur seine Vorliebe für filmische Querverweise und kombiniert sie nahtlos mit einer ernsteren Bildsprache.

    Dennoch geht Tarantinos inszenatorische Verspieltheit nicht verloren: Zwar wird „Inglourious Basterds“ durch eine gediegenere Bildführung seiner Verantwortung gegenüber der Historie gerecht – mehr sogar als Unsummen an kitschig ausstaffierten Geschichtsdramen. Dennoch verweisen eingeschobene Schrulligkeiten wie markig eingeblendete Logos oder Vorträge über die Beschaffenheit von Filmmaterialien darauf, dass wir uns in Tarantinos Verstand befinden. In einem Gedankenspiel über den Zweiten Weltkrieg, nicht in einer Nachstellung.

    Kostümbildnerin Anna B. Sheppard mogelt dementsprechend unter die ausdrucksstarke, historisch akkurate Garderobe geschichtlich inakkurate Entwürfe. Damit gibt sie dezente Signale, dass dies kein alltäglicher Weltkriegsfilm ist. Sondern eine verschrobene Auseinandersetzung mit Geschichte und Geschichten über Geschichte. Eine Auseinandersetzung, die der eigenwillige Filmemacher in fünf Kapiteln erzählt. In fünf Kapiteln, die allesamt so packend strukturiert sind, dass man sie als grandioses Ein-Akt-Theaterstück aufführen könnte. Doch in Abfolge potenzieren sie tonal und thematisch ihre Wirkkraft.

    Nicht allein Tarantinos Meisterstück

    Das ist nicht nur Tarantinos Bestleistung, sondern beflügelt zudem seinen Cast. Brad Pitt ist hervorragend als zerknautschter US-Lieutenant, der seine Ansprachen genussvoll phrasiert und dabei genauso saucool wie unkultiviert erscheint. Christoph Waltz erlebt in „Inglourious Basterds“ seinen Karrierehöhepunkt, indem er die redselige, belesene Art des ruchlosen Nazis Hans Landa mit verführerisch-jovialem Charme vermittelt. Zugleich macht er nie Landas Gefährlichkeit, schmierig-manipulative Art und wieselhaften Opportunismus vergessen.

    Wer jedoch viel zu selten ausreichend für ihre vollbrachte Leistung gelobt wird, ist Mélanie Laurent. Dabei beschenkt sie „Inglourious Basterds“ genauso wie Tarantino und Waltz mit einer Karrierebestleistung. Sie ist als Shoshanna das schlagende Herz des Films: Es sind Laurents unbändige Angst und immense Verzweiflung, sowie ihr tief in ihrem Inneren brodelnder Zorn, die diese Weltkriegsmär erzählerisch sowie emotional in Bewegung versetzen.

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    Laurent spielt über weite Teile des Films eine Rolle innerhalb einer Rolle, da sich die verfolgte Shoshanna aus Selbstschutz verstellen muss. Dabei bringt sie mit kleinsten mimischen und gestischen Mitteln beide Ebenen ihrer Rolle zum Ausdruck. Sie lässt uns somit an Shoshannas Anpassungsfähigkeit und Raffinesse teilhaben, mit denen sie die restlichen Figuren des Films überflügelt. Stärken, denen aufgrund der Umstände keinerlei Glanz abzugewinnen ist. Stattdessen stellen sie bittere Notwendigkeit dar.

    Daher wird Shoshannas Suche nach Vergeltung zu einer dornigen, persönlichen Mission. Zu einer Mission, mit der sie ihren innersten Antrieb ebenso berechtigt wie explosiv, dramatisch wie machtvoll nach außen projiziert. Konsequenter kann es nicht sein, dass sie sich dabei an der Sprache des Kinos bedient.

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